Donnerstag, 10. Februar 2022

Daumen hoch

faust - ''Daumenbruch,,
FAUST
"Daumenbruch,,
Erotoxox Decodings
2022
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ experimentell | klangkunstig | instrumental | improvisatorisch ]
 
Es ist keineswegs ein großes Comeback oder eine total unerwartete Wendung ihrer Karriere, dass Faust 2022 dieses Album gemacht haben, selbst wenn es vor zwei Wochen ohne große PR-Trara das Licht der Welt erblickte. Denn obwohl die Berliner Krautrock-Pioniere inzwischen definitiv nicht mehr die künstlerische Anziehungskraft haben, die sie in den frühen Siebzigern so besonders machte, sind sie an und für sich weiterhin eine verhältnismäßig aktive Band, die in den letzten zwölf Jahren immerhin vier neue Longplayer plus einiger EPs und Liveplatten rausbrachte. Dass Daumenbruch (ich spare mir an dieser Stelle mal die blöden Anführungszeichen) sich dieser Tage aber trotzdem anfühlt wie ein besonderes Release, liegt in meinen Augen vor allem an seiner Aufmachung und der Tatsache, wie sehr sein Artwork dem des selbstbetitelten Faust-Debüts von 1971 ähnelt, weshalb die Symbolik einer solchen Geste ohne Frage zu Spekulationen einlädt: Soll das hier ein Schwanengesang der Gruppe sein oder vielleicht ein gedanklicher Nachfolger zu dem uralten Klassiker? Faust selbst bleiben uns die Antwort schuldig und haben sich selbst wahrscheinlich gar nicht so viel dabei gedacht. Und viel interessanter ist ja auch eh die künstlerische Entstehungsgeschichte des Albums und was hier letztendlich daraus geworden ist. Wobei hier das spannendste ist, dass man auf eine gewisse Weise sagen kann, dass die Berliner hier ihre Version einer Pandemieplatte gemacht haben. Auch wenn das nicht der offizielle Tenor ist, sondern sich von Seiten der KünstlerInnen her viel mehr auf das Wesen des Experiments konzentriert wird, das diesen Songs zugrunde liegt und wie folgt funktionierte: Der Rohmix von Daumenbruch wurde zunächst von Zappi Diermaier, Dirk Dresselhaus and Elke Drapatz (die meiner Information zufolge nicht mal alle offizielle Faust-Mitglieder sind) gemeinsam im Studio aufgenommen, danach aber als Datei zur Bearbeitung an weitere Bandmitglieder und externe Künstler*innen weitergeschickt, die unabhängig voneinander verschiedene Overdubs beisteuerten. Mit dabei waren in dieser zweiten Phase unter anderem Jochen Arbeit und Andrew Unruh von den Einstürzenden Neubauten sowie Uwe Bastiansen und Sonja Kosche, die ich zuvor nie gehört hatte. Herausgekommen sind hier am Ende drei Tracks zwischen 15 und 23 Minuten, die diese verschiedenen, unabhängigen Overdubs im Mixing wieder vereinen und daraus eine Art groovende Kakophonie der Möglichkeiten machen. Klanglich ist das ganze mehr oder weniger Faust by the numbers und auch nicht bemerkenswerter als der Großteil ihres alten Outputs, unangenehm oder langweilig ist es dabei aber auf keinen Fall. Gerade improvisatorisch-experimentelle Projekte wie dieses tanzen ja mitunter ein bisschen auf dem Grat zwischen genialem Meisterwerk und unnötigem Blödsinn und obwohl Daumenbruch letztendlich keins von beidem ist, landet es für mich doch sehr eindeutig im positiven Bereich. Und klar muss man dabei auch ein bisschen Liebe für solche musikalischen Entwürfe mitbringen und sollte nicht verstört sein, wenn in den Credits hier Instrumente wie Ventilatoren, Spieluhren und Bohrmaschinen auftauchen. Aber wenn man damit ein Problem hat, dürfte Faust auch generell nicht die Band sein, zu der man sich hingezogen fühlt. Und nach über fünfzig Jahren Karriere ist das dann auch definitiv keine Neuigkeit mehr.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11

Persönliche Höhepunkte
Weisse Schokolade | Default Mood | Border River

Nicht mein Fall
-


Hat was von
Trialogos
Stroh zu Gold

Can
Monster Movie


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