Dienstag, 16. Februar 2021

Sag Ja

Clap Your Hands Say Yeah - New Fragility
CLAP YOUR HANDS SAY YEAH
New Fragility
Die-Ai-Wei
2021
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ melancholisch | hymnisch | erhaben ]

Die Welt des Indiepop war eigentlich schon immer eine, in der eine Band wie Clap Your Hands Say Yeah keinen Platz hatte. Schon seit ihrem Debüt, das immerhin vor etwas mehr als 15 Jahren erschien, war das Quintett aus New York eine Angelegenheit, die irgendwie unter Ferner liefen eingeordnet wurde, die niemanden leidenschaftlich interessierte und deren größter Verdienst es war, gut zwischen die Stühle zu passen, die Gruppen wie the Walkmen, the Shins, the Magnetic Fields oder Spoon bereits wesentlich erfolgreicher besetzt hatten. Und gerade in der Zeit, in der ich wirklich aktiv Musik höre, war diese Band selten mehr als eine Fußnote. Die Platten, die ich von ihnen aus dieser Zeit kenne, waren meistens echt okay, nur eben nie originell oder clever genug, um der Rede wert zu sein. Was es umso erstaunlicher macht, dass sie im Jahre des Herren 2021 doch noch sowas wie ihr Meisterwerk produzieren. New Fragility, ihr insgesamt sechster Longplayer, kommt dabei direkt nach einer ersten kleinen Nostalgiephase. Während des letzten Jahres misteten CYHSY ausführlich ihr gesamtes Archiv aus und veröffentlichten ausführliche Bonustrack-LPs zu jedem ihrer Alben, was zum jetzigen Zeitpunkt schon ein bisschen den Effekt hat, dass sie die neuen Aufnahmen mit leerer Festplatte starteten. Stilistisch ist dabei wenig wirklich neu, die zehn Songs hier klingen ähnlich denen auf den letzten beiden Alben, nur ein bisschen besser schick gemacht. In nicht wenigen Stücken auf dieser LP hört man wunderhübsch arrangierte Streicherparts, die Instrumentierung ist überall filigran ausbalanciert und das Songwriting insgesamt sehr detailliert. Vom Vibe her ist New Fragility dabei recht getragen und melancholisch, doch haben die Stücke dabei oft eine gewisse hymnische Größe, die sie zu mehr macht als nur guten Songs übers Traurigsein. Besonders die dramatischen Kernpunkte der LP, Thousand Oaks und Mirror Song, haben eine emotionale Gravitation, die in den besten Momenten Oasis-Niveau erreicht. Mehr als an die erinnern Clap Your Hands Say Yeah aber an die neueren Sachen der Killers, an My Morning Jacket, Belle & Sebastian oder manchmal sogar Beirut, Big Thief oder Damien Jurado. Wichtigstes ästhetisches Zugpferd ist in diesen Tracks ganz eindeutig Sänger Alec Ounsworth, der mit über 40 immer noch in dieser schrägen Quakstimme singt, damit aber wenigstens auch umgehen kann. Als Spitze des Songwritings führt sie New Fragility durch Höhen und Tiefen, Quergänge und Schleichwege, die mich immer wieder überraschen. Spätestens dann, wenn aus dem lauschigen Folk-Lamento so grandiose Hooks entsteigen wie die von CYHSY, 2005 oder sukzessive Build-Ups ein Went Looking for Trouble oder Where They Perform Miracles von unscheinbaren Klavierballaden in aufgetakelte Mini-Sinfonien verwandeln. Weil an diesen Stellen sehr schnell klar wird, was Clap Your Hands Say Yeah mit New Fragility für ein Kunststück vollbracht haben. Wäre das hier vor zehn bis zwölf Jahren rausgekommen, hätten sich definitiv alle Indiekids der damaligen Zeit nach dieser Band umgedreht und sie wären womöglich die neuen the National geworden. Weil aber so viele Jahre ohne signifikante Impulse von ihnen verstrichen sind, interessiert es inzwischen keine Sau mehr, was hier eigentlich passiert. Was im übrigen kein Vorwurf sein soll, ich selbst hätte diese Platte um ein Haar ignoriert. Zum Glück habe ich mich aber noch anders entschieden und dieser Formation die Chance gegeben, die sie eigentlich schon längst nicht mehr verdient hatten. Mit einem Ergebnis, das mich begeistert hat.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡⚫⚫ 09/11

Persönliche Höhepunkte
Hesitating Nation | Thousand Oaks | New Fragility | Innocent Weight | Mirror Song | CYHSY, 2005 | Where They Perform Miracles | Went Looking for Trouble | If I Were More Like Jesus

Nicht mein Fall
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