Mittwoch, 10. Februar 2021

Rückwärts nimmer

Foo Fighters - Medicine at Midnight FOO FIGHTERS
Medicine at Midnight
RCA
2021
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ maximalistisch | verspielt | hochauflösend ]

Ich hatte lange Zeit die ebenso seltsame wie vergebliche Hoffnung, dass sich die Foo Fighters irgendwann einfach in Wohlgefallen auflösen würden. Dass sie den gleichen Weg gehen würden wie so ziemlich alle Rockbands ihrer Generation, langweilige Dadrock-Platten aufnehmen, die den Mainstream nicht mehr interessierten und sich für die nostalgischen Fans ein bisschen kommerziell anbiedern. Vieles davon haben sie inzwischen sogar mehr als einmal getan, kleiner geworden sind sie deshalb trotzdem nicht. Stand 2021 verkaufen die Foo Fighters noch immer Stadien aus (zumindest potenziell), standen inzwischen mit so ziemlich jeder Rocklegende der letzten 60 Jahre auf der Bühne und Dave Grohl sieht mit jedem Tag den er altert besser aus. So einfach in Luft auflösen wird sich diese Band also nicht ohne weiteres. Und in diesem Fall ist das auch ausnahmsweise mal gut, denn mit Medicine at Midnight haben sie gerade ihre beste Platte seit gut und gerne einer Dekade gemacht. Eine Sache, die ich von ihnen zu diesem Zeitpunkt ehrlich gesagt nicht mehr erwartet hatte. Zu peinlich, krampfig und schulterklopfig waren ihre letzten beiden Alben und zu viele halbgare Schnapsideen dachte Grohl sich in der Zeit dazwischen aus. Wobei mein Problem mit ihnen gar nicht mal kommerzielle Ausschlachtung oder ein Hang zur Gefälligkeit war, sondern eher wie sich die Foo Fighters in Ideen reinsteigerten, die von vornherein Mist waren. Und von der Sache her ist auch Medicine at Midnight eine LP, die gefährlich in diese Richtung tendiert. Vieles davon hat damit zu tun, dass die Band hier wieder mit Produzent Greg Krustin zusammenarbeitet, der schon den Vorgänger Concrete & Gold betreute und zu dessen Kundschaft sonst eher Leute wie Adele oder Celine Dion zählen. Auf besagtem letzten Album resultierte seine Mitarbeit in einigen sehr seltsamen Entscheidungen und machte viele Songs zumindest nicht besser. Und auch auf diesem Nachfolger lässt sich beobachten, dass sich die Ästhetik der Foo Fighters ein Stückweit verschiebt. Medicine at Midnight ist mit großer Wahrscheinlichkeit eine der am wenigsten rockigen Platte des Quintetts und vor allem vom Klang her sehr sauber und steril. Auch fällt auf, wie viele artfremde Elemente hier mit großer Prominenz einbezogen werden. Der Opener Making A Fire beginnt mit einer Art Gospelchor, Cloudspotter mit einem ziemlich schmissigen Funk-Riff, der Titeltrack verfügt über unnormal viele Synth-Passagen und Chasing Birds hat schon fast eine loungige Jazznote. Durch kreative Entscheidungen wie diese klingen die Foo Fighters hier mitunter sehr nach den jüngeren Alben der Red Hot Chili Peppers, der experimentellen Phase von Incubus oder dem proggig angehauchten Hardrock einer Band wie Spidergawd. Im Gegensatz zum Vorgänger funktioniert das hier aber meistens zu ihrem Vorteil. Als jemand, der schon immer die poppigeren Momente dieser Band cooler fand als die rockröhrigen, schätze ich die ehrliche Kreativität, mit der hier ein sehr eingefleischter Sound aufgebrochen wird. Wobei man definitiv merkt, wie viel Spaß alle Beteiligten an dieser Platte gehabt haben müssen. Das Ergebnis: Eine weitaus bessere Chemie zwischen Musikern und Produzent, ein für Foo Fighters-Verhältnisse wirklich innovatives Songwriting und das erste Mal, dass ich von dieser Band wirklich überrascht bin. Und dass die Ästhetik hier etwas stromlinienförmiger wird, heißt übrigens nicht, dass die LP ihren Grip verliert. Wenn Songs wie Cloudspotter, No Son of Mine oder Making A Fire in die Rock'n'Roll-Pedale treten, dann tun sie das richtig. Und dadurch, dass es im Austausch dazu hier sehr melodische und sanfte Momente gibt, kommen die lauten noch viel besser zur Geltung. Auch hier also Pluspunkte für Stimmungsgefühl und clevere Balance. Natürlich kann man einem Album wie diesem am Ende vorwerfen, es sich ein bisschen zu sehr gemütlich zu machen und dadrockig zu werden, was ja auch nicht unwahr ist. Doch ist es a) wenigstens keine langweilige Komfortzonen-Arbeit wie Sonic Highways oder Wasting Light und b) ziemlich gut darin, Pop zu sein. Die Balance zwischen Fan-Erwartungen und der eigenen Kreativität zu halten ist nicht einfach, besonders wenn man als Band schon fast 30 Jahre sehr erfolgreich ist. Medicine at Midnight ist dabei aber kein Album, das diese Balance stört, sondern sie auf spannende Weise neu justiert. Und wenn man sich so das ansieht, was der Rest der Rocklegenden ihrer Ära gerade so macht, ist das hier schon beeindruckend und defitiv einer der Gründe, warum die Foo Fighters so schnell eben nicht verschwinden.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡⚫⚫⚫ 08/11

Persönliche Höhepunkte
Making A Fire | Shame Shame | Cloudspotter | Waiting On A War | No Son of Mine | Holding Poison

Nicht mein Fall
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