Samstag, 1. August 2020

Formlos vollendet


Yo La Tengo - We Have Amnesia Sometimes

[ verjammt | meditativ | fordernd ]

In den inzwischen über 35 Jahren, in denen Yo La Tengo aus Hoboken, New Jersey existieren, haben sie sich selten als eine Band gegeben, die sich allzu gern stilistisch definieren lässt. Ähnlich anderen Acts ihrer Generation wie Sonic Youth oder J Mascis sind sie seit den frühen Achtzigern extrem produktiv in ihrem Output und beackern dabei so ziemlich alle Wesensarten von Musik, die man mit einer klassischen Rockband-Besetzung spielen kann, also alles von softem Janglepop über Shoegaze und Garagenrock bishin zu Noise und Metal. Und für gewöhnlich klang dabei nie eines ihrer Alben wie das zuvor, um die Kreativität in immer neue Winkel zu lenken. Seit etwa sieben Jahren gibt es in ihrer Musik allerdings so etwas wie einen Trend oder eine grobe Marschrichtung, den der Stil von Yo La Tengo einschlägt und der mit jeder LP ein bisschen weiter gepusht wird. Abgesehen von ihrem Coveralbum Stuff Like That There und der Bardo Pond-Split Parallelograms (beide von 2015) geht ihre Musik seit etwa 2013 den Weg der sukzessiven Formlosigkeit und der erstarkenden Ambientisierung. Und wo die in jenem Jahr veröffentlichte LP Fade noch eher eine sehr sonnige Softrock-Unternehmung war und There's A Riot Going On von 2018 schon deutlich den Weg ins Territorium des atmosphärischen Jams wagte, ist ihre aktuellste Veröffentlichung We Have Amnesia Sometimes nunmehr komplett im kompositorischen Brei angekommen. Nicht nur das, die Platte nimmt sogar den nächsten Schritt vorweg und setzt die Segel konsequent in Richtung Drone und Noise. Kein Gesang mehr, keine Melodien und auch kein wirkliches Songwriting: was hier gemacht wird, ist einfach nur komplett verdröhnter und dekonstruktiver Jamrock. Und obwohl man argumentieren könnte, dass das alles vielleicht ein bisschen schnell geht, finde ich persönlich, dass Yo La Tengo hier interessanter klingen als auf jeder anderen LP, die ich von ihnen gehört habe. Zugegeben, viele waren es bisher nicht (23 verdammte Alben hat diese Band gemacht, give me a break!), doch von denen, die ich kenne, lässt sich eine eindeutige Korrelation feststellen: Je experimenteller sie an die Sache herangehen, desto mehr mag ich das ganze. Was bedeutet, dass We Have Amnesia Sometimes auf der entsprechenden Skala relativ weit oben ist. Die generelle Ausrichtung schwankt dabei immer wieder zwischen Ambient und Drone, was der Platte einen sehr spannenden Vibe gibt. Die Songs sind gewaltig und massiv, aber nicht so düster wie beispielsweise Earth oder Sunn 0))), gleichzeitig hört man auch noch einen Rest der Indie-Wurzeln von Yo La Tengo heraus, die die Sache ein kleines bisschen garagig und rabiat machen. Auch dass die Produktion nicht zu sehr auf die grummeligen Tiefen geht, passt hier ausnahmsweise ganz gut und gibt der LP teilweise das Flair von sehr atmosphärischem Shoegaze. Ich habe auf jeden Fall das Gefühl, dass hier die besten Ideen der letzten Platte noch einmal ausgereift wurden und weil man gerade so schön dabei war auch noch ein bisschen auf die Void-Tube gedrückt wurde. Eine Weltsensation ist das natürlich nicht, aber gerade für jemanden wie mich, der mit Drone immer noch ein paar Berührungsängste hat, ist das hier eine richtig coole, weil zugängliche Variante davon. Zumindest im Verhältnis betrachtet. Denn falls jemand vor hatte, hiermit in die Diskografie von Yo La Tengo einzusteigen, ist das vielleicht eher keine so gute Idee.



Hat was von
Efrim Manuel Menuck
Pissing Stars

Föllakzoid
I

Persönliche Höhepunkte
James and Ira Demonstrate Mysticism and Some Confusion Holds (Monday) |
Georgia Thinks It's Probably Okay (Tuesday) |
James Gets Up and Watches Mourning Birds With Abraham (Wednesday) |
Ira Searches for the Slide, Sort of (Friday)

Nicht mein Fall
-

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