Montag, 15. Februar 2021

Don't Fuck Up My High

slowthai - TYRON
SLOWTHAI
Tyron
Method
2021
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ hartkantig | großkotzig | britisch ] 

Seit seinem Durchbruchsalbum Nothing Great About Britian vor anderthalb Jahren gab es viele Dinge, die über Tyron Frampton aka Slowthai gesagt wurden und bei weitem nicht alle davon waren positiv. Als misogyner Vollidiot ist der Rapper aus Northhampton inzwischen weitläufig verschrien, bei öffentlichen Auftritten sorgt er regelmäßig für kleinere und größere Skandale und einer seiner legendärsten Auftritte beim Mercury Prize 2019 beinhaltete berüchtigterweise ein Imitat des abgetrennten Kopfes von Boris Johnson. Obwohl Frampton sich also zuletzt vor allem als ziemlich kontroverser Charakter in der britischen Musiklandschaft gezeigt hat, ist seine Geschichte primär auch die eines kometenhaften Aufstiegs. Stand 2021 ist Slowthai nach allen denkbaren Auslegungen dieses Begriffs ein Popstar, arbeitet mit haufenweise namhaften Künstler*innen zusammen, wird mit Auszeichnungen nur so überhäuft und ist in seiner Heimat England irgendwie das Sprachrohr einer Generation geworden. In der Kette des Grime-Revivals, das seit 2016 mehr oder weniger kontinuierlich stattfindet, ist er in diesem Moment ganz klar der bisherige Höhepunkt, der den Style der Bewegung endlich wieder ins Ausland verkauft und zu dem sich in der Szene zurzeit alles umdreht. Und Tyron ist definitiv ein Album, auf dem man das auch merken soll. Nach dem kritischen und kommerziellen Homerun des Debüts und einem nicht weniger erfolgreichen Feature-Marathon im letzten Jahr soll das hier die LP werden, die ihre dicken Eier im Erfolg des Moments sonnt, Slowthais VIP-Status ausnutzt und an vielen Stellen auch versucht, diesen weiter auszubauen. Das Chart- und Tiktok-relevante Crossover-Potenzial, das viele Songs haben, ist offensichtlich. Und mit einer Gästeliste, in der unter anderem A$ap Rocky, Denzel Curry und Dominic Fike auftauchen, zeigt sich auch, dass der Zielmarkt dieser Platte nicht mehr nur das Vereinigte Königreich ist. Und den Schritt zum Pop geht Slowthai definitiv nochmal mit größerer Souveränität als vor kurzem ein Stormzy, eine Little Simz oder ein Skepta, die für seine Karriere ganz klar Wegbereiter waren.Wobei man auch ganz klar sagen muss, dass dieser Typ weiß was er tut, denn Tyron ist ohne Frage nochmal eine ordentliche Schippe an songwriterischer Klasse auf seine schon ziemlich guten Vorgängerprojekte. Slowthai kriegt es hier auf großartige Weise hin, seine altbewährte grimige Rotznasen-Ästhetik mit vielen etwas melodischeren und eingängigeren Motiven zu verbinden und sowohl kantige Banger als auch einfühlsame Poprap-Stücke zu schreiben. Die 35 Minuten der LP sind dabei in zwei größere klangliche Blöcke aufgeteilt, von denen der erste eher grantig und Hiphop-zentriert gehalten ist und Teil zwei mehr Einflüsse aus R'n'B und Schlafzimmerpop einbezieht. Dass Tyron nach zwei unterschiedlichen, miteinander konkurrierenden Konzepten besteht, würde ich trotzdem nicht sagen. Denn obwohl es klanglich zwischen A- und B-Phase gravierende Unterschiede gibt, ist es doch die Präsenz von Slowthai selbst, die alles irgendwie eint. Dass seine Performance einen sehr starken und präsenten Charakter hat, sehe ich inzwischen als einen der Hauptgründe für seine Popularität, und hier einen so versierten Umgang damit zu hören, zeigt mir, dass das kein Zufall ist. Wie ein guter Schauspieler kann dieser Typ seine Darbietung dem Thema und der Komposition anpassen und darin aufgehen, bleibt aber immer durch seinen eigenen Stil identifizierbar. Und wenn das so gut funktioniert wie auf Tyron, kann drumherum viel passieren, das Leitmotiv der Platte bleibt trotzdem stabil. Was auch der Grund ist, warum sie sich nicht zwischen Pop-Anbiederung und szeniger Grime-Realness entscheiden muss. Slowthai ist der Typ, der einfach beides kann. Indem er es auf diesem Album erstmals so beeindruckend zur Schau stellt, macht er also nicht nur einen guten Nachfolger zu seinem Debüt, er zeigt auch, dass er wandelbar ist und nicht nur so lange interessant, bis der nächste Shitstorm abgeflaut ist. Und das ist das Holz, aus dem große Musiker*innen gemacht sind. Bleibt nur zu hoffen, dass er sich dabei nicht überfrisst.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡⚫⚫ 09/11

Persönliche Höhepunkte
45 Smoke | Cancelled | Mazza | Dead | I Tried | Terms | Push | adhd

Nicht mein Fall
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