Montag, 14. Februar 2022

Offene Ehe zu viert

Animal Collective - Time Skiffs
ANIMAL COLLECTIVE
Time Skiffs
Domino
2022
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ soft | psychedelisch | farbenfroh ]
 
Es ist an dieser Stelle vielleicht eher eine triviale Info, die als solche sicherlich auch nur für diejenigen Leute interessant ist, die sich sowieso schon mit der stetig komplizierter werdenden Diskografie-Lore von Animal Collective auseinandersetzen, aber nimmt man es ganz genau, ist diese Platte hier das erste richtige Album der Band seit mittlerweile zehn Jahren. Das fühlt sich auf den ersten Blick erstmal komisch an, weil ebendiese Band zuletzt eigentlich wieder sehr fleißig war und spätestens seit 2016 technisch gesehen jede Saison mindestens einen Longplayer veröffentlichte, tatsächlich heißt das ganze aber nur, dass Time Skiffs ihr erstes Projekt ist, das auch tatsächlich die ganze Band beinhaltet und nicht nur ein Konglomerat verschiedener Mitglieder ist, die zwischendruch mal unter diesem Namen aktiv sind. Animal Collective sind innerhalb der letzten Dekade immer mehr zu einer Art Drehtür-Formation geworden, die als Marke zwischenzeitlich auch viele Exkurse hostete, die in Wirklichkeit nur einen Teil des eigentlichen Teams beinhalteten und die auch eher die Art experimentelle Live-Collagen oder Filmsoundtracks waren, die man nur zum Teil ihrem offiziellen Kanon zuordnen konnte. Und wo viele Fans von früher dieses Kreativmodell lange eher doof fanden, da es klanglich in sehr viele wüste Richtungen ging und deutlich Abstand von ihrem angesagten Zwotausender-Psychpop nahm, fand ich die meisten dieser Projekte eigentlich ziemlich cool und freute mich darüber, wie herrlich experimentell die Gruppe in dieser Zeit oft unterwegs war. Zumal ihre letzten 'richtigen' Alben, Centipede Hz von 2012 und Painting With von 2016, für mich auch eher zu den schwächeren Momenten in ihrer Diskografie gehörten. Weshalb ich auf ein Album wie dieses hier, das strukturell und auch musikalisch zu ihrem klassischen Sound zurückkehrt und eher nostalgisch motiviert scheint, eigentlich nicht unbedingt Bock hatte. Zwar verstand ich absolut jeden Fan der Band, der sich hier endlich mal wieder über ein paar fetzige Psychpop-Gassenhauer freuen konnte und auch die vier Musiker selbst, die sich hier richtig austoben könnten, für mich war das hier aber nicht die Art von Comeback, auf die ich wirklich viel gab. Zumindest im Vorfeld. Denn obwohl ich auch nach wie vor nicht denke, dass Time Skiffs musikalisch an ein Crestone oder ein Meeting of the Waters herankommt, sehe ich es letztlich doch als eine Platte, die sehr gut ihren Job macht und dabei auch effektiv zu alter Stärke zurückfindet. Auch habe in den letzten Jahren meine Liebe für viele frühere Projekte der Band wie Strawberry Jam oder Feels entdeckt (ganz zu schweigen von der ersten Kollaboration von Avey Tare und Panda Bear von 2000, die mich erst so richtig auf den Geschmack gebracht hat) und nach einigen eher schwachen Sachen aus den Zwotausendzehnern nimmt Time Skiffs auf erfolgreiche Weise wieder Bezug auf diesen Abschnitt der Bandgeschichte. In vielen Punkten sind Animal Collective dabei zwar deutlich weniger zappelig als damals und lediglich in We Go Back spielt die Band nochmal ihre klassischen Vokalüberlangerungs-Hooks aus, im großen und ganzen profitiert Time Skiffs aber eher von dieser chilligen neuen Haltung, als dass sie ihr schaden würde. An nicht wenigen Stellen kommt dadurch nämlich erstmals jene tief empfundene Verehrung für das Songwriting eines Brian Wilson zum Vorschein, durch die Songs wie Dragon Slayer oder Cherokee sich anfühlen wie hippieske Beach Boys-Fieberträume und mir in Royal & Desire das Gefühl geben, dass Robin Pecknold hier Teile der Gesangsparts übernommen hat. Wobei diese innere Ruhe tatsächlich eine Sache zu sein scheint, die Animal Collective erst durch einige der eher ambienten und zurückhaltenden Projekte in den letzten Jahren wirklich gelernt haben und die sich hier unglaublich auszahlt. Weshalb Time Skiffs so gesehen auch wieder ein Album ist, das ohne diese jüngste Phase nicht ansatzweise so gut geworden wäre und ein bisschen auch das beste aus beiden Welten ist. Letztendlich habe ich deshalb vor allem das Gefühl, dass die Band hier Spaß daran hatte, mal wieder auf einem Haufen die gleiche Art Songs zu schreiben wie früher und damit auch noch mal einen Ankerpunkt in ihrer Diskografie zu setzen, bei dem sie wieder als vollständige Formation auftreten. Und dass sie das hier machen, zeigt mir eigentlich nur einmal mehr, wie gut ihr aktuelles Modell funktioniert. Es schafft diese Zusammenkunftsmomente in größeren Abständen, wo diese auch künstlerisch Sinn machen und lässt dazwischen viel Raum für den ganzen experimentellen Kram, der ja meistens auch richtig gut ist. Ein bisschen wie eine offene Ehe für Leute, die außerhalb des heiligen Bundes auch mal ein bisschen frische Luft schnuppern wollen. Und dass Animal Collective schon ein bisschen so drauf sind, sollte ja mittlerweile keine Überraschung mehr sein.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11

Persönliche Höhepunkte
Dragon Slayer | Strung With Everything | Walker | Cherokee | Royal & Desire

Nicht mein Fall
-


Hat was von
King Gizzard & the Lizard Wizard
Butterfly 3000

Fleet Foxes
Shore


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