Samstag, 30. Januar 2021

God Only Knows

Weezer - OK Human WEEZER
OK human
Crush
2021
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ eingängig | pittoresk | schnörkelig ]

Schaut man dieser Tage zurück auf die letzten paar Jahre in der Karriere von Weezer, ist es direkt schon wieder erstaunlich, in was für eine selten dämliche Situation sich die vier Kalifornier da manövriert haben. Ich würde dabei nicht mal sagen, dass es besonders schlecht um sie steht oder ihre Karriere am kippen wäre, im Gegenteil. Nur scheint es auf diesem Planeten keine andere Band zu geben, die an diesem Punkt ihres Bestehens bei so vielen Leuten für solches Kopfzerbrechen sorgt. Mit inzwischen fast 30 Jahren auf dem Buckel und einer äußerst mitteilungsfreudigen Fanbase in der Hinterhand umgibt das Quartett aus Los Angeles inzwischen definitiv ein gewisser Legendenstatus, der aber bei weitem nicht so ehrerbieterisch ist wie der vergleichbarer Acts ihrer Generation. Statt gestandener Rockstars in den besten Jahren sind Weezer mehr als je zuvor eine Art lebendes Meme, das vor allem bei jungen Leuten relevant bleibt, und das nicht gerade der hochwertigen Musik wegen. Selbst eiserne Begleiter*innen der Band, die schon Mitte der Neunziger dabei waren, stimmen seit langem zu, dass der Katalog ihrer Lieblingsband bestenfalls durchwachsen ist und einige Schandflecke darin nicht zu verharmlosen hat. Welche das sind, darüber gibt es individuell recht viele Ansichten. Und gerade die letzten fünf Jahre waren meiner Ansicht nach nochmal ein besonderes auf und ab. Nachdem im Frühjahr 2016 das weiße Album so aussah, als würde es die spritzige Collegerock-Ästhetik ihres Debüts aus den Neunzigern zurückholen, bog Pacific Daydream ein Jahr später wieder steil in Richtung der jungen Laufkundschaft und Mainstream-freundlicheren Songs ab. 2019 folgten dann noch die völlig verpeilte Cover-Compilation Teal Album sowie die sehr wirre schwarze LP und 2020 wurde eine für Mai angekündigte Platte auf unbestimmte Zeit verschoben, für die nun stattdessen dieses Überraschungsalbum erscheint. Zu sagen, Weezer hätten zur Zeit keinen richtigen Plan, ist also noch mild formuliert. Wobei es dennoch erstaunlich ist, wie gut sie musikalisch doch noch sein können. Sicher, aus der eben beschriebenen Phase stammen einige ihrer schlimmsten Platten, aber eben auch einige ihrer besten. Und mit OK Human schaffen sie wieder mal eines der positiven Hochs dieser Achterbahnfahrt. In erster Instanz deshalb, weil sie sich ausnahmsweise mal für eine Leitidee entscheiden können und diese wenigstens 35 Minuten durchhalten. Der Sound der neuesten LP ist dabei insgesamt ein sehr Pop-orientierter, der vor allem durch die aufwändige Orchestrierung aller Songs zur Geltung kommt. Wäre das hier ein bisschen umfangreicher und würde Rivers Cuomo weniger zynische Texte schreiben, könnte man sagen, dass Weezer hier sowas wie ihr Pet Sounds aufgenommen haben. Denn zumindest vom Songwriting her erinnert vieles daran: Alle Tracks hier sind unglaublich catchy (sogar die ulkigen Interludes, die teilweise nur Sekunden gehen), die Instrumentierung sowie das Arrangement sind absolut Zucker und alles in Allem wohnt dem Album ein Vibe inne, der ebenso sonnig wie melancholisch ist. Letzteres kommt dann vor allem durch Cuomos Texte und Performance, die wie immer selbstmitleidig und ein bisschen cringy, aber trotzdem irgendwie cool sind. Klar bricht er damit des öfteren mal die umherschwirrende Atmosphäre des nostalgischen Kammerpop-Sounds, doch nie so, dass es wirklich unpassend wirkt. Sehr oft muss ich bei seiner Performance an jemanden wie Ezra Koenig von Vampire Weekend denken, der diesen Spagat zwischen ernsthafter Verehrung und trolligem Augenzwinkern auch immer gut hinbekommt. Und wenn die Refrains dann auch noch so gut sind wie hier, kann man der ganzen Sache nicht wirklich böse sein. Zugegeben, meine Euphorie für diese LP kommt aus einer Haltung, die schon immer die poppigen Weezer cooler fand als die rockröhrigen, und hier haben die Kalifornier dieses Konzept auf eine Art perfektioniert. Doch glaube ich auch nicht, dass man Pacific Daydream gut finden musste, um jetzt das hier zu mögen. Viel eher vermute ich in diesem Album für viele Leute einen einfacheren Zugang zu dieser Inkarnation der Band, bei der man weder billige EDM-Einflüsse noch furchtbare Rap-Sechzehner von Rivers Cuomo erdulden muss, um an die guten Stellen zu kommen. Und ich denke, das könnte dafür sorgen, dass OK Human auch endlich mal wieder von großen Teilen der Fanbase gemocht wird. Außer vielleicht nicht von den Pinkerton-Ultras, aber denen kann man sowieso nichts recht machen.
 
🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡⚫⚫⚫ 08/11

Persönliche Höhepunkte
All My Favorite Songs | Aloo Gobi | Grapes of Wrath | Playing My Piano | Bird With A Broken Wing | Here Comes the Rain | La Brea Tar Pits

Nicht mein Fall
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