Donnerstag, 21. Juli 2022

Das Leben, das Universum und der ganze Rest

Klaus Schulze - Deus Arrakis
KLAUS SCHULZE
Deus Arrakis
SPV
2022
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ kosmisch | ätherisch | fließend ]

Es wäre ein leichtes, Deus Arrakis nach dem kürzlichen Ableben von Klaus Schulze als sowas wie das erste posthume Album des Electronica-Pioniers abzutun und zu behaupten, es wäre das erste Album, das technisch gesehen seinem Nachlass zuzuordnen ist, nur weil es ein paar Monate nach seinem Tod erscheint. Bloß würde man damit nicht nur offensichtliche Fakten ignorieren, man würde in gewisser Weise vor allem die tragische Schönheit verkennen, die eine LP wie diese dadurch mitbringt, dass sie genau das nicht ist. Denn als letzte Musik, die Schulze (vermutlich) noch zu Lebzeiten aufnahm und komponierte, hat sie tatsächlich nochmal eine besondere Größe und Tragweite, die es fast schon ein bisschen absichtlich erscheinen lässt, dass diese LP hier der strahlende und monumentale Abschluss seiner Diskografie sein würde. In Form eines Albums, das gerade in der Spätphase seines Schaffens nochmal zu seinen ambitionierteren Projekten gehören dürfte und darüber hinaus ironischerweise auch thematisch eine besondere Tragweite ob des Ablebens von Schulze hat. Denn zumindest der Titelgebung der einzelnen Movements zufolge kann man Deus Arrakis durchaus als eine LP interpretieren, in denen der Berliner ausführlich die Themen Leben, Tod, Jenseits und Diesseits verhandelt. Und wo solcherlei esoterische Andockpunkte natürlich auch schon immer Stilelemente seiner Musik waren und es für ihn auch nicht ungewöhnlich war, damit auf Überlängen von 70 Minuten oder mehr zu kommen, ist die Zusammenstellung mancher Parameter auf Deus Arrakis schon eine andere Sache als auf vielen seiner letzten Projekte, die doch eher pragmatischer Natur waren. Dass der große Chefdenker der Berliner Schule und von Projekten wie Tangerine Dream und Ash Ra Tempel hier also mit so einem meditativen Aufzug über das Leben an sich abtritt, hat schon etwas bedeutungsvolles. Und musikalisch gut gemacht ist das ganze Ding am Ende sowieso. Zumindest dann, wenn man die Musik von Klaus Schulze auch schon in den letzten 40 Jahren mochte. Sein typisch weitläufiger und ätherischer Sound aus modularen Synthesizern klingt hier nochmal mehr denn je nach fremden Himmelskörpern und der Dunkelheit zwischen den Sternen und ist als solcher Protosynth-Fanservice im besten Sinne. Jedes der drei Movements Osiris, Seth und Der Hauch des Lebens fühlt sich an wie ein in sich geschlossenes Set, in dem Schulze auch unterschiedliche Dinge ausprobiert und die alle ihren eigenen Charakter haben. So kontert Seth die verhältnismäßig leichtfüßige und ambiente Note von Osiris durch einen etwas düstereren Sound, der auch durch clevere Violinenparts ergänzt wird und die die abschließende Suite von Der Hauch des Lebens anschließend wieder maximal seicht und harmonisch - inklusive idyllischer Field Recordings von Insekten und Blätterrauschen - ausklingen lässt. Wer solche Feinheiten aber ignorieren will, für den funktioniert Deus Arrakis auch wunderbar als spaciger und meditativer Einteiler, der die Unbegrenzheit des Universums auch ganz entspannt nebenbei ins Wohnzimmer bringt, wo man sich herrlich von ihr besäuseln lassen kann. Gutes Audioequipment ist dabei auf jeden Fall von Vorteil, denn fantastisch produziert ist die Platte obendrein und verdient es auch, das bestmögliche Setting zu bekommen. Was sie an diesem Punkt nicht nur zu einem guten letzten Stück Musik eines legendären Genrepioniers macht, mit dem man nochmal ausführlich über dessen künstlerisches Vermächtnis sinnieren kann, sondern an diesem Punkt auch nochmal zu einem guten Einstieg für Leute, die das Oeuvre von Klaus Schulze vielleicht nicht so gut kennen. Ich selbst bin da das beste Beispiel, da ich von ihm bis hierhin nur ein paar verstreute Sachen von Tangerine Dream und Ash Ra Tempel kannte, hier aber nochmal richtig auf den Geschmack gekommen bin. Klar ist es dabei tragisch, dass der Anlass dafür ausgerechnet sein Tod sein musste, doch war es wahrscheinlich besser, ihn hier mit diesem Album nochmal neu zu entdecken als mit einem seiner okayen letzten Sachen. Und auch wenn es schade ist, in Zukunft eben nichts mehr neues von Schulze zu hören, gibt es von hier an rückwärts über 60 Longplayer von ihm (alleine Studioalben, Nebenprojekte sowie Bands noch nicht mal mitgerechnet), auf die ich mich bei Gelegenheit stürzen kann. Ganz zu schweigen von den vielen Archivplatten, die in den nächsten Jahren höchstwahrscheinlich sehr zahlreich ausgegraben werden. Wenn man so will, fängt das Abenteuer Klaus Schulze für mich also gerade erst so richtig an.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11


Persönliche Höhepunkte
Osiris Pt.1 | Osiris Pt. 2 | Osiris Pt. 3 | Osiris Pt. 4 | Seth Pt. 3 | Seth Pt. 4 | Seth Pt. 5 | Seth Pt. 6 | Seth Pt. 7 | Der Hauch des Lebens Pt. 1 | Der Hauch des Lebens Pt. 2 | Der Hauch des Lebens Pt. 3

Nicht mein Fall
-


Hat was von
Jean Michel Jarre
Equinoxe Infinity

Steve Roach
Structures From Silence


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