Dienstag, 11. August 2020

Die armen Kinder

 

Apache 207 - Treppenhaus
[ kommerziell | cloudrappig | cringy ]
 
Als ich diesen ganzen Zirkus hier vor inzwischen acht Jahren irgendwann mal angefangen habe, war ich gerade 16 geworden und gehörte damit noch locker zu jener Altersgruppe von Teenagern, die für das Erschaffen von Trends erfahrungsgemäß verantwortlich ist. Zu dem Schlag von jungen Leuten eben, die einen innovativen popkulturellen Impuls früh erkennt und - was noch viel wichtiger ist - versteht und nachvollzieht. Mit inzwischen Mitte 20 muss ich jedoch leider langsam feststellen, dass das nicht mehr ganz so der Fall ist. 100 Gecs habe ich vor ein paar Wochen zum ersten Mal ernsthaft gehört, Fridl Achten ist mir seit Ewigkeiten zutiefst suspekt, die Hälfte der Featured Artists auf dem neuen Lil Baby-Album sagen mir absolut nichts und gerade von meinem Verhältnis zu Deutschrap will ich eigentlich gar nicht anfangen. Spätestens seit dem großen Durchbruch der Cloudrap-Bubble im Mainstream vor etwa drei Jahren bin ich einer der Leute geworden, die mit ganz großem Misstrauen auf die Entwicklungen in der Szene schauen und unbeflissen darüber schimpfen, dass die ja alle gleich klingen. Für einen Typen, der sich selbst Musiknerd schimpft, ist es objektiv schon ein bisschen nachlässig, von Leuten wie Mero, Dardan oder der KNM Gang nicht einen einzigen Song zu kennen, allerdings hat mir die Berichterstattung über sie meist gereicht, um bei ihrem Material nicht weiter in die Tiefe gehen zu wollen. Zumal die meisten von ihnen sowieso eine Fame-Spanne von drei Wochen haben. Meine wenige Erfahrung lehrt mir aber bisher auch eine weitere Sache: Es gibt immer diesen einen Typen, über den alle reden und der deshalb wirklich wichtig ist. Bei den Amis waren das 21 Savage, Playboi Carti und Lil Uzi Vert, in Deutschland Deckungsgleich Yung Hurn, Mero, Ufo361 und nach neustestem Stand eben Apache207. Wahrscheinlich ist es eigentlich schon wieder jemand neues, aber das ist das, was ich so mitgekriegt habe. Wobei ich dessen Musik bis zu diesem Album auch nur aus den Bluetooth-Boxen der Nachbarskinder kannte. Aber man versucht ja immerhin ein bisschen, an der Jugend dranzubleiben und bisher habe ich das auch alles irgendwie nachvollziehen können, falls nötig auch mit ein bisschen Selbstbetrug. Spätestens hier muss ich jedoch zugeben, dass ich wohl endgültig den Kontakt zur Trendgeneration verloren habe, denn wenn eine Platte wie Treppenhaus das neueste Brett auf den Realschul-Pausenhöfen ist, dann bin ich irgendwie mit meinem Latein am Ende. Und irgendwie auch froh, dass ich das alles nicht mehr cool finden muss. Weil das hier ganz einfach gesagt völlig grottenschlechte Musik ist, egal wie wohlwollend man es hört. Ich bin nun wirklich schon eine Weile mit ziemlich vielen Sachen mitgegangen, die die Szene in den letzten Jahren so erfunden hat. Mit einem Deutschrap, der näher an Schlager ist als an Straßenmusik komme ich inzwischen genauso klar wie mit den selbstzerstörerischen Narrativen über Drogen und Geld. Und wenn die ewige Misogynie nicht wäre, würde ich das vielleicht sogar cool finden. Aber wenigstens ist das in den besten Fällen noch irgendwie subversiv und dekonstruktiv, irgendwie kunstig halt. Jemand wie Apache hingegen kann mir nichts vormachen: Er ist einfach nur ein Stümper. Das Problem ist bei ihm ist ja nicht, dass er wie alle anderen diese melancholischen Beats hat, dazu selbstgefällig rumcroont und eine verrucht-toxische Badboy-Attitüde ausströmt, sondern einfach, wie schwer er sich hier damit tut. Gemessen daran, dass Cloudrap rein Skill-technisch keine besondere Hochbegabung voraussetzt und man für ein halbwegs solides Ergebnis bloß beim Banknachbarn abschreiben müsste, ist es faszinierend, wie grotesk Treppenhaus selbt an dieser niedrigen Hürde scheitert. Abgesehen davon, dass auch Apache innerhalb der Szene künstlerisch keinerlei Alleinstellungsmerkmale aufweist, ist er auch noch deutlich mieser als die meisten anderen in seiner Ausdrucksweise. So gut wie jeder Song hier besteht zu großen Teilen aus den billigsten Haus-Maus-Reimen, die man sich vorstellen kann, und die sind dann teilweise sogar noch geklaut. Noch dazu ist sein Vokabular extrem cringy und einige Andeutungen in Bezug auf seinen Umgang mit Frauen selbst für den Maßstab des deutschsprachigen Cloudrap bedenklich. Trotzdem ist am Ende keiner seiner Tracks wenigstens ironisch feierbar oder komplett überzogen, weil einfach kaum eine gescheite Hook geschrieben wurde und alles irgendwie in einem trancigen Lala-Lele versandet, das aber auch nicht irgendwie wavy oder psychedelisch ist. Es ist einfach schlampig gearbeitet. Die einzigen Momente, in denen Apaches Formel ein kleines bisschen aufgeht, sind die Ballade Boot, die den Sprung zum Schlager wenigstens gleich mit Anlauf macht und Nur noch ein Schluck, in dem der biografische Blickwinkel vieles rettet. Der Rest reicht musikalisch von schnöd auswechselbar zu elementar peinlich. Alles darüber sind Details. Und nein, ich streite mich nicht darüber, ob das jetzt alles vielleicht total kontextabhängig ist oder ihr mir vorwerft, ich würde das einfach nicht verstehen. Denn für mich ist an dieser Stelle einfach kein Kontext oder künstlerischer Perspektivwechsel vorstellbar, der den Umstand ändert, dass das hier grauenvoll gemachte Musik ist. Der Fehler liegt im Handwerk begründet, nicht in der Motivation.Warum gerade dieser Typ also derjenige sein soll, der im Game gerade die Krone aufhat, ist mir völlig schleierhaft, vielleicht ist es aber auch gerade das. Denn wahrscheinlich muss ich mich jetzt langsam damit abfinden, dass ich zu den Leuten gehöre, die die Musik der jungen Leute ganz furchtbar findet. Und die damit zu ärgern ist ja bekanntermaßen der Faktor, der sie am interessantesten macht.


Hat was von
Samra
Jibrail & Iblis

Bausa
Dreifarbenhaus

Persönliche Höhepunkte
Boot | Nur noch ein Schluck

Nicht mein Fall
28 Liter | Sie ruft | Beifahrersitz | Nie verstehen

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