Samstag, 30. April 2022

Keep Them Coming

billy woods - Aethiopes
BILLY WOODS
Aethiopes
Backwoodz
2022

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ finster | abstrakt | eloquent ]

Obwohl es zu diesem Zeitpunkt inzwischen auch schon zweieinhalb Jahre her ist, dass Billy Woods sein letztes richtiges Soloalbum veröffentlicht hat und der Output des New Yorkers im Vergleich zu seinen krassesten Zeiten gerade wieder ein bisschen an Tempo eingebüßt hat, fühlt es sich im Frühjahr 2022 schon ein bisschen ermüdend an, hier schon wieder eine Platte von ihm zu besprechen. Denn zählt man allein mal alle Projekte zusammen, die mit seinem Namen auf dem Cover seit dem offiziellen Vorgänger Terror Management vom Herbst 2019 erschienen sind, fällt es schon ein wenig schwer, bei einem Katalog wie dem seinen nicht den Überblick zu verlieren. Da wären zum einen die Platten seiner Band Armand Hammer, von denen es in den letzten Jahren immerhin zwei gab (die separat veröffentlichten Instrumentalversionen einiger alter Sachen nicht mitgerechnet), zum anderen auch die gemeinsame LP mit Moor Mother aus den letzten Wochen von 2020, mit der Woods noch ganz nonchalant das wahrscheinlich beste Album seiner bisherigen Karriere machte, ohne dass es jemand mitbekam. Und dass just dieses Wochenende schon wieder das nächste Werkstück von Armand Hammer auf dem Plan steht, sollte man dabei vielleicht auch nochmal erwähnen. Man kann also definitiv sagen, dass gerade schon wieder ordentlich was los ist im Hause Backwoodz und dass hier auf diese Weise ein Event das andere jagt, kann dann schonmal überfordernd werden. Und das obwohl wir hier ganz klar von einem der in meinen Augen besten Rapper der letzten zehn Jahre sprechen, der in dieser Zeit für so manche Herzensplatte von mir verantwortlich war. Wenn ich aber ehrlich bin, kann ich über diesen Umstand auch nicht mehr als grundlos jammern und mich insgesamt eigentlich nicht beschweren. Denn anders als bei Bands wie King Gizzard oder Motorpsycho, bei denen unter dieser Fleißarbeit mitunter gehörig die Qualität leidet, droppte Woods zuletzt ein Highlight nach dem anderen und überraschte mich sogar immer wieder mit neuen kreativen Ideen und inhaltlichen Quirks, die ich von ihm so lange nicht gehört hatte. Und Aethiopes als neuestes Ergebnis dieser künstlerischen Strähne tut diesem hervorragenden Qualitätsmanagement auch definitiv keinen Abbruch. Als geistiger Nachfolger des großartigen Brass-Albums nimmt es vor allem viele der musikalischen Ideen von dort wieder auf und importiert diese zwar auch wieder ganz klar in den düster-unterdrückten Jazzrap-Sound seiner solistischen Arbeiten, der dabei aber trotzdem in einer selten gesehenen Vielfalt aufblüht. Da gibt es prominent platzierte Dub-Momente in Versailles und Protoevangelium, Sauvage hat diesen krass verschachtelten Beat mit gefühlt tausend unterschiedlichen Samples, NYNEX und Heavy Water sind extrem bratzig und erinnern in ihrer Aufgekratztheit fast schon an Clipping oder Dälek und dass es überall eingeschnittene Sprachsamples und irgendwelche frickeligen Noise-Elemente gibt, hat Woods sicherlich auch nicht von ungefähr übernommmen. Womit er das bisher größte Problem seiner früheren Platten, nämlich dass diese manchmal ein bisschen monoton und langatmig waren, am Schopf gepackt hat und hier zu seinen Gunsten umgedreht. Klar, besonders zugänglich klingt er am Ende trotzdem nicht, aber er hat die Schrauben eben an den richtigen Stellen gedreht. Und ein Sound der nicht komplett nokturnal und bitterböse ist, würde jemanden wie ihm ja wahrscheinlich auch gar nicht stehen. Denn worüber sonst könnte man schließlich so eloquent-verschachtelte und hoffnungslos nerdige Lyrics rappen, wie Woods es hier ein weiteres Mal tut und dabei gefühlt mit jedem Album noch ein bisschen nischiger und unverständlicher wird. Dass den Texten des New Yorkers der Ruf vorauseilt, ganz besonders verklausuliert und nachschlagebedürftig zu sein, ist für einigermaßen mit seinem Oeuvre vertraute an diesem Punkt sicherlich keine neue Info und ich will an diesem Punkt auch wirklich nicht behaupten, ich würde irgendetwas auf dieser LP ohne die entsprechenden Fußnoten verstehen. Doch gibt es eben zwischendurch auch immer wieder Zeilen wie beispielsweise "Never told the truth in your life? / Can't start now" in Asylum, die mich trotzdem irgendwie packen und auch mal ohne den ganzen Kontext funktionieren. Und dass Woods ganz einfach ein technisch guter Wortakrobat ist und in seinen Songs fantastisch erzählen kann, weiß ich ja sowieso. Weshalb ich unterm Strich mal wieder ziemlich baff bin, wie wenig mich nach all diesem Bombardement mit Content auch dieses Album noch nervt und wie ich es am Ende sogar effektiv bereichernd finde. Nicht nur für mich selbst, sondern in erster Linie auch für die Diskografie seines Schöpfers - trotz aller Übersättigung. Wenn ich ehrlich bin finde ich sogar, dass ihm hier mal wieder ein echtes Highlight gelungen ist, das er solo zuletzt 2015 auf Today, I Wrote Nothing hatte. Und das ist ja nun wirklich schon eine ganze Weile her.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11

Persönliche Höhepunkte
Asylum | No Hard Feelings | Wharves | Sauvage | NYNEX | Christine | Heavy Water | Haarlem | Versaillles | Protoevangelium | Remorseless | Smith + Cross

Nicht mein Fall
-


Hat was von
Ka
A Martyr's Reward

Conway the Machine
God Don't Make Mistakes


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