Dienstag, 26. Januar 2021

Manic Pixie Nightmare

Ashnikko - Demidevil ASHNIKKO
Demidevil
Parlophone
2021
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ bratzig | angepisst | catchy | direkt ]

Es ist im Januar 2021 keine besonders große Sache mehr, dass eine auf den ersten Blick neue und unbedeutende Künstlerin wie Ashnikko auf der Welle eines Tiktok-Hits irgendwie in den kommerziellen Erfolg schliddert. Spätestens seitdem die Videoplattform sich über das letzte Jahr hinweg einen festen Platz im Kanon der großen sozialen Netzwerke sicherte, ist es zur Gewohnheit geworden, dass immer mal ein musikalischer Curveball-Banger dabei herumkommt, der die Charts aufmischt. Die wenigsten darunter schaffen es jedoch, von diesem Sprungbrett aus den Weg hin zu einer mittelfristigen Karriere zu bauen, was Ashnikko dann eben doch wieder besonders macht. Seit ihren ersten kleineren Achtungserfolgen vor drei Jahren hat die Britin sich im Musikbusiness unglaublich gut vernetzt, war unter anderem mit Danny Brown auf Tour sowie auf einem Track mit Hatsune Miku. Mit ihren sehr direkten Lyrics, einer unglaublich großen Klappe und der schrillen Blaue Haare-Horrorclown-PC Music-Hypertrap-Ästhetik machte sie außerdem einen bleibenden Eindruck bei großen Teilen der Laufkundschaft und fiel auf. Das Resultat ist spätestens jetzt sichtbar: Für ihr erstes Mixtape Demidevil hat die Londonerin beim renommierten Major Parlophone unterschrieben und lädt sich darauf mal eben Leute wie Grimes, Kelis und Princess Nokia ein. Auf kleine Brötchen hat sie also von vornherein schon keinen Bock. Und wieso auch? Dafür, dass diese 10 Songs in 25 Minuten noch nicht mal ein richtiges Album sind und Release-technisch wahrscheinlich nur den Ofen vorheizen sollen, ist hier schon ganz schön was los. Wobei ein großer Selling Point für viele sicherlich die unverhohlene Attitüde von Ashnikko ist. Bereits auf ihren früheren Songs war die Britin lyrisch sehr direkt und angriffslustig, was sich hier nicht ändert. Auf Demidevil kriegen vor allem missgünstige Hater*innen, ätzende Exen und schnarchige CIS-Männer ordentlich ihr Fett weg, wobei viele der Texte eigentlich nur bessere Rants sind. Die meiste Zeit über schadet ihnen das aber wenig bis gar nicht. Cool finde ich für meinen Teil vor allem die musikalische Ausgestaltung der Platte, die ein bisschen weniger bratzig ausfällt als erwartet, aber daran trotzdem keinen Schaden hat. So gut wie alle Songs hier sind unheimlich catchy, der Ästhetik entsprechend ausproduziert (also manchmal ganz schön assig) und zeigen auch Liebe fürs Detail. Immer wieder holt Ashnikko dabei Referenzen aus Emorock und Zwotausender-R'n'B dazu, die am Ende sogar in einer Art invertierten Girlpower-Coverversion von Avril Laviges Sk8r Boi gipfeln, die trotz einer gewissen Vorhersehbarkeit ziemlich cool ist. Was leider nicht immer ganz so gut gelingt. Wenn es eine Sache gibt, die mich an Demidevil wirklich mehr als ein bisschen stört, dann ist es seine Offensichtlichkeit in manchen Momenten. Vor allem dann, wenn Ashnikko versucht, ein bisschen in Richtung Comedy abzubiegen. Es gibt durchaus ein paar Punchlines, in denen ich schmunzeln musste (zum Beispiel die "dip like mayo"-Line in Drunk With My Friends), doch viele sind es nicht gerade. Wo Tracks wie Toxic oder Deal With It dadurch nicht groß an der lyrischen Schwäche leiden, ist es vor allem der Closer Clitoris! the Musical, der nochmal anders seltsam abdriftet. Spätestens hier versucht Ashnikko ganz effektiv, einen schlüpfrigen Novelty-Song zu schreiben, der aber in all seiner billigen Persiflage ungefähr so aufregend ist wie ein Heute Show-Sketch. Am Ende eines eigentlich ziemlich tollen Mixtapes ist das nochmal ein ordentlicher Drücker, der echt nicht hätte sein müssen. Doch schafft auch er es nicht, mir diese Künstlerin grundsätzlich madig zu machen. Wenn Ashnikko auf der Spur ist, hat sie definitiv eine erfrischende Energie, die extrem cool ist und zumindest für ein richtig gutes Album sollte die bei ihr noch reichen. Zugegeben, ein musikalischer Ansatz wie ihrer ist nicht unbedingt gemacht für jahrzehntelange Karrieren, aber gerade deshalb ist sie genau jetzt besonders interessant. Und sollte Nägel mit Köpfen machen, solange der Hype noch anhält.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡⚫⚫⚫ 08/11
 
Persönliche Höhepunkte
Daisy | Toxic | Deal With It | Slumber Party | Drunk With My Friends | Cry | Good While It Lasted

Nicht mein Fall
Clitoris! the Musical

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