Montag, 18. September 2017

We Never Get Out of Style

Im Gegensatz zu den meisten Meschen, die die Musik von the National gerne hören, war ich nie besonders stolz darauf. Tatsächlich schäme ich mich bisweilen, als unbescholtener 21-jähriger mit herrlich schlechtem Geschmack auf eine Gruppe viel zu alter Männer in Anzügen zu stehen, die seit fast zwei Jahrzehnten nur traurige Songs schreiben können. Ich habe mich oft gefragt, warum das so ist, und meine Antwort ist bis heute keine bessere als die, dass die Band wahrscheinlich einfach gut ist. Ihre Musik, obgleich extrem deprimierend, ist immer dynamisch und lebendig, wird trotz eines sehr eingefahrenen Rezeptes nie langweilig und Matt Berninger hat mehr Charisma als viele ihm zutrauen. Diese Formel hat dafür gesorgt, dass the National inzwischen niemanden mehr überraschen müssen und sie trotzdem von Heerscharen an Indiefans angehimmelt werden. Und auf diese Art und Weise geht auch ihr mittlerweile siebtes Album Sleep Well Beast wieder sehr reibungslos über die Bühne. Im Vorfeld der Platte war ich ehrlich gesagt ein wenig unsicher, ob das passieren würde, weil es neben großartigen Singles wie Day I Die und Guilty Party auch einige eher sonderbare gab. Doch wenn ich jetzt die kompletten 57 Minuten Musik höre, zeigen sich die New Yorker hier so zuverlässig und solide wie immer: Es gibt faule Stellen, aber die hat man mittlerweile akzeptiert, weil das Gesamtwerk hinhaut. Und weil man das hier für jenen National-typischen Rotweinfahne- und Marcel-Proust-Vibe macht, der sowieso unsterblich geworden ist. Das weiß die Band inzwischen auch selbst ganz gut, weswegen sie sich dafür hier besonders große Mühe gegeben hat. Rein klanglich ist Sleep Well Beast ihr bisher vielleicht bestes, weil detailreichstes Album. Die vielen Nuancen, Zwischentöne und Facetten in den Instrumenten, Berningers Stimme und den handverlesenen Synthesizern sind hier so aufwendig und mit Fingerspitzengefühl gemixt, dass the National eine völlig neue Ebene ihrer Komposition erreichen. Durch die neue Tiefe, die der Sound hier bietet, müssen die Musiker gar nicht mehr laut werden, um das volle komplexe emotionale Spektrum ihrer Songs darzustellen. Dass sie es trotzdem machen, ist natürlich umso schöner. Day I Die und the System Only Dreams in Total Darkness sind wesentlich rockigere Nummern als alles vom letzten Longplayer der Band und so etwas räudiges wie Turtleneck hätte ich von ihnen eigentlich schon gar nicht mehr erwartet. Da war sie also doch noch, die kleine Überraschung. Abgesehen davon spielen the National aber im großen und ganzen ihren Stiefel. Einige Stücke wie Walk It Back sind etwas düsterer als zuletzt, doch mehr als Kleinigkeiten dürften wohl nur den Hardcore-Fans auffallen. Was dabei weiterhin festzustellen ist ist, dass die Band ihre Sache sehr gut macht. Nach dem doch etwas faden Trouble Will Find Me schaffen die New Yorker hier wieder ein Konsenswerk, das mich auf ganzer Linie mit ihnen versöhnt, weil es klingt wie fünfzig Quadratmeter schwarzer Samt. Es ist dabei wie immer nichts wirklich großes dabei, aber auf mysteriöse Weise ist das ganze extrem anziehend. Also alles wie immer. Es plagt mich schon ein bisschen, dass ich in diesem Post nichts weltbewegendes verkünden kann, aber so funktionieren the National eben. Und dass sie das so tun, ist tausendmal besser, als wenn sie es nicht tun würden. Ende der Beweisführung.





Persönliche Highlights: Day I Die / Walk It Back / Born to Beg / Turtleneck / Guilty Party / Carin at the Liquor Store / Sleep Well Beast

Nicht mein Fall: -

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