Mittwoch, 16. August 2017

Hauptsache ihr habt Spaß!

Wenn man an eine Hardcore-Punk-Supergroup aus großen Szene-Helden der vergangenen 35 Jahre denkt, hat man vielleicht so Leute wie Ian MacKaye, Kurt Ballou, Henry Rollins oder Buzz Osbourne vor Augen. Leute, die früher in ihren Klassiker-Bands waren und heutzutage eigentlich mit Allen irgendetwas cool klingendes zu fabrizieren verstehen. Aber das wäre ja auch irgendwie langweilig und nichts so richtig neues. Wie wäre es stattdessen mit Justin Pearson und Mike Crain von Retox, Dave Lombardo und Mike Patton? Klingt spannend? Gibt es seit zwei Jahren auch in echt. Dead Cross heißt das gemeinsame Projekt der vier Musiker und was man sich auf dem Papier erstmal so gar nicht vorstellen kann, ist in der Praxis zumindest mal was anderes. Was dieser Haufen macht, ist schon deshalb kein 08/15-Hardcore, weil diese Leute das gar nicht so einfach können. Lombardo hat viel zu abgefahrene Grooves drauf, die er auch hier sich nicht verkneifen kann und Patton hört man noch beim räudigsten Geschrei an, dass er das größte Stimmvolumen aller Rockmusiker hat. Das was Dead Cross damit machen, mag Szene-Hardliner vielleicht ein bisschen enttäuschen, doch für alle, die kreative Ansätze im Genre schätzen, hat dieses Debütalbum sicherlich einiges zu bieten. Die zehn Tracks in knapp 30 Minuten heizen ordentlich durch, aber genehmigen sich auch viele Ausreißer in alle möglichen Richtungen von Industrial über Doom bis Shoegaze und man ist auf jeden Fall im Vorteil, wenn man ein bisschen Sinn für Humor mitbringt. Denn was man diesem Album vorrangig anmerkt ist, dass es wohl großen Spaß gemacht haben muss, es aufzunehmen. Vieles hier, von Lombardos albernen Drum-Solos über billige Scheiß-Riffs bishin zu Pattons operretenhaftem Gesang klingen größtenteils ein bisschen übermütig und lächerlich. Und das ist gut so, denn so blöd es klingt, es macht einen großen Teil der Qualität der Songs aus. Dead Cross sind alles gute Musiker und funktionieren auch als Band ziemlich cool zusammen, doch sie sind sich ebenfalls bewusst, dass sie hier nichts weltbewegendes schaffen (wollen). Deshalb auf die alberne Schiene abzubiegen, ist gar nicht die blödeste Idee. Songs wie Obedience School oder Grave Slave sind nur deswegen so gut, weil sie sich selber nicht zu ernst nehmen und die ganze Bierernste Hardcore-Nummer, die beispielsweise Retox auch sehr gut schieben, auch mal eben in die Tasche stecken. Dass dabei kompositorisch einiges geleistet wird und die LP für Genre-Verhältnisse sehr vielseitig ist, ist ein schöner kleiner Bonus. Kurzum macht es einfach Spaß, Dead Cross beim eskalieren zuzuhören. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und den distinguiereten HC-Leuten, den Faith No More-Fans und den Hater Skaters unter euch kann ich das hier auf jeden Fall empfehlen. Auch wenn es nur ein hübscher kleiner Jux ist.





Persönliche Highlights: Obedience School / Divine Filth / Grave Slave / the Future Has Been Cancelled / Gag Reflex / Church of the Motherfuckers

Nicht mein Fall: Shillelagh

CWTE auf Facebook

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen