Sonntag, 6. August 2017

Zauberei in Stereo

In der ganzen Weile, in der ich dieses Format jetzt schon betreibe, sollte sich herauskristallisiert haben, dass ich nicht der größte Fan von Animal Collective bin. Die letzte LP der Gruppe aus Baltimore vom letzten Jahr fand ich ziemlich mittelmäßig und auch mit ihren modernen Klassikern wie Merriweather Post Pavillion oder Strawberry Jam werde ich seit Jahren nicht so richtig warm. Besser läuft es da schon mit den üppig gestreuten Soloprojekten der Bandmitglieder. Erst 2016 überraschte mich das Debütalbum von Deakin äußerst positiv und auch mit Panda Bear hatte ich meine Momente. Mein persönlicher Favorit dürfte aber in letzter Zeit der Output von Avey Tare sein. Zwar vermisse ich auch von ihm noch immer einen konsistenten, wirklich definierenden Longplayer, doch immerhin fand ich das meiste von ihm bisher überaus spannend und herausfordernd, was ja schonmal ein Anfang ist. Letzter Halt war vor 2014 das Album Enter the Slasher House, das er mit der Backingband the Slasher Flicks veröffentlichte. Die Songs darauf besaßen eine Energie und Zappeligkeit, die mich beim Hören förmlich ansprang und die genau das war, was mir bei so vielen Projekten von Panda Bear und zuletzt auch bei der Hauptband fehlte. Und obgleich die neue Platte Eucalyptus auf den ersten Blick ruhiger gehalten ist, besitzt sie zum Glück genau die gleiche Qualität, nur noch ein bisschen cleverer. Mein musiktheoretisches Wissen reicht nicht aus, um genau zu sagen, was Avey Tare hier macht, aber Tracks wie Ms. Secret oder Jackson 5 wirken nicht selten wie kleine Kinder, die man zum still sitzen aufgefordert hat, die aber trotzdem die ganze Zeit mit den Fingern trommeln und auf dem Stuhl herumrutschen. Nicht wirklich hektisch, aber eben trotzdem ständig in Bewegung. Und das spannende dabei ist, dass Tare die Stücke nicht aus diesem Zustand heraus lässt und man folglich ebenso hibbelig wird, wenn man sich das hier anhört. Es macht einen verrückt. Gleichzeitig ist es aber auch eine Offenbarung. Noch dazu, weil der Künstler hier alle Tricks und Kniffe der Produktionskunst auspackt, um diesen Effekt zu verstärken. Wer abgefahrene Stereo-Surround-Scheiße, Mikrofonierungs-Spielereien und die Power guter Liveaufnahmen erleben will, sollte sich Eucalyptus mit guten Kopfhörern antun. Alle anderen Ausgabegräte sind für diese Platte eigentlich auch Schwachsinn. Womit wir bei einer Sache wären, für die ich die AnCo-Musiker zuletzt tatsächlich sehr schätze: Ihre Kreativität in der Nutzung von Raumklängen. Wer sich ein bisschen mit der Band auskennt, hat vielleicht ihre neue EP Meeting of the Waters gehört, die aus vier Sessions im südamerikanischen Regenwald besteht, inklusive aller Nebengeräusche der dortigen Biosphäre. Ich empfinde diese Platte als ein großartiges Dokument des experimentellen Raumklangs und viel vom Vibe dieser EP kommt auch hier wieder rüber. Am Anfang des Openers Season High hört man sogar nochmal einen kurzen Schnipsel Dschungel-Ambiance. All diese schicken kleinen Zaubertricks sorgen hier dafür, dass man kaum merkt, wie sehr die meisten Songs hier eigentlich nach Schubladen-Material klingen. Rein kompositorisch ist auf Eucalyptus wenig zu holen, viele Stücke beschränken sich auf eine akustische Gitarre, ein wenig Synth-Gefrickel und Tares Gesang. Normalerweise würde das in kurzer Zeit auch ziemlich öde klingen, doch schafft es der Musiker hier eben durch die vielen aufnahmetechnischen Zusatz-Effekte, über die stattliche Länge von 61 Minuten nicht einmal langweilig zu werden. Man merkt es höchstens dadurch, dass es dann eben doch nicht die zwei, drei Hits gibt, die aus unterdrückter Zappeligkeit wirklich enthemmte Euphorie machen. Ein Song wie Floridada vom letzten AnCo-Album oder A Sender von den Slasher Flicks hätte die LP definitiv noch erheblich aufgewertet. Doch auch das, was wir haben, ist schonmal ziemlich solide. Nicht nur ist es meine bisheriges Lieblings-Arbeit von Avey Tare, auch unter den Soloprojekten seiner Bandkollegen muss sich Eucalyptus nicht verstecken. Und das, obwohl der Songwriter hier lediglich halbgare Song-Baustellen raus haut. Das müssen ihm Animal Collective erstmal nachmachen.





Persönliche Highlights: Season High / Melody Unfair / Ms. Secret / Lunch Out of Order Pt. 1 / Jackson 5 / DR aw One for J / PJ / Selection of Place / Boat Race / Coral Lords / When You Left Me

Nicht mein Fall: Roamer / Sports in July

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