Donnerstag, 21. September 2017

Am Ende kommen Touristen

Ich habe mittlerweile genug von Amalie Bruun gesehen, dass es einigermaßen unmöglich geworden ist, sie irgendwie einseitig betrachten zu können. Vor etwas mehr als zwei Jahren kam das ehemalige Model und dänische Folk-Sternchen mit ihrer neu gegründeten Band Myrkur und deren abgefahrenen Metal-Debüt M in meine Welt und ist seitdem ziemlich omnipräsent gewesen. Im Vorprogramm von Deafheaven sah ich sie kurz danach erstmals live, ihren Konflikt mit den Hardlinern der Kvlt Police verfolgte ich in jedem Detail und irgendwo zwischen ihrem Live-Album Mausoleum von 2016 und einem ihrer vielen Facebook-Videos, in denen sie auf historischen Instrumenten dänische Volkslieder spielt, bin ich wohl ein Fan dieser Band geworden. Myrkur repräsentieren Black Metal auf dem bisherigen Höhepunkt seiner Catchiness, schreiben Stadionrock-Hymnen mit Screamo-Parts als wäre es das normalste der Welt und fördern ganz nebenbei die tollsten Sachen aus dem Volksliedgut ihrer Heimat zutage. Um die Zukunft des Heavy Metal und seiner Entwicklung willen ist es nur gut und richtig, diese Musik zu bewundern. Und das mache ich nach wie vor. Nur muss ich ebenfalls zugeben, dass mir Myrkur während der Promophse zu ihrem zweiten Album Mareridt dann doch etwas too much wurden. Die Songkonzepte veränderten sich kaum noch, das Wechselspiel aus lauschigen Folk-Passagen und okkulten Blastbeat-Wasserfällen war inzwischen bekannt und man konnte mittlerweile Wetten darauf abschließen, wie viele Takte es noch bis zur nächsten Break oder zum Refrain waren. Der Überraschungseffekt, den die Band am Anfang ihrer Karriere so gekonnt ausspielte, war ausgetrudelt und vieles, was hier passierte, nicht mehr wirklich aufregend. Mein großer Wunsch für die kommende LP war also die, dass Myrkur sich etwas einfallen ließen, um die absolut geniale Ästhetik ihrer Songs irgendwie über die Zeit zu retten. Und man muss leider sagen, bemüht haben sie sich nicht wirklich. Das originellste, was Mareridt anzubieten hat, sind eine handvoll Tracks in englischer Sprache, eine wesentlich gefälligere Produktion und einen Gastauftritt des bösen Zwillings von Amalie Bruun, Chelsea Wolfe. Es ist offensichtlich, dass die Dänen hier sehr darauf setzen, den überraschenden Mainstream-Drift ihres ersten Albums noch zu verstärken, was ja eigentlich nicht schlecht ist. Nur ist die Ausführung des ganzen denkbar schlampig geraten. Statt auf einen starken Gesamtklang zu gehen und den Flow der Platte abzurunden, haben Myrkur hier versucht, Hits zu schreiben. Was leider ein bisschen verunglückt ist. Nicht nur klingen Songs wie Ulvinde oder Funeral fast exakt wie vom Vorgänger, sie sind auch bei weitem nicht so catchy wie die bisherigen Sachen. Und das, obwohl dem epochalen, sinfonischen Sound dieser Stücke viele tolle Black Metal-Momente zum Opfer fallen mussten. Stattdessen gibt es wesentlich mehr Synthsizer, Streicher, akustische Gitarren und cleanen Gesang von Bruun. Das ist an sich auch nicht per se schlecht so: Es ist erstaunlich, wie viele unterschiedliche Instrumente man auf Mareridt hört und gerade für das Mixing muss ich hier mein Kompliment geben, doch es werden auch viele große Stärken von Myrkur abgetötet. Eine fatale Entscheidung ist beispielsweise das, was hier mit den Vocals angestellt wurde: Sowohl die klar gesungenen Parts als auch das Geschrei von Bruun ist an den meisten Stellen mit Effekten zugekleistert oder total unnatürlich gepitcht (oder gibt es auf Børnehjem etwa ein Yolandi Vi$$er-Feature, von dem ich nichts weiß?), und das, obwohl die Sängerin in Natura eine fantastische Stimme hat. Auch werden die Songs durch das Fehlen von Metal-Einschlägen gerne ein bisschen monoton und schmalzig, Howard Shore-Orchestrierung sei Dank. Statt nach cleverem Folk-Pop-Metal-Amalgam hört sich Mareridt stellenweise an wie die billige Kitschpop-Adaption des Soundtracks von Die zwei Türme. Und nein, das ist kein gutes Zeichen. Alles in Allem wirkt diese Platte dadurch schon recht zusammengeschustert. Trost kann dabei lediglich spenden, dass es am Ende doch eine ganze Reihe cooler Einzeltracks gibt, die für sich gesehen ganz tauglich sind. So zum Beispiel der astrale Titelsong, das sehr folkige Kætteren, das zwischen Lana del Rey und Sinéad O'Connor pendelnde Crown und nicht zuletzt die am Ende doch noch erfolgende Black Metal-Erlösung Måneblôt. Zum Scheitern verurteilt sind Myrkur also bei weitem nicht. Spätestens bei der nächsten Tour werden viele Fans sicherlich ihren Frieden mit diesen Songs finden und vielleicht gibt es dann auch ein paar mehr Gitarren dazu. Was Konservenmusik angeht, beginne ich mir jedoch langsam Sorgen um diese Band zu machen. Wenn schon das zweite Album der Dänen so ein vom Hype zerficktes Konsenswerk geworden ist, wie sollen Myrkur dann bitte die Jahre ohne den Hype überstehen? Wenn es so weitergeht, wird es sich irgendwann rächen, dass diese ganze Sache eigentlich nie mehr als die Folge einer Modeerscheinung waren. Dabei hoffe ich echt, dass sie am Ende doch mehr ist.





Persönliche Highlights: Mareridt / Måneblôt / Crown / Ulvinde / Gladiatrix / Kætteren

Nicht mein Fall: the Serpent / De Tre Piker / Børnehjem

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