Dienstag, 26. September 2017

Norwegische Verhältnisse

Ich bin mir durchaus bewusst, dass ich Bands wie Wolves in the Throne Room als Musikfan eine ganze Menge zu verdanken habe. Als Teil der ersten Generation atmosphärischer Black Metal-Bands schufen sie in den Zweitausendern gemeinsam mit Kollegen wie Agalloch, Krallice und Alcest die Basis für das, was in den letzten fünf Jahren durch die zweite Welle der Bewegung mit Liturgy, Deafheaven und Der Weg einer Freiheit zu einem meiner Lieblingsthemen wurde und mich nicht zuletzt zu dem Black Metal-Fan gemacht hat, der ich heute bin. Ohne die Vorarbeit der Weaver-Brüder wäre vielleicht noch heute die Musik von Emperor das Maximum an Fremdeinflüssen in der Szene und man würde sich noch immer nicht ohne Corpsepaint vor die Tür trauen. Gemessen am immensen Einfluss dieser Band ist es vielleicht komisch, dass Wolves in the Throne Room selbst nie zu meinen Favoriten in diesem Bereich gehört haben. Abgesehen davon, dass ich großen Respekt vor ihrer Leistung als Anschubser des Genres habe, finde ich die Platten, die dafür hauptverantwortlich waren, eher so lala. Es ist nun einfach mal so, dass die zweite Welle der Bewegung wesentlich mehr Möglichkeiten hatte, sich in ihren Songs kreativ auszutoben und Alben wie Diadem of 12 Stars oder Black Cascade sich im Nachhinen nicht mehr mit der Schlagkraft eines Sunbather oder Aesthethica messen können. Die alte Schule ist eben ein bisschen langweilig geworden. Und eigentlich nahmen auch Wolves in the Throne Room das zuletzt als Anlass, sich mehr oder weniger endgültig aus diesem Sachgebiet zu entfernen. Ihr letzter Longplayer Celestite von 2014 war mit komplett elektronischer Instrumentierung und stilistischer Ausrichtung an Künstlern wie Jean-Michel Jarre oder Tangerine Dream eine komplette Abwendung vom bisherigen Stil und in meinen Augen gleichzeitig ihre wahrscheinlich beste Arbeit. Ob der Qualität dieser LP war es absolut nicht auszuschließen, dass die US-Amerikaner danach in dieser Richtung weitermachen könnten und damit auch noch erfolgreich sein könnten. Ein Teil von mir wollte es bestimmt auch so. Stattdessen präsentiert das Duo jetzt mit Thrice Woven sein bisher vielleicht konservativstes Werk, das mehr als jedes vorherige Album mit den Wurzeln des Black Metal kuschelt. Statt atmosphärischer Ambient-Gitarrenflächen und Postrock-Momenten gibt es hier das Komplettpaket aus finsteren Riff-Mäandern, Schlagzeug-Kaskaden, gutturalen Scream-Vocals und grottenschlechtem Proberaum-Sound, gegen das die Band ursprünglich ma angetreten war. Man muss dabei fair sein, komplett norwegisch ist diese Platte noch nicht. Überall hier glimmen zarte europäische Folk-Einflüsse durch und hier und da gibt es sogar wieder Synthesizer, doch die Tendenz ist schon auffällig. Wolves in the Throne Room wollen hier stinknormalen 08/15-Black Metal spielen. Man muss ihnen das auf jeden Fall gönnen, denn nachdem sie das Genre schon einmal revolutioniert haben, können sie sich hier zum ersten mal richtig freispielen. Und die Handgriffe der alten Schule beherrschen sie auf jeden Fall. Es muss sich dann aber auch niemand wundern, dass Thrice Woven in Sachen Originalität einige Defizite hat. Wer hier erwartet, irgendwelche neuen stilistischen Impulse oder Umwälzungen zu hören, den muss ich enttäuschen: Diese fünf Songs klingen nicht anders als die des lokalen Vereins der Corpsepaint-Freunde im Proberaum nebenan. Sowohl kompositorisch als auch klanglich unterscheinden sich WITTR hier nur minimal vom Großteil generischer Genre-Bands, die man überall hören kann und dass sie an und zu ein paar Harfen oder Keyboards einbauen, macht die Suppe jetzt nicht wirklich fett. Die Tracks sind ohne Frage alle gut geschrieben, doch sie sind eben auch nichts besonderes und teilweise sogar ziemlich hingeschlampt. Vor allem die Produktion der Platte ist eine ziemliche Katastrophe, die so nicht hätte sein müssen. Die Gitarren sind viel zu matschig abgemischt, das Schlagzeug klingt dünn und statt wenigstens konsequent auf LoFi zu setzen, packt die Band immer wieder monumentale Synth-Parts und sogar Chöre in den Mix. Was alles in allem irgendwie den Eindruck erweckt, dass Wolves in the Throne Room nicht so richtig wissen, was sie hier wollen. Für ein Grundlagen-Album ist Thrice Woven am Ende doch zu progressiv, aber wirklich mutige Schritte nach vorn macht es auch nicht. Die Gebrüder Weaver schreiben hier eine handvoll akzeptabler Songs, aber bauen diese nicht richtig aus. Unterm Strich kann man also sagen, dass wir hier eine der eher schwächeren Arbeiten von ihnen erleben. Das ist total okay, weil sich die Band offenkundig gerade stilistisch neu formieren muss und sowas nun mal nicht immer gleich reibungslos funktioniert. Allerdings hätten sie auch einfach noch eine Elektro-Platte machen können, oder?





Persönliche Highlights: Born From the Serpent's Eye / Angrboda / Fires Roar in the Palace of the Moon

Nicht mein Fall: Mother Owl, Father Ocean

CWTE auf Facebook

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen