Dienstag, 9. Februar 2021

Du hast den Funk gestohlen

Voilaaa - Voiciii VOILAAA
Voiciii
Favorite Recordings
2021
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ lebendig | funky | kollaborativ ] 

Es hat leider Gottes immer einen etwas problematischen Touch, wenn Produzent*innen aus Europa oder Nordamerika es für eine gute Idee halten, sich zu Botschafter*innen der afrikanischen Popmusik zu erklären und dann Platten machen, die alle gleich klingen und am Ende vor allem ihnen selbst nützen. Allein daran gemessen, wie viele solcher Projekte es inzwischen gibt, sollte man auch meinen, dass sich das ganze langsam wenigstens etwas abgenutzt hat. Ganz zu schweigen davon, dass es eigentlich schon lange keine Weißen mit Labelbacking mehr brauchen sollte, um das Thema Pop aus Afrika erfolgreich an den internationalen Markt zu bringen. Trotzdem passiert es immer wieder. Wobei das wirklich unverschämte daran ja auch ist, wie musikalisch genial viele dieser Unternehmungen am Ende häufig sind. Was ich vor allem daran merke, dass ich diese Art von mahnendem Disclaimer nicht zum ersten Mal schreibe. Mit dem vordergründigen Zweck, nicht völlig unsensibel gegenüber einem Act zu wirken, der hier ordentlich kulturell aneignet, aber eben auch sehr gut darin ist. Und wie so oft lässt sich auch im Falle von Bruno Hovart aka Voilaaa argumentieren, dass sein Ansatz sooo schlimm ja gar nicht ist. Denn wenigstens schafft er es mit seinem dritten Album Voiciii auf Augenhöhe mit denjenigen zu kollaborieren, die wirklich im Thema drin sind. Was zumindest den Effekt hat, dass die Anbiederung an Afrobeat hier inhaltlicher Natur ist und nicht nur exotische Ästhetik sein soll. Das Soundsystem Voilaaa besteht auf dieser LP nämlich nicht nur aus Hovart selbst und einer handvoll kuratierter Features, sondern tatsächlich aus einer Art festem Ensemble, das gemeinsam das ganze Album gestaltet und performt. Wobei Afrobeat in diesem Fall auch nicht gleich Afrobeat ist. Vordergündig prägend sind auf Voiciii die Einflüsse westafrikanischer Funk-Künstler*innen aus den Siebzigern und Achtzigern wie Fela Kuti oder Manu Dibango, die hier rein zufällig auch gecovert werden. Das passt insofern sehr gut, weil auch Hovart und Voilaaa dem Bereich Disco und Funk entstammen und um jede Menge tanzbare Retro-Stylings nicht verlegen sind. Folglich sind die meisten der vorliegenden 14 Songs auch ordentlich groovy und sorgen schon beim Anhören für spontane Schweißausbrüche und wackelige Knie. Und um diese Wirkung zu erzeugen, wird letzlich auch alles gegeben. Die Instrumentierung auf Voiciii ist durchweg üppig, nicht selten gönnt sich die Band großzügige Bläsersätze und auch wenn Bass und Gitarren sehr weit hinten im Mix stattfinden, bleibt die Platte zu jedem Zeitpunkt maximal rhythmisch und zappelig. Wenn Songs wie Ku La Foon, Ben Bene La oder Fighting Slowly dann auch noch mit so genialen Hooks aufwarten, kann man nicht anders als sich langsam einzugrooven und den großartigen Vive mitzunehmen, den diese LP kommuniziert. Wobei man bei einer stattlichen Spielzeit von 61 Minuten auch mehr als genug Zeit dafür hat. Ich würde mich an dieser Stelle gerne zu einer inbrünstigen Aussage von wegen "so muss Afrobeat gemacht werden" hinreißen lassen, doch das wäre politsch eher unsensibel. Weshalb ich Voiciii jetzt ganz einfach mal als wahnsinnig gute Funk- und Discoplatte empfehle, was ja prinzipiell genauso richtig ist. Und auch wenn sich hier schon wieder ein westlicher Musiker an fremden Federn afrikanischer Popkultur gütlich tut, so kann man in diesem Fall wenigstens nicht sagen, er hätte es ruiniert. Was ja auch schon mal eine Menge wert ist.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡⚫⚫ 09/11

Persönliche Höhepunkte
Assia | Ben Bene La | Women Can Do | Water No Get Enemy | Faut Pas (Dub 2000) | Fighting Slowly | Faut Pas Dire des Choses Comme Ça | LIMYÉ-A | Manu Écoute Ça | Ku La Foon | François, Va Te Laver | Tenor Jam for Manu

Nicht mein Fall
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