Dienstag, 1. Februar 2022

Die Wüste lebt

Imarhan - Aboogi
IMARHAN
Aboogi
City Slang
2022
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ meditativ | gemütlich | traditionell ]
 
Als ich im Febraur 2018 auf diesem Format das erste Mal über eine Platte von Imarhan schrieb, hatte ich in vielerlei Hinsicht eigentlich noch gar keine richtige Ahnung, was ich da überhuapt vor mir hatte und sah die Gruppe aus Tamanghasset in Algerien erstmal vor allem als eine exotische Rockband, die eine Art von Musik spielte, die ich irgendwie neu und spannend fand. Dass hinter diesem Sound jedoch gleich eine ganze Szene stand und das Phänomen, das ich bald darauf unter seinem richtigen Namen Tishoumaren besser kennenlernte, mehr oder weniger die Gegenwart und Zukunft nordafrikanischer Popmusik war, war mir an diesem Punkt allerdings noch gänzlich unbekannt. Circa vier Jahre und ein Album der gleichen Band später ist diese Art von Musik für mich jedoch zu einem echten Fokuspunkt dieses Formats geworden, das ich in in der Zeit seitdem immer wieder zu behandeln und zu verfolgen versuche, so gut es mir eben möglich ist. Und obwohl die meisten Künstler*innen dieser Sparte am Ende des Tages trotzdem irgendwie in meiner Senf-Rubrik auf Rateyourmusic landen, wo ich in Kurzform Releases kommentiere, zu denen ich nicht so viel zu sagen habe, hat sich mein Bild der Szene inzwischen um ein vielfaches erweitert. Wobei eine Sache sich dabei allerdings seit 2018 nicht verändert hat: Imarhan spielen in meinen Augen immer noch die beste und stilsicherste Variante dieses Sounds, die sie inzwischen auch mit diesem dritten grundsoliden Longplayer unter Beweis stellen. Wobei die Rezeptur der Gruppe nach wie vor ebenso stabil wie bewährt sein düfte: Quirlige Folk-Gitarrenlines zwischen akustischer Rustikalität und softem Psychrock-Touch treffen auf filigrane Percussion ohne klassischen Backbeat sowie die Art von eingängigen Gesangslinien, die auch trotz unüberwindbarer Sprachbarriere zu massiven Ohrwürmern werden können. Das Paradestück von Aboogi ist dabei definitiv der Opener Achinkad, in dem Imarhan vor allem instrumental tief in die Trickkiste greifen und ihren sonst eher spärlichen Sound mit Flöten und peppigen Backing Vocals auskleiden. Es ist der bisher vielleicht bunteste Song der Algerier und damit ein starker ästhetischer Konter zum eher meditativen und zurückgezogenen Rest des Albums, der deshalb aber nicht weniger eindrücklich ist. Vor allem in Balladen wie Taghadart und Asof entwickeln Imarhan hier eine bisher selten gehörte Finesse, die unter anderem auch dadurch bestärkt wird, dass in manchen Tracks erstmals Sängerinnen zu hören sind und auch das seichte Mixing diesmal wirklich stimmt. Letzteres könnte dabei auch daran liegen, dass Aboogi vom Songwriting her nicht mehr ganz so rockig ist wie seine Vorgänger und deshalb auch klanglich eine softere Mische besser verträgt, insgesamt finde ich es hier aber auch auf angenehme Weise filigraner umgesetzt und detailreicher konzipiert. Einzig gewöhnungsbedürftiger Moment der LP ist für mich deshalb auch der Closer Adar Newlan mit einem Feature von Gruff Rhys, der die Platte hier zu Ende nochmal etwas unnötig in eine generische Indiefolk-Richtung zu ziehen versucht. Der Song selbst ist dabei noch nicht mal unbedingt eine Katastrophe, ich mag ihn sogar ganz gerne, nur passt er stilistisch einfach so gar nicht auf dieses sonst so konsistente und einlullende Album und bricht ein Stückweit mit dessen großartiger Mystik. Und die ist für mich bei allen kleinen Neuerungen und Feinschliffen immer noch der stärkste Selling Point dieser Band, der hier mittlerweile zum dritten Mal für ein Gesamtergebnis sorgt, das mich nicht nur abholt, sondern begeistert. Dass diesmal kein so fetter Ohrwurm wie zuletzt Azzaman oder das namensgebende Imarhan dabei ist, ist zwar ein bisschen schade, dafür hat mich aber die Platte als gesamtes nochmal ein bisschen mehr abgeholt. Und unterm Strich steht ja vor allem, dass diese Jungs bei mir auch nach diesem Album weiterhin die erste Band sein werden, die ich als Einstieg in die Welt des Tishoumaren empfehlen würde. Ob nun mit dieser LP hier oder mit jeder anderen.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11

Persönliche Höhepunkte
Achinkad | Derhan | Tindjatan | Asof | Assossam | Taghadart | Laouni | Imaslan N'Assouf

Nicht mein Fall
-


Hat was von
Tinariwen
Amadjar

Kel Assouf
Black Tenere


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