Freitag, 21. August 2020

Sowas von 2017

 

 
 
[ prominent | kommerziell | unsympathisch ]

Man muss sich erstmal auf der Zunge zergehen lassen, dass diese hier vorliegende LP gerade ganz offiziell als Debütalbum des Berliner Produzenten-Trios Kitschkrieg vermarktet wird. Eine Eigenschaft, die sich allein von der Sache her irgendwie falsch anfühlt, angesichts der Omnipräsenz, die diese Formation innerhalb der letzten fünf Jahre aufgebaut hat. Fizzle, Fiji Kris und °awhodat° sind in der Rap-Landschaft der vergangenen Dekade nicht weniger als eine Marke geworden, die nicht nur musikalisch für etwas steht, sondern vor allem auch in Sachen Marketing. Die monochromen Artworks, die minimalistischen T-Shirt-Designs, die eine Weile lang von allen wichtigen Rapper*innen getragen wurden und nicht zuletzt dieses absolut unverkennbare Producer-Tag, das mit der Zeit die Nervigkeit eines iPhone-Klingeltons entwickelt hat: Kitschkrieg ist ein Name, an dem Identität hängt. Umso erstaunlicher ist es, dass sie bisher nie den Schritt zur eigenen Platte gegangen sind. Zwar gibt es aus den vergangenen Jahren zahlreiche Projekte, die als offizielle Kollaborationen funktionierten, unter anderem mit Haiyti, Joey Bargeld und Megaloh, doch noch keine echten eigenen Veröffentlichungen. Selbst die formell selbstbetitelte EP-Serie von 2016 war ein Gruppenprojekt mit Allzeit-BFF Trettmann, wobei der ja inzwischen fast als vierter Mann des Formats durchgeht. Und dass das offizielle Debüt erst jetzt kommt, hat natürlich einen Nachteil: Die große Hype-Periode ist eigentlich schon wieder vorbei. Wäre diese LP 2017 oder 2018 erschienen, wäre sie eine der heißesten Scheiben der ganzen Saison geworden, jetzt funktioniert sie eher als kommerzieller Nachtrags-Sampler. Was auch damit zu tun hat, dass man manche der hier versammelten Songs schon seit über zwei Jahren kennt: Standard mit Gzuz, Gringo, Trettmann und Ufo361 ist hier genauso drauf wie 5 Minuten mit Henning May, Cro und, äh...Trettmann sowie International Criminal mit Bonez MC und Vybz Cartel. Songs also, die fast schon eher Archivmaterial sind als Hits aus der Promophase. Und das Gefühl, dass dieses Album etwas altbacken ist, wird es in seiner Gesamtheit nicht so richtig los. Da ist zum einen natürlich der typische unterkühlte Dancehall-Vibe dieser Beats, der zwar an sich cool ist, aber auch an die letzte Generation Tropical-House-Afrotrap-Deutschrap erinnert, die gerade eher nicht so cool ist. Zum anderen - und hier wird es wirklich cringy - ist da die Feature-Liste der LP, die sich wirklich liest wie die Urban-Contemporary-Selektion der letzten Echo-Verleihung: Fast die komplette 187 Straßenbande gibt sich hier die Klinke in die Hand (Zur Erinnerung: nicht cool), darüber hinaus Marteria, Miss Platnum, Max Herre, Kool Savas, Rin, Jan Delay und als besondere Ehrengäste Nena und Peter "nie wieder Solokarriere" Fox. Das ist natürlich glänzende Prominenz und auch die Paarungen, die in den einzelnen Songs vorgenommen werden, sind kreativ. Nur hat vieles davon die Wirkung, als würden sich die Veteranen der Szene jetzt bei diesem schicken Berliner Kollektiv anbiedern, um am Puls der Zeit zu sein, an dem Kitschkrieg selbst nicht mehr sind. Max Herre und Crack Ignaz regeln das alles noch am besten, indem sie einfach sie selbst sind und Rin und Savas machen Oh Junge sogar zur besten Nummer der Platte, doch abgeshen davon wird es eher peinlich. Höhepunkt der Fremdscham-Parade ist dabei ausgerechnet Peter Fox, der sich in Lambo Lambo am hedonistischen Lyrizismus 17-jähriger Cloudrapper bedient und meint, er könnte das glaubwürdig vermitteln. Und dann ist da natürlich Trettmann, der in fast der Hälfte aller Songs auftaucht und letztendlich nur noch funktioniert. Seine Beiträge sind inzwischen so sehr Teil der Kitschkrieg-Formel, dass man sie gar nicht mehr so richtig bemerkt und nur noch schulterzuckend hinnimmt. Meine Kritik an diesem Album ist aber am Ende nicht, dass es irgendwie abgenutzt oder unmodern wirkt, ich bin sicher das hätte man hochwertig lösen können. Meine Kritik ist, dass es sich künstlerisch nicht fortbewegt. Kitschkrieg verharren hier in ihrer Corporate Identity von vor zwei Jahren mit den gleichen Leuten wie immer und halten an bewährten Mustern fest, ohne sich weiterzuentwickeln. Und das ist an sich okay, aber es ist dann halt weder Pop noch ist es künstlerisch wertvoll. Und wenn es das nicht ist, muss es mich nicht interessieren.



Hat was von
Trettmann
Trettmann

Bonez MC & RAF Camora
Palmen aus Plastik

Persönliche Höhepunkte
Nein du liebst mich nicht | Oh Junge

Nicht mein Fall
Standard | 5 Minuten | Titanik | Lambo Lambo | 17:30 Uhr | Keine Angst

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