Dienstag, 24. März 2015

Retro-Review: Volle Kraft voraus!

KRAFTWERK
Radio-Aktivität
Kling Klang
2015















Ich muss wieder mal eingestehen, dass ich geschlampt habe. Zwar habe ich, als ich die Kandidaten für die Umfrage zu den Retro-Reviews ausgesucht habe, nicht verhindern können, dass einige großartige Platten unter den Tisch fallen. Allerdings sind mir andere auch einfach so durch die Lappen gegangen. Und da ich diese zu besprechen nicht versäumen will, kommen jetzt noch zwei bis drei Retro-Posts hinzu. Keine Angst, die Information über aktuelle Platten bleibt oberste Priorität, diese Art von Zusatzmaterial kommt nur dann, wenn ich mal ausnahmsweise freie Spitzen habe. Zu oft sollte das nicht vorkommen. Ferner habe ich gerade auch einfach mal Lust, ein bisschen über Kraftwerk zu schreiben. Da ich ihre Musik gerade sehr intensiv höre, kam es mir sehr gelegen, dass eines ihrer wichtigsten Alben dieses Jahr seinen vierzigsten Geburtstag feiert. Einige werden mir sicherlich widersprechen, dass Radio-Aktivität im Vergleich zu anderen Platten der Düsseldorfer Band gar nicht sooo wichtig war, rein zeitlich liegt es zwischen Autobahn von 1974 und Trans-Europa-Express von 1977 eher zwischen den beiden vielleicht berühmtesten Werken der Elektro-Pioniere. Doch man muss auch anerkennen, dass die vorliegende Scheibe die beiden jeweils anderen zu dem gemacht hat, was sie im heutigen Zeitkontext sind und den Stil von Kraftwerk darüber hinaus definiert hat. Zur Erklärung: Als 1974 Autobahn erschien, nannte man die Musik, die die Band spielte, noch Krautrock. Hütter und Schneider experimentierten schon viel mit elektronischem Instrumentarium, doch Gitarren, Schlagzeug und Bass waren ebenfalls noch zu hören. Diese Symbiose sorgte für großartige Songs, doch die vier Tüftler wollten noch weiter gehen. Elektronische Musik in Reinform war das Ziel. Dafür wurde mit Karl Bartos ein weiterer Visionär rekrutiert, der sich an vielen Kompositionen beteiligte und die restlichen Mitglieder für Spielereien wie Vocoder und elektronisches Schlagzeug erwärmte. Mit ihm gelang das Experiment, ein komplettes Kraftwerk-Album mit elektronischem Instrumentarium aufzunehmen zu ersten Mal. Und wenn das kein großer Schritt ist, weiß ich auch nicht. Fast noch bemerkenswerter ist, dass Radio-Aktivität eben nicht nach überspitzter Pionierarbeit klingt, sondern die Band hier echte Hits schreibt. Stücke wie der Titelsong, Ätherwellen oder Antenne würden sich auch heute noch ganz gut im Radio machen. Und wenn man erst erfährt, wie hier in Form von Intervallen Quantensprünge und Wellenfrequenzen imitiert werden, hat man erst recht Respekt vor diesen Komponisten. Für die ersten Schritte der elektronischen Musik klingt das hier schon sehr weit entwickelt. Dieses Album macht somit auch die Bahn frei für spätere kreative Höhenflüge wie Trans-Europa-Express, Computerwelt oder die Mensch-Maschine. In gewisser Weise hat Radio-Aktivität für Kraftwerk die Prägung eines weiteren Debüts, von dem die Künstler selbst am meisten gelernt haben. Und was über kurz oder lang zum Erfolgsrezept des Elektropop wurde.

Beste Songs: Ätherwellen / Sendepause / Die Stimme der Energie / Antenne

Nicht mein Fall: Radioland

Weiterleitung:
Review zu Mannequin (Sun & Sail Club):
zum Review

Review zu Mess (Liars):
zum Review

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