Freitag, 27. März 2015

True Story

SUFJAN STEVENS
Carrie & Lowell
Asthmatic Kitty
2015















Er ist wieder da. Sufjan Stevens. Nicht als Musiker im allgemeinen, doch als der Künstler, als den ihn die meisten, mich eingeschlossen, so sehr lieben. Als den Querdenker des Folk, als den ambitioniertesten aller Barden, als Akustik-Genie. Der Typ, der uns vor gut zehn Jahren Meisterwerke wie Illinois, Seven Swans und Michigan schenkte, hat wieder zu diesen zurückgefunden. Nach Ausflügen in Neo-Klassik, Electronica und sogar HipHop ist Carrie & Lowell wieder ein Album, das hauptsächlich von Gitarren getragen wird. Im momentanen Kontext wahrscheinlich das letzte, was man von Stevens 2015 erwartet hätte. Und obwohl der Multiinstrumentalist aus Detroit mit spielerischer Leichtigkeit auch die Herstellung von Kaugummi, das menschliche Nervensystem oder Einen Versandhauskatalog vertonen könnte, hat er sich diesmal für ein ziemlich bescheidenes aber künstlerisch sehr relevantes Rahmenthema entschieden: Familie. 2012 verstarb Sufjan Stevens' Mutter Carrie, was ihn dazu veranlasste, einige sehr intime Songs über seine Beziehung zu ihr, seine Kindheit und seinen Stiefvater Lowell zu schreiben. Diese finden sich nun auf diesem 45-minütigen Longplayer wieder, der sicherlich der bisher persönlichste des Künstlers ist. Viele Namen echter Personen werden genannt und es wird in den alten Fotos gekramt, was schon für den ein oder anderen sehr emotionalen Moment verantwortlich ist, bei dem sensible Hörer ruhig ein paar Tränen verdrücken können. Bei aller Wichtung, die dieses Album auf Gefühle und Erzählungen legt, fehlt mir hier jedoch irgendwie die Persönlichkeit des Sufjan Stevens. Ich erwarte von einem Album wie diesem keine Orchester-Arrangements, Electronica-Flächen oder Band-Eskapaden. Der klein gehaltene Rahmen passt schon zum Überbau. Doch man merkt auch deutlich, dass dadurch viel von Charisma des Songwriters futsch geht. Der sogenannte Erretter des Folk klingt auf Carrie & Lowell die meiste Zeit nach Akustik-Barde X, den man sich auf jeder Starbucks-CD anhören kann. Gut, Stevens schreibt vielleicht bessere Texte, aber dennoch fehlt mir auf diesem Album fast überall irgendetwas. Die Songs variieren kaum, viele Instrumente klingen ziemlich bearbeitet und der Gesang des Künstlers ist so eintönig wie noch nie. Die Folge ist die erste seiner Platten, die ich ganz schön mittelmäßig finde. Klar kann kein Interpret der Welt immer nur super sein, trotzdem tut es immer wieder weh. Und bei Sufjan Stevens ganz besonders. Denn wer sich vornimmt, sämtlichen US-Staaten ein eigenes Album zu widmen und einen klassischen Opus über eine Fernverkehrsstraße schreibt, der sollte so ein kleines Akustik-Ding doch mit links meistern. Doch anscheinend ist genau das sein wunder Punkt. Ein absolut verzeihliches Manko, solange Carrie & Lowell eine Ausnahme bleibt. Und was Stevens als nächstes macht, kann sowieso keiner wissen. Bleibt also nur zu hoffen.
7/11

Bester Song: Fourth of July

Nicht mein Fall: All of Me Wants All of You

Weiterleitung:
Review zu Benji (Sun Kil Moon):
zum Review

Review zu Vestiges & Claws (José González):
zum Review

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