Sonntag, 14. Februar 2021

Zu cool für dich

Arlo Parks - Collapsed in Sunbeams ARLO PARKS
Collapsed in Sunbeams
Transgressive
2021
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ smooth | charismatisch | organisch | soulig ]

Es ist gerade in den letzten paar Jahren immer wieder erstaunlich anzusehen, was für großartige Musik teilweise von Leuten kommt, die für sowas eigentlich noch viel zu jung sind. Einige der coolsten Künstler*innen, die ich in diesem Format besprochen habe, sind irgendwann um die Jahrtausendwende herum geboren und damit die erste Generation von jungen Acts, die mir ein wenig das Gefühl geben, alt zu werden. Was aber okay ist, denn musikalisch bringen sie jede Menge tolle Ideen in die Welt der Musik und machen mich damit sehr optimistisch für die nähere Zukunft. Und gerade in diesem Moment ist mit Arlo Parks aus London eine weitere Musikerin auf dem besten Weg, sich in die Liste guter Beispiele einzureihen. Dabei ist es auch bei ihr vordergründig beeindruckend, wie intelligent diese Frau mit ihren bescheidenen 20 Lenzen Songs schreibt. Ihr Debüt Collapsed in Sunbeams, ein seichtes Neosoul-Werkstück mit obszön eingängigen Hooks und endgechillter Soundkulisse, hört sich in meinen Augen locker an wie die zweiten oder dritten Longplayer normalsterblicher Künstler*innen, so abgeklärt und ausbalanciert wie er ist. In den zwölf vorliegenden Tracks gibt es keinen Funken unreife Naivität und kein unentschlossenes Herantasten an das Format Album, Arlo weiß genau, was sie hier tun und sagen will. Sicher sind dabei nicht alle Songs gleich Meisterwerke und die Platte orientiert sich ästhetisch stark an gängigen R'n'B-Formaten wie Joji, Chloe x Halle, Lianne Lahavas oder dem Spätwerk von Mac Miller. Doch gibt es einen einheitlichen Stil, den die Britin hier durchzieht, in dem sie einen gleubwürdigen eigenen Charakter aufbaut und zumindest ein paar echte Knüller schreibt. Gerade in der ersten Hälfte der LP folgt ein großartiger Track wie Hurt, Too Good und Caroline auf den nächsten und ich komme aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Das Songwriting ist zart, aber doch bestimmt, ihre Performance souverän, aber nicht arrogant, die Instrumentierung herrlich smooth und organisch (besonders das Schlagzeug macht mich hier durchweg glücklich) und als kleinen Bonus hat Arlo Parks noch diesen Hauch von britischer Pöbel-Attitüde, die mich ein bisschen an Little Simz erinnert und auch total genial ist. In den meisten Momenten auf Collapsed in Sunbeams ist sie wie das eine Großstadtkind in der Provinzschule, das einfach so viel cooler als alle anderen wirkt und mit dem sich deshalb niemand abzuhängen traut. Nur dass sie diese Unnahbarkeit mit Songs kontert, die mir die Hand reichen und mein Freund sein wollen. Und auch wenn die starke Federführung der Platte auf ihrer etwas atmosphärischen und chilligen zweiten Hälfte leicht nachlässt, verliert Parks in keinem Moment die Kontrolle darüber und bleibt zumindest immer präsent. Was auch auf seine eigene Art irgendwie schick ist, denn so bekommt Collapsed in Sunbeams ein bisschen einen Spannungsbogen, der nach Caroline leicht die Luft rauslässt und erst ganz am Ende in Porta 400 nochmal groß und catchy wird. Dass die Künstlerin Gespür für Flow und Stimmung hat, hätten wir also auch geklärt. Was unterm Strich dann nicht viel zum meckern übrig lässt. Sicher, das hier ist bei weitem kein perfektes Album und auf jeden Fall kann Arlo Parks in Zukunft noch besser werden. Der Ausgangspunkt, den sie sich mit diesem Debüt schafft, könnte aber optimaler nicht sein. Das hier ist nicht nur ein erstes Statement auf LP-Länge und noch dazu ein recht gutes, es ist hier vor allem gelungen, diese Künstlerin als Gesamtpaket zu vermarkten. Und das gelingt tatsächlich den wenigsten so nonchalant beim ersten Versuch. Bleibt nur zu hoffen dass sie diese Souveränität weiterhin bewahrt.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡⚫⚫⚫ 08/11

Persönliche Höhepunkte
Collapsed in Sunbeams | Hurt | Too Good | Caroline | Bluish | Porta 400

Nicht mein Fall
Black Dog | Just Go

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