Montag, 24. August 2020

Fest der Fusionen

 Jaga Jazzist - Pyramid


[ atmosphärisch | edel | fusioniert ]

Dass dieser vorliegende Text gerade meine erste Besprechung eines Albums von Jaga Jazzist ist, ist eigentlich ein Unding. Ginge es mit rechten Dingen zu, wäre diese Band wahrscheinlich schon seit Jahren eine meiner Lieblingsacts. Nicht nur stammen sie aus der mehr oder weniger gleichen Jazz-Prog-Bubble in Norwegen, die unter anderem auch für den Kosmos Motorpsycho verantwortlich ist (mit denen Teile von ihnen 2003 sogar ein fantastisches Album machten!), sie sind auch seit geraumer Zeit sowohl Signees des rennomierten Lieblingslabels Brainfeeder Records von Flying Lotus als auch von Ninja Tune (die ihre Platten jeweils in Europa und Amerika verlegen). Ganz abgesehen davon sind sie einfach nur so geil. Auf den acht Positionen des Kollektivs rotieren immer wieder die Hochkaräter der norwegischen Jazz-Szene und in den etwa 25 Jahren, die es die ganze Mischpoke jetzt schon gibt, haben sie schon alles von Hiphop bis Postrock durchgeackert. Der gemeinsame Nenner der Gruppe ist dabei aber immer jenes sehr eigene Timbre von nordischer Jazz Fusion (oder meinetwegen Nu Jazz wenn ihr unbedingt wollt), die ich ja schon für sich total gerne mag. Mit so einer reichen Historie und derartig viel Legendenstatus, die Jaga Jazzist an dieser Stelle schon haben, ist es nicht leicht, hier bei ihrem achten Longplayer einzusteigen. Zumindest kontextuell. Denn lautet die Frage , ob es musikalisch ein guter Eindruck ist, dann ist die Antwort doch ein sehr deutliches Ja und keines, das mich langes Überlegen gekostet hat. Pyramid ist ein Album, das auf eine sehr unkompliziterte Weise Spaß macht und trotzdem irgendwie mehr ist als das. Man kann sich das ganze klanglich dabei tatsächlich am besten vorstellen, wenn man einfach an Motorpsycho und das schräge Varieté von Brainfeeder-Freaks denkt, wie sie zusammen in einem Raum jammen. Vielleicht ist manchmal sogar noch Robert Glasper dabei. Auf jeden Fall ein geiles Szenario, oder? Und man kann dabei auf jeden Fall sagen, dass Pyramid von der Energie des gemeinsamen Spielens lebt. Wenn eine gut gemachte Jazz-Session schon in Triobesetzung cool ist, dann kann man sich vielleicht ausmalen, wie diese Nummer bei acht Leuten klingt, die noch dazu versierte Rock-, Synth- und Experimentalmusiker*innen sind. Ein bisschen wie Seeed, wenn sie instrumentalen Fusionsjazz machen würden. Auch die Tatsache, dass den vier Stücken hier immer sehr viel Platz eingeräumt wird und keines von ihnen kürzer als acht Minuten ist, verstärkt diese Wirkung. Und super abgemischt ist das ganze obendrein. Bei aller Perfektion, die hier drin steckt, hätte ich mir zwar an der ein oder anderen Stelle etwas mehr Dynamik gewünscht und rein kompositorisch ist vieles hier auch nicht der helle Wahnsinn, aber das ist wahrscheinlich der Preis dafür, dass man es hier mit musikalischen Akademiker*innen zu tun hat. Und auf keinen Fall resultiert dieses Ideal hier in ein Steven Wilson-Szenario, bei dem technischer Anspruch und klangliche Politur jegliche songwriterische Seele schlucken. Ich kann mir tatsächlich gut vorstellen, dass diese Art von Songs welche sind, die live sehr gut funktionieren und zu denen man - gerade bei Apex oder Teilen von Tomita - auch nicht schlecht tanzen könnte. Weshalb ich glaube, dass viele Pyramid sogar noch ein bisschen mehr mögen als ich. Und es ist auf jeden Fall eines dieser einstiegsdrogigen Alben, deretwegen man anfängt, sich für Jazz und/oder Prog zu interessieren. Für mich reicht es zumindest für den Vorsatz, Jaga Jazzist nicht länger zu ignorieren. Auch wenn ich irgendwie das Gefühl habe, dass das hier nicht mal ihre Hochform ist.


Hat was von
Air
Moon Safari

Motorpsycho
Let Them Eat Cake

Persönliche Höhepunkte
Tomita | the Shrine | Apex

Nicht mein Fall
-

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