Samstag, 29. Juni 2019

Die Dunkelheit zwischen den Sternen





















[ psychedelisch | proggig | chaotisch ]

Die Komödie Happy Metal von 2014 ist in vielen Belangen ein ziemlich grottenschlechter Film mit vielen dummen Klischees und wenig tatsächlichem Humor, seine Prämisse ist jedoch nicht uninteressant: Was würde passieren, wenn Mitglieder einer satanistischen Black Metal-Band durch widrige Umstände dazu gezwungen wären, sich als quirlige Hippies auszugeben und quirlige Hippiemusik zu spielen? Eine Frage, die eigentlich gar nicht so fern liegt, denn obwohl Hippietum und Metal mittlerweile quasi als komplett gegensetzliche Stereotype gelten, ist das in seiner historischen Entwicklung sozusagen der Urgroßvater des anderen. Aber wie das bei jüngeren Generationen so ist, entfremden sich diese zusehends von ihren Vorfahren und insbesondere Black Metal dürfte unter den vielen verschiedenen Sprösslingen noch immer das trotzigste und rebellischste Familienmitglied sein. Zumindest will man sich nicht unbedingt vorstellen, wie es ablaufen würde, wenn Vertreter*innen beider Szenen sich zum gemeinsamen Jammen treffen würden. Muss man aber auch gar nicht, denn seit nun inzwischen schon über zehn Jahren gibt es eine Band, die sich genau dieser Art von Musik widmet und das unwirkliche Crossover immer wieder forciert. Bereits seit 2007 suchen Orannsi Pazuzu aus dem finnischen Tampere den gemeinsamen Nenner von psychedlischem Acid Rock, Progrock, Noise und Black Metal, wobei die Anteile der verschiedenen Stilrichtungen immer wieder in unterschiedlichen Dosierungen einfließen. Und wo diese Experimente von großen Teilen des Untergrunds schon seit ihrem Debüt Muukalainen Puhuu von 2009 frenetisch gefeiert wurden, hielt ich die ganze Idee lange für eine ziemliche Schnapsidee. Wenn die Mission der Finnen die Suche nach der Psychedelik im extremen Metal war, so wurde deren Grundessenz in meinen Augen erst vor drei Jahren auf Värähtelijä gefunden, dem bisherigen Opus Magnum von Oranssi Pazuzu. Das ist okay, es braucht schließlich eine Weile um so eine Mischung glaubwürdig über die Bühne zu bringen, doch hier werden zum ersten Mal die entscheidenden Hebel gezogen. Mein Problem mit dem Stil der ersten drei Platten war zumeist, dass das Songwriting dort aus diversen mäßig kreativ zusammengekitteten Einflüssen bestand, die sich in Summe einfach nur nach sehr nerdigem Metal klangen. Die affigen Solierungen und nudeligen Strukturen erinnerten an furchtbare Prog-Bands wie Spocks Beard oder Dark Suns und man hatte den Eindruck, Oranssi Pazuzu würden Öl und Wasser mischen wollen. Värähtelijä macht diesen Fehler zum ersten Mal nicht und geht stattdessen eher organisch vor: Alle Songs hier klingen wie die Ergebnisse langwieriger Jams, die die Band gemeinsam aus dem Äther hebt und die vor allem von Zusammenspiel der einzelnen Elemente profitieren. Natürlich gibt es nach wie vor die spacigen Orgelsoli und nerdigen Momente, doch verschmelzen diese hier mit einem brachialen Gesamtkörper, der die meisten der sieben Tracks bestimmt. Was dabei vor allem gewinnt ist die Atmosphäre, die Oranssi Pazuzu erzeugen. Wenn es etwas großartiges gibt, das Black Metal und Acid Rock gemeinsam haben, dann ist es, gigantische Klangwände zu erzeugen und diese über lange Zeit vor sich her zu schieben. Värähtelijä kombiniert dabei die Düsternis von apokalyptischen Riff-Kaskaden mit der psychedelischen Weite des Spacerock zu einer Art bedrückenden, bleischweren Weltraummusik, die nichts vom seichten Rocket Man-Gedudel vieler SciFi-Popmusik hat. Bei Oranssi Pazuzu klingt das All nicht nach Sternen, sondern nach der Dunkelheit dazwischen, die sich schwarz und mysteriös über die Hörenden erbricht. Passend dazu fließen dabei auch viele Elemente aus Postpunk und Noiserock in dieses Album ein, die an gewissen Stellen sehr an die letzten Alben von Swans erinnern. Vor allem darin, dass es den Songs gelingt, einen klanglichen Sog zu entwickeln, der sich über Längen von teilweise zwölf Minuten intensiviert und in dem alles langsam verschwimmt. Was davon jetzt eher Metal ist und was Psychrock, ist am Ende ziemlich egal, weil Oranssi Pazuzu hier tatsächlich ein Amalgam schaffen, das irgendwie alles zugleich ist. Und das ist nicht nur im Vergleich zu ihrem früheren Output ein Meilenstein, sondern auch ganz generell. Värähtelijä ist ein Metal-Album das ich so sonst noch nirgends gehört habe und das die Schnapsidee, von der seine Schöpfer zehren, zu einer kreativen Marktlücke macht. Im Gesamtkontext der Metal-Szene vielleicht ein Nischenprodukt, aber ein meisterlich ausgearbeitetes.

Klingt ein bisschen wie:
the Botanist
VI: Flora

Swans
To Be Kind

Persönliche Höhepunkte: Saturaatio | Lahja | Hypnotisoitu Viharukous | Vasemman Käden Hierarkia | Havuluu | Valveavaruus

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