Dienstag, 7. April 2015

Retro-Review: Ihr nehmt doch alle Drogen

THE BEATLES
Rubber Soul
Parlophone
1965















Dass es ein Review der Beatles in die Endauswahl meiner Umfrage schaffen würde, war nur logisch. Es sind schließlich die Beatles, von denen wir hier reden. Und noch dazu eines ihrer wichtigsten Alben, wenn man einen Großteil der Musikhistoriker fragt. Allerdings ist das im heutigen Zeitkontext nicht ganz leicht zu verstehen. Der Hörer im Jahr 2015 wird nicht viel vom revolutionären Charakter dieser Platte hören, da er einfach zu viel weiß. Zum Beispiel, dass es zwei Jahre später eine LP namens Sgt. Peppers Lonely Hearts Club Band geben würde, die heute fast offiziell als größtes Gesamtwerk der Pop-Geschichte gilt. Oder dass George Harrison die Sitar nach ihrem ersten Einsatz hier jahrelang nicht mehr aus der Hand legen würde. Um die Sprengkraft von Rubber Soul zu verstehen, muss man sich tatsächlich 50 Jahre zurückversetzen und das Phänomen Beatles aus der damaligen Sicht betrachten. Die vier Briten hatten damals gerade Help! veröffentlicht: Eine solide Platte, die in der Tradition der damaligen Fab Four stand: Das Album als Compilation erfolgreicher Singles plus einiger Coverversionen und Füllmaterial. Abgerundet wurde das ganze durch eine exorbitant große Tour und den zweiten Film der Band. Eigentlich alles wie immer. Doch nur nach außen hin ist dieser Longplayer wie die anderen. Denn für einige Passagen in aufwendigeren Songs arbeitete die Stammformation mit Gastmusikern zusammen. Eine Kombination, die so erfolgreich war, dass die Akteure weiterhin so arbeiten wollten und auch zusätzliches Instrumentarium einbinden wollten. Besonders Gitarrist Harrison war fasziniert von den exotischen Klängen einiger indischer Gäste, die in den Aufnahmepausen eine Sitar spielten. Hinzu kam, dass die einzelnen Individuen im Bandgefüge Beatles immer mehr verschiedene Stile hörten. Paul McCartney nennt in diesem Zusammenhang ganz explizit den Namen Bob Dylan, Harrison verweist auf Ravi Shankar. Als sich die Band an die Sessions für Rubber Soul setzt, merkt sie schnell, dass diesmal etwas anders wird. Die komplette Denkart des Begriffs "Musikalbum" soll neu interpretiert werden: Kein Füllmaterial mehr, nur Originale, tiefer greifende Lyrics und wesentlich kreativere Ansätze. Die genannten Einflüsse hört man den einzelnen Songs dabei sehr deutlich an. In Norwegian Wood hört man zum ersten Mal in der Beatles-Diskografie eine (noch ziemlich dilettantische) Sitar, Streicher und Piano halten an mehreren Stellen Einzug in die Platte und John Lennon mimt einen quakenden Dylan. Als Hörer von heute muss man mit der Lupe suchen, um den "Album-Sound" und die psychedelische Wirkung von Rubber Soul auszumachen, doch 1965 war die LP ein Skandal. Die für damalige Verhältnisse wüste Musik und das verschwurbelte Artwork regten böse Zungen zu Spekultionen an, dass die Beatles zu kompletten Drogenopfern abgestiegen wären, die ihre Platten im Vollrausch einspielten. Rückblickend war das zwar nicht komplett falsch, jedoch auch absolut übertrieben. Dieser Longplayer war nicht mehr als der Schubs, den die Band brauchte, um kurze Zeit später Meilensteine wie Revolver oder Sgt. Pepper zu produzieren. Und ganz nebenbei finde ich, dass Rubber Soul auch für sich eines der Highlights in der Fab Four-Diskografie geblieben ist. Die Dichte an wirklich guten Tracks ist auf wenigen ihrer Platten so groß. Am Ende haben wir es hier mit einem der besten Übergangsphasen der Rockgeschichte zu tun. Warum auch nicht, wir reden hier schließlich von den Beatles.

Beste Songs: Norwegian Wood / Michelle / Girl / If I Needed Someone

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