Dienstag, 19. Januar 2021

Das Gewinnen der Schönheit im Verlieren der Form

Beautify Junkyards - Cosmorama
BEAUTIFY JUNKYARDS
Cosmorama
Ghost Box
2021

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ soft | sommerlich | psychedelisch | subtropisch ]

Wenn man sich wie ich nun inzwischen schon über zwei Jahre eingehend mit der Musik der frühen Sechzigerjahre beschäftigt, ist es praktisch unabdingbar, nebenbei eine Leidenschaft für südamerikanischen Samba-Jazz und -Pop zu entwickeln. Ganz einfach, weil viele Künstler*innen aus dieser Zeit es mit erstaunlich einfachen Mitteln schaffen, derart zauberhafte und einnehmende Sounds zu kreieren, in die man sich einfach verlieben muss. Und obwohl ganz klar ist, dass die Songs von Beautify Junkyards mit dieser stilistischen Ära von der Sache her nichts zu tun haben, war diese Parallele doch die erste, die ich auf Cosmorama bei ihnen heraushörte. Sei es auch nur in der Hinsicht einer grundlegenden kreativen Haltung. Denn was diese LP ganz wesentllich prägt, ist eine Idee von sanfter, unkomplizierter Psychedelik, die keine großen Gesten braucht, um ziemlich beeindruckend zu sein. Wobei sie stilistisch auch alles mitnehmen, was in der Zwischenzeit in der bunten Welt der Popmusik passiert ist. Inspirationstechnisch ist das vierte Album der PortugiesInnen ein Amalgam aus dem sanften Samba-Folk von Astrud Gilberto, der retrofixierten Lounge-Elektronik der frühen Air, dem gut gefilterten Psychpop-Spirit von Animal Collective und dem organischen Impressionismus von Ichiko Aoba, um nur die wesentlichsten Einflüsse zu nennen. Das Ergebnis ist dabei ein wunderbar geruhsames, leicht hippieskes und sonniges Album, das klanglich so gar nicht zu seinem Releasetermin Mitte Januar passt. Das zugrundeliegende Handwerk ist mal elektronisch und mal indiefolkig geprägt und die Texte changieren zwischen englisch und portugiesisch, einig ist sich die Platte jedoch immer in der flauschigen Atmosphäre, die sie zu jedem Zeitpunkt versprüht. Mit seiner Mischung aus nostalgischen Sixties-Throwback und zeitgenössischer Schlafzimmerpop-Attitüde überbrückt Cosmorama außerdem das Problem, zu konkret nach einer bestimmten Sache zu klingen. Anfangs war ich davon zugegeben ein bisschen ernüchtert, weil es dadurch auch durchweg an starken Melodien fehlt und die LP immer so ein bisschen im halbambienten Schlafzimmer-Folk herumdümpelt, doch erkenne ich das inzwischen durchaus als Stärke des Albums. Denn diese Musik braucht keine deutliche kompositorische Marschrichtung, um einen unglaublich faszinierenden Mikrokosmos auszubauen. Von den extrem detaillierten und klasse produzierten Soundscapes, die die Band hier aufbaut und die durchaus mal mit esoterischem Vogelgezwitischer und pointierten Harfen, Streichern und Flöten garniert sein können, würde zu viel Klarheit womöglich sogar ablenken. Stattdessen strahlt diese LP ungemein in ihrem relaxten Faulenzermodus, gönnt sich immer mal eine kurze eingängige Passage oder ein deutliches Gesangsmotiv, und verschwindet danach wieder im Urwald aus schnuffliger Geräuschkulisse. Ein bisschen würde ich mir dabei sogar wünschen, dass komplett auf englische Lyrics verzichtet worden wäre, denn schon diese paar Zeilen kommunikativer Verständlichkeit lenken von der hübschen Diffusität und Mystik ab, die ansonsten vorherrscht. Wirklich gebrochen wird diese aber zu keinem Zeitpunkt, was definitiv der größte Pluspunkt von Cosmorama ist. Denn nur so gelingt diese Wirkung von Kurzurlaub, die ausnahmslos alle Tracks dominiert und dabei ein herrliches Exzerpt aller Musik zu sein scheint, die irgendwann mal chillig und nonchalant war. Was hoffentlich spätestens im kommenden Sommer dazu führen wird, dass ich Beautify Junkyards nochmal so richtig abfeiern werde. Denn dann wird dieses Album wahrscheinlich erst seine komplette Wirkung entfalten.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡⚫⚫⚫ 08/11

Persönliche Höhepunkte
Reverie | the Sphinx | Parangolé | A Garden By the Sea | the Collector | Zodiak Club | Vali | the Fountain

Nicht mein Fall
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