Donnerstag, 1. Oktober 2020

Auch fremde Federn können schön sein

 Oh Sees - Protean Threat

[ hibbelig | psychedelisch | schräg ]

Ich glaube es selber gar nicht richtig, wenn ich an dieser Stelle schreibe, dass das kleine musikalische Rebranding, die Oh Sees im wesentlichen mit der Kürzung ihres Bandnamens vornahmen, nun auch schon wieder drei Jahre her ist. Während dieser Zeit ist Protean Threat nun inzwischen ihr vierter Longplayer und aus der fruchtbaren Umbrauchsphase Ende 2017, die zunächst ein sehr kreatives Stil-Amalgam nach sich zog, ist seitdem eine Art neue klangliche Marschrichtung geworden, die sich in Platten wie Smote Reverser und Face Stabber aus dem Chaos absetzte. Am einfachsten ist diese in meinen Augen zu bezeichnen als "was immer King Gizzard gerade so machen" und impliziert natürlich ein klein wenig den Vorwurf, dass Oh Sees in den letzten Jahren an Originalität eingebüßt haben. So leicht ist das ganze am Ende aber irgendwie doch nicht, da diese Band zum einen auch irgendwann mal ein wesentlicher Sound-Pate der verrückten Australier gewesen sein muss, und sie zum anderen eben doch immer Wege findet, ihren eigenen Twist aus dieser besonderen Ästhetik herauszuarbeiten. Vor allem aber sagt diese Zuschreibung nach wie vor nichts über die Qualität der besagten Projekte aus, denn nur weil man sich hier und da ein bisschen...ähem...inspirieren lässt, heißt das ja lange nicht, dass man schlechte Musik macht. Im Gegenteil, auch nach dem stilistischen Wandel der letzten Alben finde ich Oh Sees nach wie vor ungebrochen solide. Protean Threat ist da trotz seiner insgesamten Ahnbarkeit keine Ausnahme und baut ästhetisch immens auf den Parametern auf, die die letzten beiden Platten etabliert haben. Noch immer gefallen sich die Kalifornier in einem sehr hibbeligen Variante von psychedelischem Garagenrock, die auch ruhig mal etwas albern und nerdig sein kann. Gerade in Songs wie Scramble Suit II oder Dreary Nonsense gesellen sich dabei mitunter ein paar Mathrock-Einflüsse hinzu, die mich ein wenig an Deerhoof erinnern, wieder andere wie Terminal Jape haben auch einen grantig-kaputten Ty Segall-Vibe an sich. Gemeinsam haben mehr oder weniger alle Songs, dass sie einen unfassbar starken Groove im Kern stecken haben, der dann definitiv ein Ergebnis der Gizzard-Schule ist. Vor allem Struktur und Produktion der Schlagzeuge (Ja, es sind tatsächlich schon zwei) ist dafür verantwortlich. Und sicher kann man hier als kritischen Punkt äußern, dass es das alles irgendwie schon mal gibt. Versucht man dem ganzen aber auch etwas positives abzugewinnen (und darin sehe ich hier meine Hauptaufgabe), kriegen Oh Sees hier etwas hin, das den echten King Gizzard leider immer ein bisschen abgeht, und zwar sich auch mal etwas länger auf einen Sound zu konzentrieren. Wer sich also immer gefragt hat, was gewesen wäre, wenn es nach Quarters noch drei relativ identische Alben gegeben hätte, der dürfte hier zumindest eine Art Annäherung daran finden. Und enttäuscht darf ich als Fan von Gizzard davon erst recht nicht sein, denn wenigstens klauen die Oh Sees von einer der besten Rockbands, die es gerade gibt, womit sie definitiv meinen musikalischen Nerv treffen. Also bliebt es für mich auch hier dabei: Theoretisch finde ich diesen ästhetischen Move der Kalifornier ein bisschen bedenklich, praktisch sorgt es seit ein paar Jahren dafür, dass diese Band weiterhin richtig gut ist. Wobei ich auch nach wie vor sagen muss, dass sie das auch drauf hätten, wenn sie sich nicht an den Ideen anderer bedienen würden. Haben sie vorher ja auch irgendwie hingekriegt.


Hat was von
King Gizzard & the Lizard Wizard
Quarters

Deerhoof
La Isla Bonita

Persönliche Höhepunkte
Scramble Suit II | Upbeat Ritual | Terminal Jape | If I Had My Way | Gong of Cathastrophe |

Nicht mein Fall
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