Samstag, 22. August 2020

Splitwise

Richard Dawson - Republic of Geordieland

[ minimalistisch | isoliert | experimentell ]

Es ist ein bisschen eine Schande, dass ich letztes Jahr gerade Mal die acht Zeilen in meiner Top 30 hatte, um über meine neu gewonnene Faszination mit dem Künstler Richard Dawson zu schreiben. Doch um ehrlich zu sein weiß ich jetzt, wo ich die Gelegenheit dazu habe, noch immer nicht so richtig, ob ich das gesamte Spektrum dieses Typen überhaupt schon erfasst habe. Hier ist erstmal, was ich weiß: Der Musiker aus Newcastle ist ein begnadeter Gitarrist, Sänger und Maler größtenteils autodidaktischer Prägung, der sich in seiner kleinen DIY-Bubble in Mittelengland mittlerweile vor allem für seine lebhaften Konzerte bekannt geworden ist. Seinen Durchbruch hatte er letztes Jahr mit seiner siebten LP 2020, auf der er zum wiederholten Mal seine außergewöhnliche Herangehensweise an lyrisches Storytelling vorführte. Es ist in vielerlei Hinsicht keine Übertreibung, Dawson als einen der eigenwilligsten Rock-Künstler der letzten 15 Jahre zu bezeichnen und für alle, die gerade Ideen von Folk und Songwriter-Musik gerne etwas subversiert mögen, kann ich seinen jüngeren Output dringend empfehlen. Besonders cool daran fand ich zulezt persönlich, wie konzeptuell er seine Alben anging. So war 2020, inhaltlich vor allem ein Stück über die Schikanen von Kapitalismus, Klimawandel und menschlicher Isolation nicht nur in sich durchdacht, sondern in gewisser Weise auch ein Spiegelbild von dessen Vorgänger Peasant, das auf ähnliche Art eine mittelalterliche Gesellschaft beschrieb. Und obwohl Republic of Geordieland so ein Album ganz explizit nicht ist, funktioniert es als LP der Hintergründe doch mindestens genauso gut. Ähnlich wie viele Vertreter*innen seiner Zunft hatte Richard Dawson 2020 das Problem, das seine Touren ausfielen und er zum Nichtstun verdammt bei sich zu Hause saß. Als Produktiver Künstler machte er aber natürlich aus der Not eine Tugend und zimmerte im Schnellverfahren dieses kleine Pandemie-Album zusammen. Darin zu finden sind einige Stücke, die zuvor schon in Soundtracks vorkamen oder live gespielt wurden sowie eine ganze Reihe an neuem Material. Ein kleines bisschen konzeptuell ist es am Ende trotzdem, da es hier strukturell nur zwei Arten von Stücken gibt: Instrumental oder A Capella. Beides sind keine neuen Ausdrucksformen für Dawson, der ja beides auch für sich sehr virtuos beherrscht und denen er mit dieser Aufmachung die Möglichkeit gibt, mal für sich zu strahlen. Republic of Geordieland hat dabei am ehesten etwas von einer Werkschau, in der gezeigt wird, wie die Einzelteile des dawson'schen Songwritings entstehen. Auf der Instrumentalen Seite beginnt die LP dabei mit Within the City Walls und We Are Black and White (letzteres soll eine antirassistische Fußballhymne für seinen Heimverein Newcastle United sein, aber you tell me), die vor allem technisch überzeugen und fast in Mathrock-Territorium abgleiten. Wirklich beeindruckend wird die Sache aber erst mit dem fünfzehnminütigen Mantra-artigen Jam the Minotaur of Cowhill, das vor allem eine spannende Übung in Repetition ist (und nein, das ist kein Widerspruch!). Die Kerninhalte der Platte kommen trotzdem im wesentlichen dann zum tragen, wenn der Brite singt und textet. Das passiert hier zwar nur auf drei Songs, die verbreiten aber wenigstens genau den ädaquaten Vibe, den ich an einer Dawson-LP so schätze. Anhand der Parameter, die ich feststellen kann spielen sie allesamt wieder in der mittelalterlichen Welt von Peasant und sind daher Folk-Gold im ganz klassischen Sinne, beeindrucken aber auch wieder durch ihre einzigartige inhaltliche Federführung und exzentrische Gesangsperformance. Dass die Elemente Musik und Text hier nie so richtig zusammenfinden wie auf Peasant oder 2020 ist dabei eindeutig ein Nachteil des Albnums, doch wie gesagt nur sehr wenig abträglich, je nachdem wie man es sieht. Für Menschen, die Dawsons Musik zum ersten Mal hören, ist das hier wahrscheinlich eher nicht die beste Empfehlung, zumal auch der Sound eher Proberaumqualität hat und nicht viel nachbearbeitet wurde. Geordieland ist eher eine Platte für Leute wie mich, die diesen Typen sowieso schon super finden und mehr über die Elemente seines Songwritings erfahren wollen. Und in dieser Hinsicht kann das hier ziemlich aufschlussreich sein. Ganz davon abgesehen, dass es eine prima Sammlung von Songs ist.



Hat was von
Arch Garrison
I Will Be A Pilgrim

the Dubliners
the Dubliners

Persönliche Höhepunkte
Within the City Walls | We Are Black and White | Felon | A Very Fine Horse | Heart Beats Slowly | Derwentwater Farewell | the Minotaur of Cowhill | Almsgiver | Beyond the City Walls

Nicht mein Fall
-

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