Samstag, 27. Februar 2021

Bamboo Machine Music

Senyawa - AlkisahSENYAWA
Alkisah
Phantom Limb
2021
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ animalisch | improvisiert | brutal | schräg ]

Als jemand, der in diesem Format nun schon ein paar Jahre lang über Musik schreibt und der darüber auch immer ein bisschen die Veränderung des eigenen Geschmacks reflektiert, kann ich mittlerweile mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass ein Teil von mir auf ganz schön schräge Sachen steht. Besonders in den letzten zwei Jahren hat sich bei mir ein Hang zu gewissen Außenbereichen von Popmusik, den ich schon immer ein bisschen hatte, noch einmal kritisch verschärft und ich würde mittlerweile sogar so weit gehen, dass ich mich für ein bestimmtes Projekt proportional zu seinem Weirdness-Faktor mehr oder weniger interessiere. Wobei immer die Frage ist, wie seltsam eine einzelne Platte eigentlich sein kann und woran genau man das eigentlich festmacht. Ein Beispiel: Auf wenige Alben war ich in der vergangenen Woche so gespannt wie auf dieses hier, ein improvisiertes Noise-Folk-Monster zweier Avantgarde-Künstler aus Indonesien, von denen einer selbst Instrumente aus Bambus und Öltonnen baut und der andere eine Gesangstechnik kultiviert hast, die Jodeln und Kehlkopfgesang mischt. Gemeinsam arbeiten diese unter dem Pseudonym Senyawa hier ihr bereits zehntes Album aus und schon anhand der Bandcamp-Beschreibung habe ich diesbezüglich einen kleinen Nerd-Ständer bekommen. Obwohl das Ergebnis auf Alkisah letztendlich gar nicht mal sooo abgefahren ist. Sicher, die acht sogenannten "Songs" dieser LP sind allesamt völlig unstrukturiert, dissonant, repetetiv und herausfordend, der Gesang klingt wie eine Reihe archaischer Blutrituale, die Produktion ist furchtbar krachig und alles hat irgendwie den Anstrich von unzugänglicher Kunstigkeit. Doch sollte man zufällig schon Bands wie Daughters, Oranssi Pazuzu oder die letzten Platten von Scott Walker mögen (was bei mir rein zufällig der Fall ist 😉), sollte man sich auf dieser LP relativ leicht zurechtfinden. Und richtig gut ist die Platte sowieso. Nicht nur mag ich die animalische Schlagkraft und Avantgarde-Haltung, mit der Senyawa hier Musik machen, auch das Songwriting und die klanglichen Elemente sind extrem stark. Das beginnt schon mit den repeteiven, metallischen, ein bisschen an frühe Swans-Sachen erinnernden Mantra-Rhythmen, die auf Alkisah I in das Geschehen einführen und überrascht mich danach mit immer neuen Winkelzügen. So klingt Menuju Muara an vielen Stellen wie die Industrial-Version eines Haka-Tanzes (ihr wisst schon, so ein Ding), das am Ende in eine Kakophonie aus Field Recordings umfällt, Kabau und Alkisah haben mit ihrer düsteren Postpunk-No Wave-Aura fast etwas Stooges- oder Velvet Underground-mäßiges und immer wieder erinnern die Kompositionen natürlich an Experimental-Größen wie die Einstürzenden Neubauten oder Yoko Ono, die in den Bereichen Instrumenten-Selbstbau und eigenwillige Vokaltechniken ja jeweils Koriphäen sind. Innerhalb der performativen Urschreitherapie, die die beiden mit diesen Parametern abziehen, gibt es also eine große Vielfalt und wahnsinnig viel Dynamik und Spannung. Das heißt trotz des nicht nicht ganz eingehaltenen Weirdness-Versprechens ist das hier wahnsinnig interessant und genial gemacht und überzeugt durch die Art, wie Senyawa hier ihr Handwerk vorführen. Und wenn sowohl Kunst als auch Technik so fantastisch gemacht sind, bin ich der letzte, der sich beschwert. Vor allem dann, wenn es trotzdem für die notwendige Nerd-Credibility sorgt.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11

Persönliche Höhepunkte
Alkisah I | Menuju Muara | Kabau | Alkisah II | Kiamat

Nicht mein Fall
Kekuasaan

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