Montag, 22. Februar 2021

R U Still in 2 It? Cause I'm Still Into It

Mogwai - As the Love Continues MOGWAI 
As the Love Continues
Rock Action
2021

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

[ epochal | cineastisch | atmosphärisch ]

Man kann die Musik von Mogwai in den letzten 25 Jahren als vieles bezeichnen, und die Tatsache, dass Lyrics im Oeuvre der Schotten stets eine seltene Erscheinung waren, hat mit der Zeit sicher so einige extravagente Zuschreibungen dafür provoziert: fast immer war sie ätherisch, oft traumwandlerisch, bestenfalls fantasievoll, stellenweise rabiat und meistens sanftmütig. Ein Begriff, den ich für ihren Output jedoch bisher selten verwendet hätte, wäre so etwas wie bombastisch oder episch. Ganz einfach deshalb, weil sie das in meinen Augen nie waren. Gerade im Verhältnis zu vielen artverwandten Acts der Postrock-Bewegung, die ergreifenden Kitsch und schwungvollen Pathos gerne Mal dick auftragen, war diese Band zu solchen Späßen immer nüchtern eingestellt und übte sich stattdessen in Selbstbeherrschung. Nur selten brauchte es von ihnen große Ausbrüche und kathartische Crescendi, um mindestens genauso wirkungsvolle und cineastische Instrumentalmusik zu machen. Mehr noch, an vielen Stellen wurde solcherlei emotionales Muckterum sogar schlichtweg verweigert. Was sicherlich einer der Gründe ist, warum selbst große Teile ihres frühen Materials noch immer nicht so ausgelutscht oder formelhaft klingen wie vergleichbare Sachen vieler Kolleg*innen. Und gerade in den letzten Jahren wurde ihre Distanz zu den Elementen des klassischen Postrock noch mal bewusster und größer, weshalb ein Album wie As the Love Continues, das zum ersten Mal seit ihrem Debüt die große Show abfeuern will, definitiv eine Überrschung ist. Auch wenn diese sich zunächst gleichsam hinter der üblichen Pragmatismus-Fassade versteckt. Heißt im Klartxt, dass klanglich und kompositorisch hier vieles hier bei den Parametern bleibt, die die Schotten innerhalb der letzten Dekade für sich setzten. Ihr wisst schon, der etwas verkantete und klobige Riffrock, der zu gleichen Teilen durch altertümliche Electronica-Elemente ergänzt wird, insgesamt sehr stagnierende Songstrukturen und eine größere Bereitschaft, auch mal etwas breitbeinig und sperrig zu sein. Insgesamt also eine Ästhetik, die von der Sache her keine großen Bögen spannen will. Bereits im Opener To the Bin My Friend, Tonight We Vacate Earth merkt man jedoch, dass Mogwai ebendiesem Sound auf diesem Album plötzlich Flügel wachsen lassen und ihn an vielen Stellen ein bisschen frei machen. Wenn hier nach zweieinhalb Minuten einernder Introduktion die dicken Synthflächen losrollen, öffnen sich Stück für Stück die musikalischen Fluttore und eine Schicht nach der anderen fegt über den Song hinweg. Danach wird die Platte zwar erstmal wieder ruhiger, ein hoher Maßstab an Theatralik ist aber gesetzt. Wobei das eigentlich tolle an dieser LP ist, mit welcher Finesse die Band diese Spannung über die kompletten 61 Minuten hier aufrecht erhält und auf wie viele verschiedene Weisen das passiert. Mit Ritchie Sacramento wird im Mittelteil ein weiterer dieser verkappten Arenarock-Songs vom Stapel gelassen, die Mogwai bereits auf ihrem letzten Album etablierten, Ceiling Granny klingt fast nach der Schablone für einen Poppunk-Song, Fuck Off Money steigt vom unscheinbaren Vocoder-Experiment zum epochalen Synth-Monster auf und in Midnight Flit werden sogar die großen Hollywood-Streicher ausgepackt. Nicht jeder Moment auf As the Love Continues ist dabei ultimativ episch, vieles ist aber die beste Version dieser Songs, die ich bis jetzt von ihnen gehört habe. Was angesichts der Tatsache beachtlich ist, dass diese klangliche Ästhetik bereits seit Ende der Zwotausender der Modus Operandi dieser Gruppe ist. Und spätestens wenn die Schotten auf  It's What I Want to Do, Mum den Deckel mit der gleichen Strahlkraft wieder schließen, mit der sie ihn eine Stunde zuvor öffneten, weiß man, dass sie hier eine besondere Platte gemacht haben. Im Sinne von: eine der besten ihrer gesamten Diskografie. Und das ist nach allem, was ich von ihnen gehört habe, tatsächlich doch nochmal eine Überraschung. Ich für meinen Teil bezeichne mich selbst durchaus als so etwas wie einen Fan von Mogwai und mag so manche Platte von ihnen sehr gerne. Gerade die letzten zehn Jahre war es aber  nicht immer einfach mit ihnen. Und vielleicht war ich nach dem durchwachsenen Every Country's Sun und einer vorhersehbaren Soundtrack-Platte zu viel schon kurz davor, meine Leidenschaft für ihre Musik langsam zu verlieren. Mit As the Love Continues ballern sie jetzt aber doch noch die Platte hin, von der ich nie wusste, dass ich sie brauchte und die an allen Enden einfach passt. Und nicht dass ich mich irgendwie beschwert hätte. Es wäre auch völlig okay gewesen, wenn dieses Projekt nicht mehr gekommen wäre und Happy Songs for Happy People und Young Team mir zur Glückseligkeit bis ans Ende meiner Tage hätten reichen müssen. Dass es anders gelaufen ist und wir hier eine LP kriegen, die in dieser Gesellschaft locker mitspielen kann, ist trotzdem ein Traum. Und das ist bei allem Cineasmus und Pathos das eigentlich epische an dieser Platte. Dass Mogwai es lohnenswert machen, nach wie vor ihr Fan zu sein. Und dass der Plattentitel somit letztlich auch meine Empfindungen spiegelt.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11

Persönliche Höhepunkte
To the Bin My Friend, Tonight We Vacate Earth | Here We, Here We, Here We Go Forever | Dry Fantasy | Ritchie Sacramento | Drive the Nail | Fuck Off Money | Ceiling Granny | Midnight Flit | Pat Stains | It's What I Want to Do, Mum

Nicht mein Fall
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