Dienstag, 3. März 2015

Starke Mitte

SANNHET
Revisionist
the Flenser
2015















Als Instrumentalrock-Fan mit Leib und Seele gibt es für mich eine Regel, die beim Hören der Lieblingsmusik manchmal sehr wichtig ist: Wenn die Songs nicht so richtig greifen, muss man sie einfach viel, viel lauter machen. Mit pappigem MP3-Sound und auf Zimmerlautstärke funktioniert kein monumentaler Riff und kein Shoegaze-Mäander, da muss schon mal die nächstgrößere Ausgabe her. Eine Formel, die sich bedingt auch auf Sannhet anwenden lässt, den neuesten Fang des kalifornischen Avantgarde-Metal-Schuppens the Flenser. Die ihrerseits von der Ostküste stammende Formation legt dieser Tage mit Revisionist ihr zweites richtiges Album vor, welches ganz eindeutig den Puls der Zeit sucht. Oder hat sich das mit den vielen tollen Hipster-Metal-Acts etwa schon erledigt? Der Eindruck, dass an die großen Nummern wie Liturgy, Altar of Plagues oder Deafheaven niemand so richtig anschließen kann, verbreitet sich nach dem Jubeljahr 2013 immer mehr und eine ganze Reihe eher schwacher Trittbrettfahrer hat die Vorarbeit der Großen schnell wieder verwässert. Zuerst hatte ich auch Sannhet für so eine Band gehalten, weil ihre zwischen Black Metal, Postrock und Shoegaze angelegten Songs nicht wirklich das epische Charisma ihrer Kollegen hatte. In den schmierenden Gitarrenteppichen ging fast das komplette restliche Instrumentarium unter und die Produktion ließ die eigentlich sehr dynamischen Kompositionen im Noise-Matsch versinken. Mehr als eine mittelmäßige MP3-Kopie hörte ich da aber auch nicht. Ein weiterer Test mit besseren Lautsprechern und detaillierterem Format brachte dann aber die Einsicht: Man muss nur laut genug aufdrehen, um die Details zu hören. Und auf den zweiten Blick versteckt sich viel in diesem nur 37 Minuten dauernden Album. Da ist zum Beispiel das grandiose Schlagzeugspiel von Christopher Todd, der sich auch an Drum-Computer und anderen Mätzchen versucht. Des weiteren weißt die Band zuweilen Einflüsse aus Punkrock und Sludge auf, die etwas Licht in den von flächigen Gitarren bedeckten Klang-Urwald werfen. Das einzig blöde ist, dass man sich erst durch drei eher langweilige und nicht gerade kurze Tracks hören muss, ehe diese Spielereien zum Vorschein kommen. Wenn mit Sinking Forward und Atrium der beste Teil der Platte beginnt, ist sie auch fast schon wieder vorbei. Das ist schade, denn der richtige Punch fehlt Revisionist am Ende trotzdem noch. Ein paar mehr Details hätten das ändern können, aber Sannhet verheddern sich vorher in ihrer eigenen Wall of Sound. Wie Deafheaven klingen sie dabei nicht, eher wie Mono in superheavy. Was sie aber immer noch besser macht als die meisten Bands, die sich in den letzten anderthalb Jahren am Konzept Blackgaze versucht haben. Und an die großen Platten kommt wahrscheinlich eh keiner so schnell heran. Wir sollten uns also daran gewöhnen, jetzt das gute Mittelfeld zu hören. Vielleicht werden wir ja demnächst überrascht.
8/11

Bester Song: Atrium

Nicht mein Fall: Enemy Victorian

Weiterlesen:
Review zu Rays of Darkness / the Last Dawn (Mono):
zum Review

Review zu Sunbather (Deafheaven):
zum Review

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