Freitag, 22. September 2017

Heavy Metal Fun Time

Es hätte sicherlich bessere Zeitpunkte gegeben, um damit anzufangen, Arch Enemy zu hören. Die schwedische Melodic Death Metal-Band aus Halmstad ist mittlerweile schließlich schon seit über 20 Jahren aktiv und hat in dieser Zeit ein gutes Dutzend Platten veröffentlicht, keine davon habe ich vor Will to Power gehört. Doch wie dieses, ihr inzwischen elftes Album, zeigt, fängt man besser spät als nie damit an. Denn was das Kollektiv hier an Qualitäts-Hochglanz-Metal vom Stapel lässt, ist definitiv ganz ordentlich. Unter den zahlreichen Arch Enemy-Fans, die dieses Format ab und zu lesen, gibt es sicherlich viele, die mir sehr viel über die stilistische Vielfalt alter LPs und die künstlerische Entwicklung der Band in zwei Dekaden erzählen können, doch mir reicht um ehrlich zu sein auch dieser erste Eindruck für den Anfang. Insofern dass ich entgegen all meiner Erwartungen sehr angetan von dem bin, was ich hier höre. Die SchwedInnen spielen sehr schnelle, polierte und epochale Songs, die wenig mit der Spielart von Death Metal zu tun haben, die ich hier normalerweise bespreche. Nichtsdestotrotz fehlt es dieser Musik mitsamt ihren großzügigen Synth-Passagen, klinisch produzierten Gitarren und expliziten Helene Fischer-Momenten an nichts, um dennoch jede Menge klangliche Schlagkraft, hymnisches Songwriting und unversauten Pommesgabel-Pathos mitzugeben. In vielerlei Hinsicht erinnert mich Will to Power damit an den Effekt, den ich Anfang des Jahres mit Gods of Violence von Kreator hatte: Wir erleben hier eine Platte, die nicht darum verlegen ist, in vielen Momenten extrem kitschig zu sein, diesen Kitsch aber auch in wahnsinnig gute Komposition verpacken kann. Und im Gegensatz zu vielen anderen Melodic-Metal-Gruppen geben Arch Enemy durch ihren Schritt zum Epochalen nicht ihr Talent für fette Riffs und rasante Breaks auf. Tracks wie the World is Yours oder the Eagle Flies Alone sind ebenso gut darin, den melodisch-technischen Overkill zu verursachen wie darin, ein dreckiges, lärmiges Gitarrensolo oder eine mörderische Schlagzeug-Break durchzuballern. Und neben allem noch so geilen Evanescence-Geseier versteht es Sängerin Alissa White-Gluz trotzdem, auch auf gutturaler Ebene abzuliefern. Letzteres zeigt sich vor allem im wesentlich Death-lastigeren zweiten Teil der LP, der sehr auf schnelles Thrash-Riffing, finstere Akkordfolgen und infernalisches Geschrei setzt und mit Dreams of Retribution und First Day in Hell vielleicht meine Lieblingssongs dieses Albums hervorbringt. Zwar sind die virtuosen Pop-Momente des ersten Teils auch nicht übel und erfüllen ihren Zweck, aber danach nochmal richtig auf die Fresse zu bekommen, ist eben immer noch am geilsten. Und obwohl Arch Enemy definitiv eher zu den gefälligeren Metalbands gehören, können sie das nicht schlechter als die meisten anderen Death Metal-Acts, die ich kenne. Die SchwedInnen sind vielleicht nicht die Art von edgy, hartgesottener Band, die man hier sonst sieht, aber insofern ist dieses Album eine echt gute Horizonterweiterung für mich. Lange habe ich diese Musik aufgrund ihrer Mainstream-Avancen geschmäht, aber mehr als Snobismus war das eigentlich nicht. Wenn jemand solide, unterhaltsame Songs schreibt (und das tun Arch Enemy), dann sollte man das auch feiern dürfen. Und wenn Will to Power kein feierbares Album ist, dann hat einer von uns den Spaß am Heavy Metal verloren. Ich für meinen Teil finde, er fängt gerade erst an.





Persönliche Highlights: the Race / the World is Yours / the Eagle Flies Alone / Reason to Believe / Murder Scene / First Day in Hell / Dreams of Retribution / My Shadow and I / A Fight I Must Win / City Baby Attacked By Rats

Nicht mein Fall: Blood in the Water

CWTE auf Facebook

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen