Montag, 23. März 2015

Sargnagel

EARL SWEATSHIRT
I Don't Like Shit, I Don't Go Outside
Tan Cressida
2015















Earl Sweatshirt mag Scheiße wirklich nicht. Die letzte Woche sollte das die Musikindustrie schmerzhaft zu spüren bekommen. Über Twitter beschimpfte der MC mehrmals garstig sein Label Columbia und kündigte wutentbrannt an, seine neue Platte so schnell wie möglich auf eigene Faust zu veröffentlichen. Das Business hatte Earl stinkig gemacht und über kurz oder lang doch wieder zum Rebellen, der er vor ein paar Jahren noch war. So zumindest sollte das ganze in der Öffentlichkeit aussehen. Dass niemand so richtig wusste, was den Künstler eigentlich so wütend machte, dass er zufällig die komplett gleiche Nummer abzieht wie Death Grips vor drei Jahren und dass I Don't Like Shit... jetzt irgendwie doch auf Columbia erscheint, lassen die Sache allerdings ein wenig ungeschickt wirken. So Punk wie wir alle denken sollen, scheint der Junge am Ende nicht zu sein. Dankbar bin ich ihm trotzdem. Denn er sorgte für kurze Zeit dafür, dass es wieder mal etwas mehr Wind um eines der Odd-Future-Mitglieder gab. Seitdem Tyler, the Creator 2011 Goblin veröffentlichte, wurde jede Gelegenheit genutzt um festzustellen, wie irrelevant die gehypte Gang in Wahrheit ist. Und das entspricht meiner Meinung nach nicht der Wahrheit. Die Wende für den HipHop haben die wenigen inzwischen erschienenen Platten zwar alle nicht gebracht, waren aber trotzdem alle ziemlich gut und mitunter nah dran, doch noch das Spiel zu drehen. So zum Beispiel Doris, das letzte Album von Earl, auf dem er sich als der vielleicht talentierteste MC des Kollektivs neben Tyler herauskristallisierte. Und auch wenn er mich nicht so richtig überzeugen konnte, wollte ich doch definitiv mehr von ihm hören. Dass das jetzt so lange gedauert hat, finde ich schon ein bisschen schade. Und für zwei Jahre Wartezeit eine LP von gerade mal 29 Minuten zu kommen, ist auch nicht ganz das wahre. Aber immerhin ist sie da. Außerdem versprach sie schon von Anfang an eine ganze Menge. Als letzte Woche die erste Single Grief erschien, klang die genau nach dem, was ich mir vorgestellt hatte. In dem Song spricht er darüber, wie das Musikbusiness ihn als Künstler behandelt, räumt ein, dass er einige Songs auf Doris doof findet und verspricht auch, dass er sich für die neue Platte mehr Mühe gegeben hat. Gute Vorsätze für einen, der noch viel zu gewinnen hat. Allerdings fragt man sich, wo diese geblieben sind, sobald man I Don't Like Shit einmal gehört hat. Ich hatte am Vorgänger unter anderem kritisiert, dass er stellenweise etwas zu lethargisch geraten war und teilweise eher wie ein Hörbuch als wie ein Musikalbum klang. Ich hatte durch das immerhin interessante Grief auf Besserung gehofft, doch im Endeffekt sind viele der neuen Songs noch schlurfiger und öder sind als beim letzten Mal. Und obwohl Earl hier tolle Texte schreibt, hat er trotzdem nicht die erzählerischen Fähigkeiten eines Milo, um so etwas zu überspielen. Und wenn die müden Zeilen von Earl schon nach 29 Minuten langweilig werden, läuft definitiv etwas gewaltig schief. Ein Manko, dass leider auch die paar Gäste hier nicht wirklich ausmerzen können. Dabei sind die Features von Na-kel und Da$h gar nicht mal übel, Wiki von Ratking hingegen macht hier schon wieder alles noch schlimmer. Am Ende muss man die Hauptschuld für das ziemlich langweilige neue Album trotzdem Earl selber in die Schuhe schieben. Die große Überraschung ist dem Rapper mit dieser Platte absolut nicht gelungen. Eher die große Ernüchterung. Und wenn auch Tyler sich in Zukunft nicht mehr hauptsächlich der Musik widmen will, bedeutet das wahrscheinlich auch, dass wir Odd Future mehr oder weniger vergessen können. Denn die besten haben mittlerweile versagt. Ich bereue es trotzdem nicht, bis jetzt gehofft zu haben. Für einen kurzen Moment hatte ich noch mal Recht behalten. Das war es absolut wert.
7/11

Beste Songs: Huey / Grief / Inside / Wool

Nicht mein Fall: Mantra / AM Radio

Weiterleitung:
Review zu Doris (Earl Sweatshirt):
zum Review

Review zu A Toothpaste Suburb (Milo):
zum Review

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