Donnerstag, 28. Juli 2022

Zwischen Phoebe und Olivia

beabadoobee - Beatopia
BEABADOOBEE
Beatopia
Dirty Hit
2022

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ indiefolkig | verspielt | naiv ]

Schon als ich vor anderthalb Jahren im Rahmen ihres Debütalbums Fake It Flowers zum ersten Mal über Beabadoobee schrieb und dabei vor allem darüber sprach, wie harmonisch sie sich klanglich in die wachsende Riege talentierter junger Indiekünstler*innen der Sorte Soccer Mommy, Snail Mail und Julien Baker einfügte, hatte ich mehr als ein diffuses Gefühl, dass die Londonerin jemand sein würde, der diese Art von Rockmusik mittelfristig auch in den Mainstream bringen könnte. Und wäre es nicht um die umfassende Adaption ebendieser Trends gewesen, die letztes Jahr Leute wie Willow und Olivia Rodrigo voranbrachten und damit einfach effizienter waren, dann wäre Beabadoobee mittlerweile vielleicht schon sowas wie ein Popstar. Egal wie erfolgreich das bisherige Konzept der Britin aber bis dato war, der weitere Verlauf ihrer Karriere wäre aus rein marketingtechnischer Sicht von hier aus leicht vorherzusagen gewesen: Sich mit mehr von der gleichen Musik an den bestehenden Trend heften, vielleicht noch ein paar gezielte virale Momente auf Tiktok streuen, vielleicht ein gut platziertes Feature hier und da und der Laden würde schon irgendwie laufen. Die gute alte MGK-Nummer eben. Doch ist war es eben auch schon eine der Eigenschaften des Debüts von Beabadoobee, das sie eigentlich zu gut gewesen wäre für diese Art von Business-Tretmühle und vor allem anderen ihre künstlerische Autonomie schätzt. Und obwohl ihr zweites Album Beatopia gute neun Monate später auch kein experimenteller Stilbruch oder irgendwas dergleichen ist, spürt man doch, dass diese junge Frau mehr sein will als nur der mainstreamtaugliche Teil eines Movements. Weshalb sie auf LP Nummer Zwei ingesamt nicht nur deutlich ruhiger und rudimentärer klingt, sondern an vielen Stellen auch mit neuen, nicht selten deutlich unpoppigeren, Ästhetiken spielt. Auch wenn man das vielleicht nicht auf den ersten Blick merkt. Vor allem der erste Teil der Platte hat in Songs wie 10:36 oder See You Soon noch die typische Pop-Punk-inspirierte Singlepower, die man von Bea an diesem Punkt erwarten würde und ist damit fürs erste auch ziemlich vorhersehbar. Erst ab etwa Ripples bekommt die Platte dann zunehmend einen gewissen spielerischen Drift, der sich zunehemend auch in etwas ungewöhnlichen Songwritingentscheidungen äußert. Da gibt es mit the perfect pair einen auf einem Jazzmotiv basierenden Track, mit You're here that's the thing eine augenzwinkernde Kitschballade, die mich extrem an ganz olle Cardigans-Nummern erinnert und mit Pictures of Us eine vollwertige Mathrock-Nummer irgendwo zwischen American Football und Black Country, New Road, die auch nicht vor opulenten Banjo- und Trompetenparts zurückschreckt. Wenn es aber eine Künstlerin gibt, der auf großen Teile dieses Albums stärker als alles andere einen Einfluss ausübt, dann ist das definitiv Phoebe Bridgers, insbesondere ihre letzte LP Punisher. Und obwohl all diese Inspirationen klangästhetisch schon aus eine etwas andere Ecke kommen als die, aus der Beabadoobees Musik bisher zehrte, wirkt es doch trotzdem nicht unlogisch, dass sie sich hier solchen Sachen zuwendet. Denn nicht nur steht sie ihrem kompositorischen Konzept fantastisch zu Gesicht und verbindet sich gut mit den Resten von Emorock und Pop-Punk, die hier ebenfalls noch stattfinden, sie zeigt die Britin auch ein weiteres Mal als Künstlerin, die fantastisch daran ist, Impulse aus dem Indierock aufzunehmen und diese auf eine Weise kommerziell verwertbar zu verformen, dass sie trotzdem nicht gleich belanglos werden. Und obwohl man ihr dabei durchaus ein bisschen vorwerfen könnte, nicht gerade die originellste Künstlerin zu sein, ist das in ihrer Sparte des Indierock erstens eh ein bisschen scheinheilig, weil am Ende alle bei Liz Phair geklaut haben und zweitens auch egal, weil sie letztlich trotzdem als Songwriterin überzeugt. Mit dem kleinen Bonus, dass sie hier auch nicht mehr ganz so pubertär und adoleszent klingt wie auf ihrem Debüt, dabei aber trotzdem immer noch das Zeug hat, ein Popstar zu werden. Auch ohne sich dafür anbiedern zu müssen.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11


Persönliche Höhepunkte
Ripples | the perfect pair | broken cd | Talk | Lovesong | Pictures of Us | fairy song | You're here that's the thing

Nicht mein Fall
don't get the deal


Hat was von
Phoebe Bridgers
Punisher

Willow
Lately I Feel Everything


1000kilosonar bei last.fm  

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