Montag, 25. Juli 2022

Schlafloser Westside

Westside Gunn - Peace
WESTSIDE GUNN
Peace "Fly" God
Griselda
2022

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ gemächlich | ostküstig | collagesk ]

Es ist definitiv keine bewusste Absicht gewesen, dass Westside Gunn von allen MCs der Griselda-Bande bisher derjenige ist, über den ich auf diesem Format am wenigsten geschrieben habe, beziehungsweise von dessen Output ich im Verhältnis die meisten Platten ausgelassen habe. Sowohl zu seinem 2020er-Album Pray for Paris als auch zu seiner zweiteiligen Hitler Wears Hermes 8-Serie vom letzten Jahr (die man im Nachgang sogar fast als sein bisherigen Opus Magnum bezeichnen könnte) habe ich auf diesem Format zu keinem Zeitpunkt Besprechungen verfasst (lediglich kleine Vignetten in meiner Senf-Rubrik auf Rateyourmusic existieren dazu) und kann an diesem Punkt nicht mal wirklich sagen, warum eigentlich. Zu keiner Zeit befand ich seinen Output für effektiv schwächer als den der anderen Rapper seiner Crew und unzufrieden war ich mit ihm nie. Vielleicht lag es daran, dass er von allen Mitgliedern des engeren Zirkels derjenige war, der am meisten einfach den Stiefel der frühen Griselda-Alben weiterspielte und seinen Sound am wenigsten variierte, eine wirklich gute Rechtfertigung ist das aber nicht. Umso schöner also, dass ich hier stattdessen mal wieder einen guten Grund habe, über eine LP (oder in diesem Fall ein Mixtape) aus seiner Feder zu schreiben, denn wenn ich mir den Katalog der Crew in dieser Saison so anschaue, dann ist dieses neue Album von ihm bisher sicherlich das beste darunter. Und das nicht nur deshalb, weil die Projekte seiner Kollegen Benny the Butcher und Conway the Machine in den letzten Monaten nicht unbedingt deren kreative Hochform wiederspiegelten, sondern vor allem deshalb, weil Peace "Fly" God tatsächlich auch ein für sich interessantes Stück Musik ist, das mich nach einiger Zeit der relativen Gleichgültigkeit für die Marke Griselda wieder ein bisschen aufhorchen lässt. Und das obwohl es in vielerlei Hinsicht ein denkbar minimalistisches und fast schon stumpfes Tape ist, mit dem auch ich mich erstmal warmhören musste. Denn nicht nur führt es die 'klassischen' Sounds, Thematiken und Elemente des New Yorkers ziemlich stringent und stoisch fort, es bricht diese auch noch auf ein sehr unausgeschmücktes und rudimentäres Maß herunter, das im ersten Moment sicherlich ein bisschen monoton wirken kann. Unter allen Griselda-Platten der letzten Jahre ist es dabei zudem das gefühlt langsamste und behäbigste und der großzügige Einsatz ätherischer Drumless-Beats fördert noch mehr einen etwas einlullenden Vibe. Und zunächst dachte ich deshalb, Westside wäre hier einfach nur ziemlich schnarchig unterwegs und quasi von seiner eigenen Musik gelangweilt. Was dadurch jedoch passiert und was ich erst nach und nach feststellte, ist eine sehr diffuse und fast schon experimentelle klangliche Ästhetik, die mich sehr an neuere Alben von Billy Woods und Ka erinnert und die ich deshalb am Ende doch ziemlich cool fand. Zumal es es Westside außerdem gelingt, die vokalistischen Parts des Tapes auf originelle Weise aufzusplitten und sich die Fackel vieler Songs mit fantastisch platzierten Gastperformances (von denen leider keine gescheit in den Credits aufgeschlüsselt wird und ich deshalb nur raten kann, von wem sie letztendlich eigentlich kommt) und stimmigen Samples aufzuteilen, die jede Menge zur patchworkigen Ästhetik der LP beitragen. Was dadurch entsteht ist die Wirkung einer sehr kohärenten und künstlerisch stilbewussten Hiphop-Collage, die durchaus ihre Längen hat (mit Jesus Crack ist hier ein insgesamt achtminütiger Track dabei), diese aber auch zu nutzen weiß. Und es dadurch tatsächlich mal wieder schafft, mir den typischen Griselda-Trott nochmal als einigermaßen innovativ und spannend zu verkaufen. Was eine Sache ist, die die beiden anderen Jungs aus der Crew zwar auch schon auf ihre Weise versucht haben, dabei aber in meinen Augen nie so erfolgreich waren wie Westside hier. Und damit kommr er definitiv zum richtigen Zeitpunkt, denn nochmal ignoriert hätte ich eine seiner Platten nun wirklich nicht gerne.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11


Persönliche Höhepunkte
Peace Flygod | Jesus Crack | Ritz Barlton | Big Ass Bracelet | Derrick Boleman | Open Praise | Danhausen | Flip V. Phil

Nicht mein Fall
-

Hat was von
Billy Woods
Today, I Wrote Nothing

Action Bronson
Mr. Wonderful


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