Montag, 25. Januar 2021

Winter Wonderland

Grima - Rotten Garden
GRIMA 
Rotten Garden
Naturmacht Productions
2021











 
 
[ monumental | pittoresk | mystisch | märchenhaft ]

Wenn man wie ich mit einiger Leidenschaft dem kulturellen Kosmos des Black Metal ergeben ist, dann weiß man, dass unter der beinharten Schale vieler traditionell beflissener Bands der Szene mitunter ein sehr romantisch-verkitschtes Herz schlägt, das nicht selten einen Hang zu überaus schnulzigen Motiven hat. In Kaum einem Bereich der Popkultur trifft überbordende Misanthropie auf eine so tiefgreifende Hingabe für die Wildheit der Natur, verschneite Wälder, alte Volkssagen und Fantasy-Referenzen. Die gleichen Dinge also, die man meistens auch an osteuropäischen Märchenfilmen aus den Siebzigern cool findet. Nur erlebt man selten mal eine Band, die diese Hingabe wirklich offen zu schau stellt und sich traut, im Ausgleich dazu etwas weniger böse und menschenverachtend zu klingen. Zumindest, wenn man die ganze Pagan-Fraktion und exotische Phänomene wie Panopticon mal außen vor lässt. Doch um ein bisschen verwunschenen Pathos auch in dieser Szene zu spüren, muss man nur dorthin gehen, wo die ganzen Märchen aus den Filmen ursprünglich herkommen. Womit wir bei der Band Grima und deren vierten Album wären. Das seit 2014 aktive zweiköpfige Black Metal-Projekt kommt aus Krasnoyarsk in Sibirien, einer Gegend, in der es wahrscheinlich sehr viele verschneite Wälder gibt, die sagenumwoben und mystisch anmuten und in der man Väterchen Frost vermutlich aus dem Supermarkt kennt. Und wenn man sich Rotten Garden, das erste Mal anhört, merkt man das definitiv. Allerdings nicht deshalb, weil ihr ästhetischer Ansatz ganz besonders frostig und entmenschlicht klingt, sondern eher weil er manchmal ein bisschen cheesy und märchenhaft sein kann. Was zumindest eine Sache ist, die Grima in der Szene herausstellt. In den sechs Stücken dieses Albums finden sich über einem Kerngerüst aus sehr stabilen atmospherischen Black Metal-Motiven sehr viele folkloristische Anwandlungen und ein Sound, dem man seine Naturverbundenheit anhört. In At the Foot of the Red Mountains hört man melancholisches Akkordeon und Akustikgitarren, der Titeltrack wird mit einem Violinensolo und Geräuschen fließenden Wassers garniert, immer wieder gibt es kleine Intermezzi mit Glöckchen oder Keyboards und im Opener Cedar & Owls hört man sogar das lauschige Schuhuhen eines Waldkauzes. Im Zusammenspiel mit der Gewaltigkeit der Gitarrenkaskaden und den markerschütternden Vocals von Sänger Vilhelm ergibt sich dabei eine Ästhetik, die zwar schon etwas von klirrenden, monochromen Winterlandschaften mit mächtigen Nadelbäumen hat, die darin aber auch eine Magie findet, die nicht zu unterschätzen ist. Das hier ist nicht die postapokalyptische Wildnis, die man von den Vorbildern aus Norwegen kennt, das hier ist der mystische Zauberwald, in dem man diversen märchenhaften Kreaturen begegnet und sich ein Prinz in einen Bären verwandelt oder so. Was prinzipiell für dieses Album spricht, denn es macht die schon an sich guten Songs hier nochmal extra unterhaltsam und überraschend. Manchmal muss ich zwar auch sagen, dass Grima die Feder etwas tief in die Naturromantik-Tinte getaucht haben und hier doch sehr ins paganische übergehen, aber sind das nur ganz wenige Spitzen einer grundsätzlich sehr guten Sache. Und wenn ich zwei Dinge prinzipiell mag, dann sind es schwulstiger Kitsch und Black Metal. Hier haben wir das beste aus beiden Welten.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡⚫⚫⚫ 08/11

Persönliche Höhepunkte
Cedar & Owls | At the Foot of the Red Mountains | Rotten Garden

Nicht mein Fall
-
 

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