Samstag, 28. März 2015

Punkrock für die Mittelschicht

LOVE A
Jagd und Hund
Rookie
2015















Wenn man bei deutschsprachigem Indie-Punk auf der sicheren Seite stehen wollte, hörte man Love A. Die waren nicht so langweilig wie Matula und Adolar, nicht so akustisch wie Clickclickdecker, nicht so Pop wie Vierkanttretlager und nicht so wild und unberechenbar wie Captain Planet. Ihre beiden ersten Alben Eigentlich (2011) und Irgendwie (2013) sowie ihre Konzerte kann man guten Gewissens sowohl jedem Deutschpunk-Fan als auch jedem Feuilleton-Leser empfehlen und hat dabei selbst auch noch das Gefühl, da eine richtig gute junge Band entdeckt zu haben. Mit Jagd und Hund soll dem jetzt ein Ende gesetzt werden. Dass die Trierer beim dritten Album ihre Komfortzone verlassen, kann der aufmerksame Beobachter schon am Titel der LP erkennen und zahlreiche Splits in den vergangenen Jahren bereiteten einen schon darauf vor, dass hier nicht alles so bombenfest sitzt wie auf den Vorgängern. Und tatsächlich: Love A driften auf Jagd und Hund auseinander. Es geht weg vom Kern aus Punk und hin zu neuen Ufern, die hier erstmal vorrangig Indiepop und Deutschpop heißen. Viele der Songs sind gediegener, es wird mehr gesungen als geschimpft und auch die Haltung der Band hat sich in den letzten Jahren gewandelt. Das Medium Punk wird hier nicht mehr nur aus der Ich-Perspektive angesprochen, sondern sorgfältig von allen Seiten ausgeleuchtet. Man kann das als Beginn der Biederkeit sehen, aber auch als Reifungsprozess. Für ihre umfassende Sicht der Dinge hier gehen Love A nämlich auch Risiken ein. Den Unmut der Szene-Hardliner und die Sympathie nationalsozialistischer Blogs haben sie sich schon beim letzten Album zugezogen. Das in die richtige Richtung zu koordinieren, ist nun die Aufgabe von Jagd und Hund. In seinen Texten setzt sich Jörkk Mechenbier gegen Radikalisierungstendenzen ein und fordert das einzig vernünftige: Erst denken, dann handeln. Musik für FDP-Wähler ist die Platte deshalb lange noch nicht. Love A fangen beim Verändern bloß bei sich selbst an. Das heißt dann auch mal Songs, die an Tocotronic erinnern, Synthie-Einflüsse und balladeske Strukturen. Besonders toll finde ich diese Entwicklung zwar nicht, doch sie ist wenigstens konsequent. Es ist und bleibt eben das dritte Album. Ich will nicht sagen, dass es das schlechteste der Band bisher ist, sondern eher das gewöhnungsbedüftigste. Große Abenteuer waren bisher nicht das Metier von Love A. Das soll aber nicht heißen, dass das nicht noch werden könnte. Hier geht die Popsong-Variante der Trierer noch an einigen Stellen schief, doch sie lernen hier auch schon, wie das richtig geht. Geben wir ihnen noch zwei Jahre Zeit und sie haben sich vielleicht komplett neu erfunden. Was ihr Publikum währenddessen macht, ist allerdings noch unklar. Wobei an guten deutschen Punk-Acts ja weiß Gott kein Mangel besteht. Die benutzerdefiniert besten Optionen stehen in diesem Post ganz oben.
7/11

Bester Song: Der Beste Club der Welt

Nicht mein Fall: Stagnation

Weiterleitung:
Review zu Auf Allen Festen (Matula):
zum Review

Review zu die Kälte der neuen Biederkeit (Adolar):
zum Review

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