Freitag, 18. August 2017

Pop der Verbitterung

Ach ja, Steven Wilson. Mit wenigen Dingen habe ich mich so sehr gegen meine eigenen Leser*innen aufgebracht wie mit meiner Meinung über diesen Künstler. Ich will nicht abstreiten, dass dieser kleine Beef immer wieder ein Grund ist, warum ich doch über seine Platten schreibe, aber es ist trotzdem witzig. Denn so scheiße, wie es vielleicht wirken mag, finde ich seine Musik eigentlich gar nicht. Bei den gefühlt paar Hundert Alben, die der Brite in den letzten 30 Jahren veröffentlicht hat, können ja schließlich nicht nur doofe dabei sein. Einige Sachen von Porcupine Tree gefallen mir beispielsweise sehr gut und auch seine letzte Soloplatte Hand.Cannot.Erase fand ich durchaus ansprechend. Und am Ende ist es auch für einen Wilson-Skeptiker wie mich immer wieder spannend, mir anzuhören, wie sich dieser Künstler ständig verändert, ob nun zum positiven oder zum negativen. Man kommt von diesem Typen einfach nicht weg. Auch wenn sein neuestes Projekt To the Bone mal wieder zeigt, warum ich ihn bisweilen ziemlich verachte. Zu den schlimmsten Phänotypen seiner Diskografie gehören in meinen Augen meistens die Alben, auf denen er versucht, Popmusik zu schreiben: So gut wie alles von No-Man und Blackfield, einige Porcupine Tree-Songs und leider auch große Teile seiner Solokarriere. Fast immer sind diese Ansätze furchtbar langweilig, altbacken und arrogant klingende Schmacht-Pakete, die dem Mainstream ein plumpes "So macht man das!" entgegen halten und dabei einfach nur wirken wie die kläglichen Versuche eines Mittvierzigers, den jungen Leuten zu zeigen, was "ordentliche Musik" ist (hier bitte ein Steve Buscemi-GIF einfügen). Es ist meistens einfach nur peinlich. Hand.Cannot.Erase war da vor zwei Jahren eine angenehme Ausnahme, insofern es dort wenigstens mal vernünftig klang, doch auf To the Bone hat man wieder mal den Eindruck, dass Steven Wilson in den letzten 20 Jahren gar keine aktuelle Musik gehört hat. Man erlebt hier einen dieser anstrengenden Musiker, die der Meinung sind, die allermeiste Ahnung von Popmusik und überhaupt allem zu haben, obwohl sie sich aus Ekel davor seit Jahren in ihrer eigenen Nische einigeln. Dann machen sie solche überproduzierten Sülz-Brocken wie das hier und behaupten, dass darin ja so viel mehr Herz steckt als sonst irgendwo. Es ist einfach nur eklig. Selbst wenn sich Wilson in Songs wie Refuge oder Pariah mit sozialkritischen Themen auseinandersetzt und dabei nicht nur dumme Sachen sagt, ertränkt er das ganze in völlig unnötigem Pathos, der alles wieder unglaubwürdig erscheinen ist. Gerade Refuge, ein fast siebenminütiger Song über das Einzelschicksal eines*r Geflüchteten, ist als Idee echt nicht schlecht. Nur klingt es hier so, als müsse dieser Mensch gleich auch noch den Ring nach Mordor bringen und dabei seinen sterbenden Hund wiederbeleben. Und da reden wir schon von einem der eher vernünftigen Tracks hier. Große Teile der LP sind noch um einiges schlimmer. Wer sich in die tiefsten Abgründe der wilson'schen Pop-Hölle begeben will, dem sei an dieser Stelle die grauenvolle Uptempo-Nummer Permanating empfohlen. Schlimmer wird es hier nicht mehr. Stattdessen gibt es sogar ein paar ganz okaye Songs hier: Das melancholisch-proggige Blank Tapes ist vielleicht nichts neues für Wilson-Fans, aber bietet eine willkommene Pause zwischen dem vielen Mist und auch das sehr rockige, irgendwie an Liam Gallagher erinnernde People Who Eat Darkness hat seine Momente. Leider sind diese Tracks nur kurze Lichtblicke und gerade deshalb besser, weil sie stilistisch so überhaupt nicht auf dieses Album passen. Sie täuschen nicht darüber hinweg, dass ich das, was Wilson hier macht, einfach nur dämlich finde. Ein Album wie To the Bone zeigt, wie lächerlich konservativ das Verständnis dieses Künstlers für Popmusik ist und wie geil er sich trotzdem dafür findet. Und wenn man mich fragt, bringt mich so eine Einstellung als Musikhörer einfach nicht weiter. Ganz davon abgesehen, dass die Platte scheiße ist. Aber keine Sorge: Ich werde deswegen jetzt nicht aufhören, über Steven Wilson zu schreiben. Dafür liebe ich es zu sehr, ihn zu hassen.





Persönliche Highlights: Blank Tapes / People Who Eat Darkness / Song of Unborn

Nicht mein Fall: To the Bone / Nowhere Now / the Same Asylum As Before / Permanating

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