Montag, 7. September 2020

High Energy

  Disclosure - ENERGY

 
[ tanzbar | kollaborativ | catchy ]

Es hat ein bisschen gedauert, bis sich diese Überzeugung so ganz bei mir durchgesetzt hat, aber spätestens mit diesem Album kann man davon ausgehen, dass Disclosure zurück sind. Nicht nur, weil das hier ihr erster richtiger Longplayer seit fünf Jahren ist, auch weil es sich gerade wieder lohnt, über diese beiden Musiker zu reden. Schon im März, als sie mit der EP Ecstasy ihren ersten großen Knall in diesem Jahr hochgehen ließen, war die Annahme eines Comebacks zumindest berechtigt, doch brauchte es noch den Sommer, um diesen Prozess abzuschließen. Vor allem deshalb, weil erst innerhalb dieser letzten Monate die Hits kamen, die das Konzept Disclosure überhaupt wieder so richtig zum Strahlen brachten. Songs wie My High, Birthday oder der Titelsong dieser neuen LP, die nicht zuletzt deshalb irgendwie beruhigend waren, weil sie wieder den Spirit in sich trugen, mit dem das Projekt zu Anfang der letzten Dekade überhaupt erst so beliebt geworden war. Und das nicht von ungefähr: Wenn man sich die neue LP der beiden Briten jetzt anhört, hört man, dass der Ziel dieser Tracks nicht nur der Dancefloor, sondern auch Charts und einschlägige Playlisten sind. Auch mit deutlichem Abstand zu Ecstasy, das in vielen Punkten ja primär ein clubbiges Erlebnis war und nicht so sehr den perfekten dreiminütigen Radiohit fokussierte. Auf Energy hingegen gibt es diesen fast exklusiv, noch dazu in diversen Ausführungen. Er ist mehr oder weniger der einzige Grund, warum diese LP existiert. Und das ist gleichzeitig ihre größte Stärke und größte Schwäche. Vorteilhaft ist es insofern, weil es hier definitiv keinen einzigen wirklich schlechten Song gibt. Vielleicht sind nicht alle elf Stücke hier solche Banger wie auf Ecstasy und mit ein paar Interludes und ruhigen Sachen in der Tracklist geht auch nicht alles so auf die Fresse wie dort, aber alle Stücke auf diesem Album machen vom Prinzip her Spaß. Die Komposition ist ausgefeilt, die Produktion triggert die richtigen Punkte, die expliziten House-Momente machen nach wie vor wahnsinnig Laune und die illustre Gästeliste mit Leuten wie Kelis, Slowthai, Kehlani, Syd und Common ist durchweg kreativ und man hat nie den Eindruck, dass ein Feature hier nur wegen der Kohle dabei ist. Die generelle Arbeitsweise erinnert dabei an vielen Punkten sehr an das Debüt des Projekts, was zumindest keine Kritik sein soll. Wenn man Disclosure kennt, weiß man aber auch, dass sie nicht unbedingt die beste Band für einen guten Albumflow sind. Und auch Energy macht in dieser Hinsicht wenig besser. In den recht losen Rahmen ihrer eigenen Ästhetik bauen Disclosure hier alles von Afrobeat über Funk bis Grime ein, was die ganze Sache natürlich sehr vielschichtig macht. Und die Platte ist nach wie vor nicht sehr gut darin, Übergänge zwischen diesen stilistischen Kluften zu schaffen. Wie schon die beiden Vorgänger der LP funktioniert Energy eher als Sampler von potenziellen Singles, die einfach aneinander gereiht werden, ohne sich aufeinander zu beziehen. Darüber können auch die beiden Interludes nicht hinwegtäuschen, die einfach dazu da sind, noch ein paar Ideen auf die Platte zu bringen, für die sich kein fertiges Songkonzept gefunden hat. Vielen wird diese eher strukturelle Kritik wahrscheinlich egal sein, doch für mich ist sie ein eindeutiges Manko an diesem Album und ein Problem, das Ecstasy beispielsweise nicht so hatte. Meine Hoffnung war deshalb, dass Disclosure es diesmal vielleicht beheben würden, doch es ist immer noch da. Es ändert nichts daran, dass das hier eine Platte mit vielen großartigen Einzeltracks ist, doch für mich ist es eben auch nur das. Und deshalb nicht so gut wie es eventuell sein könnte. Wobei ich schon irgendwie froh bin, dass diese Jungs jetzt wieder da sind. Denn auch das musste ich feststellen: Sie machen nach wie vor tierisch Spaß und gehören gerade im EDM-Mainstream zu den besten aus der letzten Dekade. Und auch dieses Album wird diesem Erbe gerecht.

 
Hat was von
the Chemical Brothers
Lost in the Echoes

Mura Masa
R.Y.C.

Persönliche Höhepunkte
Watch Your Step | Lavender | Hy High | Fractral | Energy | Thinking 'Bout You |

Nicht mein Fall
-

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