Mittwoch, 29. April 2015

Single-Review: New Noise (feat. Geschichtstunde)

REFUSED
Elektra
Epitaph
2015















Um sich mit Refused im Jahr 2015 auseinanderzusetzen, muss man leider Gottes erstmal die 17 Jahre Revue passieren lassen, die zwischen the Shape of Punk to Come und Elektra passiert sind, muss also quasi beim Urschleim anfangen. Nachdem die Schweden 1998 mit besagter letzter Platte den Hardcore für immer verändert hatten, wurde ihnen schnell der Hype zu groß und die Trennung war eine Sache von Tagen. Vom einem Moment auf den anderen waren Refused aus der Musikwelt radiert und die Wahrscheinlichkeit einer Wiederkehr war verschwendend gering. Sänger und Chefdenker Dennis Lyxzén fand mit Invasionen und the (International) Noise Conspiracy schnell neue Beschäftigungen, die reichlich wenig mit Hardcore zu tun hatten und über lange Strecken auch eher Enttäuschungen waren. Vierzehn lange Jahre gingen so ins Land und nur die wenigsten trauerten noch Refused nach. Inzwischen hatten sich auch At the Drive-In, die zweite große Hardcore-Kraft der frühen Noughties, aufgelöst, und ihre Nachfolge-Projekte Sparta und the Mars Volta sollten ebenfalls bald Geschichte sein. Das war im Januar 2012, als plötzlich ein Raunen durch die Alternative-Welt ging. Fast zeitgleich kündigten nämlich sowohl At the Drive-In als auch Refused eine Reunion an, inklusive großer Konzerttermine vor Massenpublikum und der vagen Chance auf neues Material. Der Effekt war verheerend. Damit hatte nun wirklich keiner gerechnet. Viele Fans badeten in seliger Nostalgie. Nur diejenigen, die das Glück gehabt hatten, die Schweden vor ihrer Trennung mal live erlebt zu haben, waren skeptisch. Dass die Tour unter größtenteils finanziellen Gesichtspunkten stattfand, war ein offenes Geheimnis und Lyxzén und Co. wirkten vor fünfzigtausend Leuten bei Rock am Ring doch irgendwie fehl am Platz. Man war fast froh, als noch im Herbst des gleichen Jahres der erneute Split der Band angekündigt wurde. Refused waren wieder mal fucking dead. So zumindest die offizielle Verlautbarung, denn hinter den Kulissen war man durchaus noch aktiv. In sozialen Netzwerken postete teilweise Lyxzén selbst Neuigkeiten und die Promo-Abteilung brachte ein neues T-Shirt auf den Markt. Es war ein bisschen, als würde ein Geist durch die Ruinen dieser Band spuken. So oder so ähnlich verlief die ganze Sache dann bis vor einigen Monaten, als ohne jegliche Vorwarung plötzlich haufenweise Tourdaten auftauchten und die Band sich wieder zu Wort meldete. Offiziell gab es keine Reunion und die Vermutung, hier an einen Fake geraten zu sein, waren durchaus berechtigt. Man munkelte, aber keine wollte die Bombe platzen lassen. Am Ende taten es Refused selber, als sie vor ein paar Tagen das unmögliche verkündeten: Ein neues Album. Noch in diesem Sommer. Die erste Single packten sie dann auch gleich noch obendrauf. Womit wir bei Elektra, ihrem ersten neuen Song in 17 Jahren, wären.
Ich sagte zu vorderst, man müsse die Vergangenheit der Band kennen, um diesen Track zu verstehen. Damit meine ich. dass man hier auf keinen Fall die nahtlose Fortsetzung von the Shape of Punk to Come erwarten kann. Refused sind keine Untergrund-Band mehr, ihr Publikum hat sich seit 1998 ungefähr verzehnfacht und die Erwartungen sind groß. Ferner hat jedes Mitglied individuell auch Erfahrungen außerhalb des Hardcore-Kontextes gemacht, wodurch auch ganz neue Einflüsse in den Sound der neuen Platte einfließen. Nun sind vier Minuten Material keine sichere Bank, um den Klang des ganzen Albums voraus zu sagen, doch die Herangehensweise ist ziemlich logisch. Das Intro des Tracks wirkt überraschend Sludge-inspiriert, wobei man auch hier schon David Sandströms Trademark-Rides hört, die einem ein sehr heimeliges Gefühl vermitteln. Auch das starke Riffing im Anschluss ist absoluter Fan-Service, wobei man darauf dann schon gar nicht mehr achtet, weil man sich nur eines fragt: Wo bleibt der Gesang? Wo bleibt Dennis? Dennis lässt sich eine ganze Minute Zeit um in den Song einzusteigen und lässt den Hörer bis dahin auf Kohlen sitzen. Ein Trick, den er schon auf früheren Platten gerne anwendete, allerdings mit einem großen Unterschied. Als Lyxzén vor 17 Jahren das Schweigen von New Noise mit den legendären Worten "get ice cream" (trololol) brach, musste man diesem Typen einfach zuhören. Die Spannung, die seine Stimme aufbaute, nahm unsere blanken Nerven in die Hände und schleuderte sie umher. Der Dennis, der auf Elektra zu singen anfängt, hat nicht im Ansatz so viel Grip. Um ganz ehrlich zu sein, ist der Gesang eigentlich der größte Makel an diesem Song. Nicht nur ist er klanglich ziemlich bieder, auch in Sachen Message waren Refused schon mal besser. Zwar entbehrt es sich nicht einem gewissen Witz, nach fast 20 Jahren Pause die Worte "nothing has changed" zum Leitsatz des Tracks zu machen, doch textlich gesehen ist Elektra ein eher schwacher Song. Über die tollen Gitarrensoli und den fetten Sound freue ich mich da schon eher. Im großen und ganzen kann man das, was die Schweden hier anbieten, durchaus als solide bezeichnen. Es bietet einen Einblick, der mich auf die LP neugierig macht und kann sich nach so langer Zeit echt sehen lassen. Refused are fucking alive.

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