Dienstag, 1. August 2017

Aufgeräumt & Durchgesaugt

Es ist eine ziemliche Aufgabe, 2017 als Unwissender den Künstler Cornelius aufzuarbeiten. Ich hatte bis eben gerade keine Ahnung von der Diskografie dieses Typen, geschweige denn von seinem stilistischen Einfluss und der Shibuya-kei-Bewegung und so richtig blicke ich ehrlich gesagt noch immer nicht durch. Alles was ich weiß ist, dass Keigo Oyamada, wie der Tokyoter richtig heißt, mit Fantasma eine der einflussreichsten psychedelischen Elektroplatten der späten Neunziger gemacht hat und ich die beiden Singles von seinem neuen Album cool fand. Eigentlich ist letzteres der einzige Grund, warum ich überhaupt über Mellow Waves schreibe. Fantasma finde ich ehrlich gesagt gar nicht mal so cool und den Rest seines Outputs habe ich mir aus Gründen der Bequemlichkeit erstmal geklemmt. Mit dieser Bildungslücke im Hinterkopf kann ich nunmehr vermelden, dass Keigo von dem psychedelischen Indiepop-Künstler, der er in den Neunzigern war, inzwischen ziemlich weit entfernt ist. Wenn man sich dieses neue Material anhört, könnte man fast sagen, dass Cornelius hier zeitgenössischen Jazz spielt. Die zehn flockigen, spritzigen, teilweise ambienten und gerade richtig verklausulierten Songs mit den schüchternen Gesangsparts sind eigentlich exakt das, was der Plattentitel verspricht. Keigo gibt sich hier nicht so abgefuckt wie früher, sondern eher sehr gefasst und obgleich Mellow Waves nach wie vor sehr experimentell ist, lässt sie sich zu keinem Zeitpunkt in ihrer Gemütlichkeit stören. Das Spektrum reicht dabei von sehr poppigen und swingenden Nummern wie Sometime Someplace und In A Dream über Synth-Balladen wie If You're Here bishin zu abstrakten Klanggebilden wie dem sphärischen Ambient-Stück Surfing On Mind Wave Pt. 2. Ich hatte zunächst ein wenig Bedenken, dass die Platte ob ihrer Chillness stellenweise langweilig werden würde, doch im Endeffekt ist fast das Gegenteil der Fall: jeder der Song besitzt eine einnehmende Persönlichkeit und trotzdem funktioniert das Gesamtbild wahnsinnig gut. Manchmal vermisst man zwar ein paar kompositorische Ausreißer, die doch mal aus der gemütlichen Lounge-Atmo ausbrechen, doch dann ist genau diese auch wieder der große Selling Point dieser LP. Und dass Mellow Waves uninteressant wäre, kann man zu keinem Zeitpunkt behaupten. Tatsächlich ist mir dieses stellenweise etwas leere, aber dafür aufgeräumte Album tausendmal lieber als das chaotische Fantasma mit seinen vielen stilistischen Hakenschlägen. Aber so richtig vergleichen kann man die beiden Platten eh nicht. Sagen wir einfach, dass ich diese Musik allen empfehlen kann, die psychedelische und experimentelle Sachen schon mögen, aber dann bitte ordentlich. Und was für mich auch definitiv eine Rolle spielt ist, dass Keigo manchmal singt wie ein japanischer Bent Saether. Nicht weitersagen, das ist unprofessionell.





Persönliche Highlights: Sometime Someplace / Dear Future Person / In A Dream / Helix/Spiral / Mellow Yellow Feel / the Rain Song / Crépescule

Nicht mein Fall: the Spell of Vanishing Loveliness

CWTE auf Facebook

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen