Montag, 25. September 2017

Don't Wanna Take My Sound Back

Wer hätte gedacht, dass ein Album von Enter Shikari für mich einmal eines der wichtigsten Releases dieses Monats werden würde? Ich ganz sicher nicht. Noch vor zweieinhalb Jahren stampfte ich die Briten mitsamt ihrem letzten Album the Mindsweep und drei von elf Punkten ganz schön ein und gedachte eigentlich, nie wieder über sie zu schreiben. Für mich war das Quartett aus Sheffield damals der Wurmfortsatz grauenvoller Post-Emo-New-Metal-Dubstep-Bands, die nicht in mein edgy Bild von guter Musik im Jahr 2015 passten und deshalb als Thema ganz schnell verschwinden mussten. Nun finde ich diesen Ansatz Musik zu hören inzwischen nicht nur sehr falsch und arrogant, auch habe ich in Vorbereitung auf diese LP noch einmal the Mindsweep gehört und fand es plötzlich ziemlich geil. Enter Shikari sind vielleicht etwas oldschool und nicht unbedingt unglaublich edgy, aber ihre Musik zeichnet sich immerhin durch eine beachtliche Kreativität aus und hat die Eigenschaft, wenig von gängigen Trends zu halten. Und wenige Dinge zeigen diese Qualitäten besser auf als ihre neue LP the Spark: Nachdem 2012 bereits A Flash Flood of Colour einen wesentlich bunteren und stilistisch offeneren Sound suchte, ist dieses neue Material endgültig das bisher Pop-affinste der Briten. Schon die Leadsingle Live Outside überraschte mich mit der vielleicht nervigsten Ohrwurm-Hook des Sommers (ja, schlimmer als Despacito!) und einem deutlich melodischerem Songwriting und die fertige Platte stellt sicher, dass das auch definitiv kein Zufall war. Schon der Opener the Sights begrüßt die Hörenden mit einem Bilderbuch-Weezer-Refrain und obwohl kurz danach wieder bekanntere Elemente wie gerappte Lines und elektronisches Gefritzel dazu kommen, setzt er doch ein klares Zeichen für den Gesamtklang dieses Albums. The Spark ist Pop und will auch gar nichts anderes sein. Und bevor jetzt vielleicht einige Oldschool-Fans, die den Schock vom letzten Mal noch verdauen müssen, komplett in Ohnmacht fallen: Es ist der beste Schritt, den Enter Shikari machen konnten. Der Stil der letzten beiden Platten wusste in meinen Augen immer nicht so richtig, wohin mit sich selbst und war bisweilen ein wenig unfokussiert. Mangelnden Fokus kann man diesen neuen Songs indes definitiv nicht vorwerfen und die Tatsache, dass diese Band hier weiß, was sie tut, lässt the Spark trotzdem zu einem sehr kredibilen Projekt werden. Enter Shikari hier Sellout-Vorwürfe zu machen, wäre so ziemlich das letzte, was mir einfallen würde. Dass es hier mehr Melodien gibt, bedeutet nicht automatisch, dass die Texte an Schärfe verlieren, sich die musikalischen Kanten glätten oder das Mixing langweilig klingt. Im Gegenteil: Durch den pralleren Sound kommt hier wesentlich mehr von dem rüber, was die Band sagen will und auch wenn Rou Reynolds hier weniger schreit, als Sänger ist er ja auch nicht schlecht. Und wenn in Songs wie Rabble Rouser trotzdem noch eindeutige Grime-Einflüsse durchblitzen oder Take My Country Back politische Konsens-Zeilen liefert, bleibt im Kern ja doch viel vom ursprünglichen Spirit des Kollektivs übrig. Im Prinzip rennen Enter Shikari hier aber offene Türen ein. Wer als Fan 2017 nicht damit klarkommt, dass seine Lieblingsband sich ihre Einflüsse von so ziemlich überall holt und auch  mal was anderes ausprobiert, hatte die letzten fünf Jahre genug Zeit zum rumheulen. Dieses Album ist letztendlich nichts anderes als konsequent. Aber vor allem es ist ziemlich geil. Und ich bin gerade froh, dass ich das mal über eine LP von Enter Shikari sagen kann.





Persönliche Highlights: the Sights / Live Outside / Rabble Rouser / Undercover Agents / the Revolt of the Atoms / An Ode to Lost Jigsaw Pieces

Nicht mein Fall: Shinrin-Yoku

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