Donnerstag, 3. September 2020

Oh du schöne Finsternis

 Atramentus - Stygian

[ monumental | episch | geduldig ]

Ich komme in diesem Format ja leider recht selten dazu, mal in aller Ausführlichkeit über Doom Metal zu schreiben und ich muss zu meinem Unbehagen zugeben, dass besagtes Subgenre des extremen Metal noch immer eines ist, mit dem ich relativ wenige Berührungspunkte habe. Nicht, dass ich micht nicht dafür interessieren würde, nur kreuzen sich dummerweise eher selten meine Wege mit einer Platte, die mich wirklich umhaut. Eine Platte wie beispielsweise dieses Debüt der kanadischen Band Atramentus, die mich ab und zu bereuen lassen, dass ich Doom Metal als Kunstform nicht mehr Platz einräume. Vor allem, weil sie gerade die stilistische Nische des Funeral Doom hier mit einer Kreativität erfüllen, der man auf diese Art und Weise selten begegnet. Für die, die es nicht wissen: Unter dieser Bezeichung tummeln sich seit den Neunzigern jene Geister der Szene, die ihre Musik besonders schwerfällig und monumental mögen. Die innewohnende Langsamkeit des Genres wird hier regelmäßig zu neuen Extremen gepusht, sodass der eigentliche Fokus aller Elemente - nicht selten sogar des Gesangs - dem erzeugen von monolithischen Klangflächen dient, die bisweilen auch orchestral untermalt werden. Und obwohl die klangliche Heimat von Atramentus eher im Death Metal zu finden ist (alle Mitglieder spielten vorher in einschlägigen Szene-Bands), glänzt Stygian nun als prachtvolles Lehrbuchbeispiel für diese andere Art von Sound. Das großartige Artwork von Mariusz Lewandowski (das mich überhaupt erst auf diese LP neugierig gemacht hat) ist dabei schon ein guter Indikator für das auditive Erlebnis: Unheilige Sakralmelodien, die über eisigen Landschaften emporsteigen wie schwarze Wolken in der Gestalt des Leibhaftigen. Für die konzeptuellen Nerds wie mich gibt es dazu tatsächlich auch eine Art SciFi-Storykonzept, das irgendwo zwischen I Am Legend und I Have No Mouth and I Must Scream angesiedelt ist und inhaltlich das fortsetzt, was hier kompositorisch passiert. Das eigentlich tolle und spannende an der LP findet aber nicht dort statt, sondern in ihrer Komposition, mit der Atramentus in vielen Momenten über sich hinaus wachsen. Denn obwohl trostlose Monumentalität die Stimmung ist, die dieses Album dominiert, gehen die Kanadier immer wieder geniale Wege, um diese zu brechen. So dauert es beim ersten Kapitel direkt mal eine gute Minute, bevor man überhaupt eine Gitarre hört, während sich eine bedrohliche Melange aus apokalyptischen Klavierakkorden und dämonischen Schreigesangsflächen erhebt, bei der man zunächst nicht mal sicher ist, ob hier überhaupt ein Mensch singt. Und das ist erst der Anfang: Während der guten Dreiviertelstunde dieses Albums ziehen Atramentus jede Menge wirkungsvolle Register, immer wieder mit den Erwartungen brechen. So gibt es an manchen Stellen aufwändige Choralparts, an anderen fast ambiente Passagen mit Field Recordings, Orgel- und Gitarrensoli, die fast an Pink Floyd erinnern und im dritten Teil sogar prominent platzierte Synth-Flächen, die ein bisschen an das vorletzte Album von Wolves in the Throne Room erinnern. Mitunter erinnert mich das überzogene und spirituell-liturgische an dieser Ästhetik auch an Bands wie Batushka oder Behemoth, die aus ganz anderen Bereichen des Metal kommen. Das ertaunliche dabei ist, dass alle diese Elemente irgendwie Teil der gleichen Stimmung sind und sich innerhalb der Platte überall wiederfinden. Die gute Produktion, für die ich dringend eine Kopfhörer-Empfehlung aussprechen muss, macht die ganze Sache noch besser. Und man hört definitiv, wie sehr es sich gelohnt hat, dass in diese LP ganze sieben Jahre Arbeit geflossen sind. Es ist grandios, ein Album zu hören, das so einen Sound ohne jeden Anflug von Kitsch kulitiviert und trotz einer relativ klassischen Herangehensweise ans Handwerk des Funeral Doom etwas derart orginelles fabriziert. Platten wie diese sind definitiv ein Grund, sich mehr mit der Gemengelage Doom an sich zu beschäftigen, andererseits wird anhand von sowas auch mit Enttäuschungen zu rechnen sein. Denn das als Maßstab zu haben, bedeutet schwer zu bestätigende Erwartungen.



Hat was von
Lycus
Tempest

Bell Witch & Aerial Ruin
Stygian Bough Vol. 1

Persönliche Höhepunkte
Stygian I: From Tumultuous Heavens… (Descended Forth the Ceaseless Darkness) | Stygian II:
In Ageless Slumber (As I Dream in the Doleful Embrace of the Howling Black Winds) | Stygian III:
Perennial Voyage (Across the Perpetual Planes of Crying Frost & Steel-Eroding Blizzards)
 
Nicht mein Fall
-
 

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