Freitag, 15. September 2017

Feelings aus der Asche

Bereits seit dem Beginn seiner Karriere ist der Bezug, den die Musik von Casper zu Deutschrap hat, ein Lieblingsthema derer, die über ihn sprechen. Benjamin Griffey ist von Anfang an ein Ausnahmekünstler gewesen und sein stilistischer Mut war auch für mich immer ein wichtiger Selling Point seiner Platten. Wo Hin zur Sonne vor zehn Jahren die Szene stichelte, XOXO ihre Grenzen auslotete und Hinterland sie transzendierte, kann man sich 2017 endgültig fragen, ob man Casper überhaupt noch als Rapper bezeichnen sollte. Die Singles, die im Vorfeld zu Lang lebe der Tod veröffentlicht wurden, zeigten eine eindeutige Tendenz weg von gehaltvollen gespitteten Bars, hin zu großen Hooks, instrumentalen Auswüchsen, jeder Menge Features außerhalb des HipHop-Bereichs, nur leider überraschend wenig von Griffey selbst. Was in meinem Fall für ziemliche Enttäuschung sorgte. Sowohl auf dem Titelsong als auch bei Keine Angst hatte ich das Gefühl, dass hier zwar gute und sehr eingängige Hits geschrieben wurden, die jedoch inhaltlich wenig zu bieten hatten und vor allem der Leute wegen gut waren, die darauf eigentlich Gäste waren. Zusammen mit der Tatsache, dass das Release des Albums um nicht weniger als ein Jahr verschoben wurde, machte sich dadurch bei mir das Gefühl breit, dass Lang lebe der Tod wohl eine reichlich verkopfte Angelegenheit werden würde. Und so richtig freuen konnte ich mich deshalb nicht darauf. Im Nachhinein gesehen war das aber vielleicht ganz gut, denn tatsächlich ist das hier keine LP, die einen Hype verdient gehabt hätte. Insofern, dass es Caspers bisher schwächste und sinnloseste geworden ist. Nicht nur schmort der Bielefelder hier total in seinem eigenen Saft, featured nur seine berühmten Freunde (Portugal.the Man, Lil B, Ahzumjot) und lässt sich die Stadion-Beats von Produzent Markus Ganter schneidern, das hat er vorher auch gemacht. Der wirkliche Unterschied ist, dass er hier selbst so gut wie gar nichts beiträgt. Zwar rappt Casper hier durchaus noch viel und lässt sich auch in keine Strophe reinreden, doch vermitteln kann er dabei so gut wie überhaupt nichts. Seine Bars beschränken sich fast immer auf abgegriffene Floskeln, mit denen er unglaublich oberflächliche Themen zu bebildern versucht, die so spannend und neu sind wie das Wahlprogramm der Union. Das schlimmste dabei ist aber, wie krampfhaft er dabei trotzdem versucht, provokant und kritisch zu sein und mit stumpfen Zeilen auf eine Hörerschaft einsticht, die so viel besseres gewohnt ist. Insbesondere Songs wie Morgellon und Lass sie gehen ächzen vor Plattitüden und sind textlich ungefähr so deep wie die letzten Sachen der Toten Hosen. Und das in einer Zeit, in der scheinbar jeder Depp einen bedeutungsvollen politischen Track hinbekommt. Dabei kann Casper genau diese Sachen durchaus sehr gut: Blut sehen war vor sieben Jahren thematisch genau das gleiche wie der Titeltrack hier, nur eben in glaubwürdig. Und wenn ihr behauptet, dass Songs wie Michael X oder 230409 euch kalt gelassen haben, dann lügt ihr. Es gab eine Zeit, da war Griffey der Beste in solchen Sachen. 2017 sind davon nur noch die großen Instrumentals und ein paar ganz coole Sprüche in Alles ist erleuchtet übrig. Lang lebe der Tod fehlt jede Kraft, jede Leidenschaft und vor allem der Charakter des Hauptakteurs, der bisher immer so dermaßen wichtig war. Das meiste hier hingegen könnte auch von jedem anderen Rapper stammen, wäre es nicht so weit entfernt von der stilistischen Mitte des Genres. Es reicht, um die nächsten zwei Jahre Arenen auszuverkaufen und bei Diffus anderthalb Stunden mit Jan Wehn zu philosophieren, doch ich bezweifle, dass sich diesmal jemand die Songzeilen tätowieren lassen wird. Das Phänomen Casper scheitert hier an seiner eigenen Strategiesierung, weil es das wichtigste vergessen hat: die Emotionen. Und wenn die Fehlen, hilft auch kein Lil B und kein Blixa Bargeld dieser Welt. Vielleicht wäre es wirklich das beste, wenn Benjamin Griffey wieder ein Rap-Album machen würde.





Persönliche Highlights: Alles ist erleuchtet / Keine Angst

Nicht mein Fall: Sirenen / Lass sie gehen / Morgellon / Deborah

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