Mittwoch, 27. September 2017

All These Things That I've Done

Es scheint 2017 irgendwie unwirklich, ein neues Album der Killers zu hören. Man kann sich kaum noch erinnern, wann man sich das letzte mal wirklich aktiv mit ihrer Musik beschäftigt hat und ihre großen Hits wie Mr. Brightside oder Human, die mal eine Generation von versnobten Emo-Indiekids geprägt haben, wirken von heute aus tausende Jahre alt. Es ist ein bisschen wie ein Filmriss: Das letzte, woran man sich erinnern kann ist, wie sich die Band nach dem chaotischen Day & Age von 2009 feierlich in eine längere Pause verabschiedete und fast eine Dekade später wacht man plötzlich auf und wundert sich, was diese seltsame Gruppe noch von einem will. Und oh mein Gott, was ist eigentlich die ganze Zeit passiert? Welches Jahr haben wir? Man muss sich erstmal ordnen und sortiert dann nach und nach die Dinge: Da war zum Beispiel das Soloalbum von Brandon Flowers 2010, das war sogar überraschend gut. Und zwei Jahre später gab es sogar nochmal ein richtiges Band-Album, von dem aber niemand Notiz nahm, obwohl es eigentlich ganz okay war. Danach wird es wieder still. Die Killers haben es seit Day & Age irgendwie geschafft, von riesigen Popstars (theoretisch hätten sie auch das werden können, was die Kings of Leon letztendlich geworden sind) zum gefühlten Nichts zu werden, das auf einmal wieder auftaucht und Aufmerksamkeit will. Und um der Liebe willen, die ich einmal für diese Band empfunden habe, will ich das auch tun. Denn so beschissen und belanglos wie zunächst gedacht ist Wonderful Wonderful gar nicht. Auch 2017 ist der Stil des Quartetts aus Las Vegas ein Balanceakt aus kraftmeierndem Springsteen-Americana-Rock, circa Born in the USA und glimmerndem New Wave-Synthpop vom Typ Ultravox und A-Ha und die Songs, die dabei entstehen, sind hier wieder die gleichen wie auf ihren ersten beiden Alben. Brandon Flowers singt große, bedeutingsschwangere Stadion-Refrains über breit produzierte Keyboard-Flächen, hinter denen ein bodenständiges Rock-Instrumentarium steht und die Basis abdeckt. Gerade zu Songs wie Tyson vs. Douglas oder the Man möchte man sich die Band mit Vokuhilas und Stirnbändern vor dem Star Sprangled Banner vorstellen, nur eben mit schicken Anzügen, weil sie am Ende doch noch zu glamourös sind. Und obwohl die Power-Hooks nur äußerst selten das songwriterische Niveau erreichen, das damals Read My Mind oder Somebody Told Me hatten, versagen sie nicht komplett in ihren Avancen. Life to Come beispielsweise hat einen besseren Bono-Refrain als die meisten neuen Sachen von U2, the Calling ist der rockige Kontrapunkt, den diese LP braucht und the Man könnte man mit etwas gutem Willen sogar als Hit bezeichnen. Man muss sich aber auch nichts vormachen: So auf dem Level wie in den Zweitausendern sind die Killers hier bei weitem nicht. Sogar das ziemlich zusammengeschusterte und löchrige Day & Age hatte damals mehr Fokus als die Songs hier und alles in allem ist diese Band doch sehr zahnlos geworden (Oh Gott, die Texte!). Wonderful Wonderful präsentiert eine ziemlich potemkinsche Version der Killers, die so sein soll wie auf Hot Fuss und Sam's Town, aber bei der vieles nicht mehr so richtig sitzt und die Farbe langsam abblättert. Ein Comeback will ich diese LP gar nicht erst nennen, denn dafür ist die ganze Nummer viel zu lahmarschig gemacht und inszeniert. Nein, die Killers wollen wahrscheinlich einfach nur in Ruhe ihre Musik weitermachen und die dabei vielleicht noch anfallende Kohle abgreifen, bevor es gar keine mehr gibt. Hätten sie Popstars sein wollen, hätten sie schon vor Jahren anders gehandelt oder sich wenigstens mit einer ordentlichen Schlammschlacht getrennt. So können sie die neuen Songs jetzt eine Saison lang abtouren und mit ihren Ü-30-Fans gemeinsam darauf warten, dass sie dann doch endlich Mr. Brightside spielen. Denn die kommen auch nur noch, weil das Lied damals lief, als sie auf der Wohnheimparty rumgemacht haben.





Persönliche Highlights: the Man / Life to Come / Tyson vs. Douglas / the Calling / Have All the Songs Been Written?

Nicht mein Fall: Rut

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