Dienstag, 17. März 2015

der heilige Lärm

LITURGY
the Ark Work
Thrill Jockey
2015















Es sagt etwas über Liturgy aus, dass the Ark Work das Album ist, auf das ich mich in diesem Jahr am meisten gefreut habe. Die Geschichte der Platte ist bis hierhin eine Geschichte von Enttäuschungen, die enttäuscht wurden. Wie das funktioniert, möchte ich vorher mal kurz erklären. Der Beginn von allem ist der zweite Longplayer der New Yorker, Aesthetica. Nachdem dieser 2011 erschienen war, war Heavy Metal für mich eine komplett neue Angelegenheit. Ich hatte damals noch nichts von Bands wie Wolves in the Throne Room oder Krallice gehört, aber das war auch nicht nötig. Auch jetzt noch finde ich den Klang dieser Platte einzigartig und revolutionär wie weniges sonst. Was Deafheaven zwei Jahre später mit diesem Sound anstellten, war grandios, aber im Prinzip nichts neues. Liturgy waren die echten Umdenker des Black Metal. Nur sah es lange Zeit so aus, als würde auf diesen Knall nichts folgen. Zunächst verließ mit Drummer Greg Fox ausgerechnet das Mitglied die Band, das zum originellen Charakter von Aesthetica am meisten beigetragen hatte. Seine vertrackten Rhythmen und Tempo-Schlaufen waren das Knochenmark des Trios. Ein erster Wermutstropfen in einem Glas, welches noch sehr voll werden sollte. Mit der Begründung von Survival, Hunter Hund-Hendrix' neuer Band, wurde das Gefüge von Liturgy noch brüchiger. Damals war ich mir nicht einmal sicher, ob es so etwas wie Liturgy überhaupt noch gab. Als Ende 2014 dann die Ankündigung eines neuen Albums durchsickerte, war ich zunächst weiterhin skeptisch. So wie es aussah, war vom ursprünglichen Line-Up nur Hendrix selbst übrig geblieben, der ja noch nie um seine Bescheidenheit bekannt war. Die Ankündigung eines elektronisch geprägten Sounds auf the Ark Work ließ dem Fan in mir dann noch zusätzlich das Herz in die Hose rutschen. Viele verbanden erste Höreindrücke mit der Musik von Death Grips, die nun gar nicht meiner Vorstellung eines neuen Liturgy-Longplayers entsprachen. Erst vor kurzem dann kam die Erleichterung. In Interviews sah man die Band wieder in Originalbesetzung und erste Singles der Platte machten gar keinen so schlechten Eindruck. Die Vorfreude war wieder da. Und soll jetzt auch schon wieder vorbei sein. Denn the Ark Work ist da, was bedeutet, dass das eingetreten ist, was ich vor einem Jahr noch für unmöglich hielt. Weshalb ich mich vorsehen musste, meine ehrliche Meinung nicht so oft im eigenen Hype zu ersaufen. Denn eine Herausforderung haben uns Liturgy auch mit diesem Album gegeben. Eine, die höchstwahrscheinlich polarisieren wird. Zunächst mal die gute Nachricht für Aesthetica-Fans: Den euphorischen Blackgaze-Sound und die ADHS-Drums hört man auch hier zur Genüge. Von den besten Momenten des Vorgängers ist hier sogar noch mehr dabei, auch wenn die Band hier teilweise ganze Akkordfolgen kopiert. The Ark Work klingt dabei noch einen Zacken psychedelischer und ist teilweise ein einziger Gitarren-Orgasmus, aber Reizüberflutung gehörte ja schon immer zum Repertoire von Liturgy. Der Teil, mit dem die meisten alten Fans wahrscheinlich eher Probleme haben werden, sind die Synthesizer. Der Opener Fanfare könnte nicht mehr nach Billig-Keyboards und Windows 95 klingen und ist wahrscheinlich für jeden erstmal ein harter Brocken. Dass er trotzdem die Atmosphäre echter Fanfaren einfängt, ist die eigentliche Leistung des Tracks. Doch damit nicht genug: in Follow prescht die Band zwar schon merklich in Richtung Metal, doch polyrhythmische Glitches und Roboter-Sounds machen auch diesen Song zur stilistischen Grenzerfahrung. Wer jetzt Panik bekommen hat, der kann sich beruhigen. Was danach folgt, ist dem, was vor ein paar Jahren auf Aesthetica passierte, schon ähnlicher. Doch auch für Leute wie mich, denen die neue Richtung der Band gefällt, bieten diese Stücke noch genug. Der erste richtige Rocksong kommt erst nach ungefähr zwanzig Minuten mit Haelegen, der sehr an Veins of God erinnert und der vielleicht düsterste Track der Platte ist. Mit Reign Array folgt kurz danach ein echtes Highlight. Der Song tarnt sich zunächst als sakrale Synth-Prog-Ballade im Final Fantasy-Stil, nur um in der Mitte zu einem der vielleicht größten Blackgaze-Moment der bisherigen Geschichte aufzubrechen. Mit eksatatischem Dur-Riffing, Stacatto-Drums und Glöckchen an der Spitze reißt in diesem Moment der Himmel auf und wenn man Glück hat, kann man ein oder zwei Engel am Firmament sehen. Ein Orgelkonzert von Johann Sebastian Bach könnte diesen Moment nicht besser wiedergeben. Definitiv der Höhepunkt des gesamten Albums. Danach folgen noch zwei ziemlich gute Songs, die jedoch im Vergleich zum eben geschehenen das Nachsehen haben. Es ist fast ein bisschen schade um sie. Wenn auch nicht um die Platte als ganzes. Denn die zeigt einmal mehr, dass Liturgy zu den besten gehören. Im Black Metal sowieso, aber auch generell. Nicht jeder Band gelingt es, so harmonisch Metal, Electronica, HipHop, Experimental und Klassik in einem Werk zu vereinen, dass gerade mal knapp über 50 Minuten geht. Und wenn Hunter Hunt-Hendrix dann mit sowas hausieren geht, ist das sein gutes Recht. Er hat mit the Ark Work einen ultimativen Hybriden geschaffen, der all den utopischen Versprechungen gerecht wird. Darüber ein Buch zu schreiben, klingt schon nach wenigen Hördurchgängen nach keiner komplett absurden Idee mehr. Hier zehn von elf Punkten zu vergeben ist bei einem solchen Epos Ehrensache. Schließlich weiß ich ja auch, worauf ich mich da drei Jahre lang gefreut habe.
11/11

Beste Songs: Kal Valhaal / Quetzalcoatl / Reign Array

Nicht mein Fall: -

Weiterlesen:
Review zu Celestite (Wolves in the Throne Room):
zum Review

Review zu Shelter (Alcest):
zum Review

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