Freitag, 17. April 2015

Eigentlich

VIERKANTTRETLAGER
Krieg & Krieg
Buback
2015















Als ich Anfang 2013 in Retrospektive über Die Natur greift an, das Debüt von Vierkanttretlager schrieb, war ich nicht verlegen, die Husumer Band mit Tocotronic zu vergleichen. Ich fand das zu dieser Zeit sehr berechtigt, da auf ihrer Platte gediegener Deutschrock sehr schön mit Indie-Poesie vereint wurde. Ich kann noch immer meine Empfehlungen dafür aussprechen. Aber natürlich kommen einem bei so einer gewagten These irgendwann gewisse Zweifel auf, ob man sich da nicht ein bisschen weit aus dem Fenster gelehnt hat. Ganz besonders, wenn man den Titeltrack ihres neuen Albums Krieg & Krieg hört und sich fragt, ob man damals nicht lieber "die neuen Toten Hosen" hätte schreiben sollen. Ja genau, so schlimm ist es um Vierkanttretlager im Jahr 2015 bestellt. Zumindest auf den ersten Blick. Der besagte Song, der auch der Opener des zweiten Longplayers ist, schockt einen als Fürsprecher dieser Band schon immens. Das danach folgende Lass uns den Verstand verlieren ist nicht viel besser. Was haben wir denn falsch gemacht, um so einen tollen Newcomer an den Stadion-Rock zu verlieren? Und ist es etwa schon zu spät, die Jungs zurückzuholen? Die Antwort auf die letzte Frage ist zum Glück ein eindeutiges Nein. Krieg & Krieg (das Album) ist kein Totalschaden, hat sich nur am Anfang etwas vergriffen. Man kann darüber debattieren, ob die zwei ersten Tracks wirklich nur Ausrutscher sind. Doch angesichts des tollen Rests der Platte kann man davon ausgehen. Sobald mit Blumenkränze & Applaus der dritte Song beginnt, wird man mit jeder Minute hier optimistischer. Von denen gibt es zwar nur 32, doch die 25 davon, die nicht die ersten beiden Songs sind, finde ich ohne Ausnahme fantastisch. Da gibt es das rauhbeinigen Trennungs-Stück Kaktusblüte, das verkrachte Wer tot ist oder die akustisch gehaltene Abschluss-Ballade Schweigen. Max Leßmanns kratzbürstige Texte stehen dabei nicht selten im Kontrast mit der sehr ambitionierten Melodieführung, die hier noch besser geworden ist als auf Die Natur greift an. Und auch wenn Vierkanttretlager dadurch um einiges zahmer klingen als dort, kann man ihnen das niemals ankreiden. Das alles wäre total wunderbar, wenn es nicht nur achtzig Prozent des Albums wären, die so wunderbar funktionieren. Das besagte erste fünftel der Platte ist für mich ein grober Makel, wegen dem ich Krieg & Krieg auch einen Punkt abziehe, den ich gerne gegeben hätte. Denn die Husumer haben hier ja gezeigt, dass sie es besser können und dass sie eben doch eher Tocotronic als die Hosen sind. Nur hier eben nicht konsequent genug. Schade drum. Aber das kann ja später noch was werden.
8/11

Beste Songs: Blumenkränze & Applaus / Kaktusblüte / Schweigen

Nicht mein Fall: Krieg & Krieg / Lass uns den Verstand verlieren

Weiterlesen:
Review zu Die Natur greift an (Vierkanttretlager):
zum Review

Review zu Ich glaube dir gar nichts und irgendwie doch alles (Clickclickdecker):
zum Review

CWTE auf Facebook

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen