Sonntag, 12. April 2015

Wieder auf Acid?

JOHN FRUSCIANTE
Trickfinger
Acid Test
2015















Man sollte sich als Musikfreund immer freuen, wenn Künstler es schaffen, dich zu überraschen. Besonders, wenn man schon meint, diese Künstler gut zu kennen und denkt, ihnen als Hörer einen Schritt voraus zu sein. Nur um just in jenem Moment eine völlig veränderte Version derselben Person vor die Füße geknallt zu bekommen. Wenn man dann als alteingesessener Kenner immer noch ins Staunen kommt, hat man es mit einem Künstler zu tun, der sich tatsächlich Gedanken macht. John Frusciante macht sich schon seit langem viele Gedanken über seine Musik. Schon seit seinen ersten Soloplatten kann man bei ihm den Drang beobachten, sich an Erwartungen und Einschränkungen vorbeimogeln zu wollen, nur um weiterhin kreativ zu bleiben. Oft genug sind diese Versuche mächtig schief gegangen, gerade seine Veröffentlichungen der letzten Jahre machten ein bisschen den Eindruck, dass hier ein verlorener Weirdo am Werk sei, der mit seinem eigenen Schaffen in Konflikt steht. Die beiden Alben PBX Funicular Intaglio Zone und Enclosure waren künstlerische Flops, ein Großteil der Stimmen ist sich darin einig. Außerdem war da noch diese katastrophale Supergroup, die Frusciante mit Omar Rodriguez-Lopez vor ein paar Jahren gründete, was viele Leute nun endgültig zu der Meinung brachte, dass bei ihm nicht mehr viel zu holen war. So weit so schlecht. Mit der Ankündigung eines neuen Albums im Februar platzte dann jedoch das große Knallbonbon: Trickfinger, so der Titel des selbigen. sollte ein Acid House-Projekt werden. Heureka!? Dass die Mischung aus Frusciante und Neunziger-Elektro mich als Idee interessierte, will ich nicht leugnen. Nur war ich ob der letzten Veröffentlichungen des Künstlers natürlich nicht wirklich optimistisch, was so ein erneuter waghalsiger Stilbruch mit sich bringen würde. Eine Offenbarung war ebenso möglich wie ein absoluter Horror-Trip. Jetzt, wo das Ergebnis da ist, wird wieder mal klar, dass ich zu starken Dramatisierungen neige. Trickfinger ist ein durch und durch annehmbares Album. Mehr nicht. Es zeigt seinen Interpreten vielleicht nicht als den nächsten Aphex Twin, ist aber auch wesentlich besser als alles, was dieser in den letzten fünf Jahren gemacht hat. Und hier liegt für mich der Hauptreiz an dieser Platte: Ein (ehemaliger) Rockmusiker, der in der Vergangenheit noch dazu überall für seinen frevelhaften Umgang mit Synthesizern gerügt wurde, hat tatsächlich ein passables Acid-House-Album aufgenommen. Für mich Grund genug, das ganze hier als Erfolg zu verzeichnen. Auch wenn immer noch nicht ganz klar ist, was ihm das nun eigentlich bringt. Kommerzielle Gesichtspunkte kann man auf jeden Fall schon mal ausschließen. Aber immerhin hat sich Frusciante hiermit für mich als glaubhafter Künstler saniert, und das ist mir mehr als Recht. Denn dass er ein großer Musiker ist, daran habe ich nie ernsthafte Zweifel gehabt.
7/11

Beste Songs: Before Above / 100 MC 4

Nicht mein Fall: 4:30

Weiterlesen:
Review zu Enclosure (John Frusciante):
zum Review

Review zu Syro (Aphex Twin):
zum Review

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