Montag, 4. April 2022

Am Ende aller Kämpfe

RED HOT CHILI PEPPERS
Unlimited Love
Warner
2022

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ dadrockig | einfältig | ruhig ]

Es ist in den letzten Jahren unter den Musikfans dieser Welt ein bisschen eine Sache geworden, sich über die Red Hot Chili Peppers lustig zu machen und ihnen im Nachgang ihrer erfolgreichsten Jahre als Band an manchen Punkten den Status streitig zu machen, den sie in nunmehr fast vier Jahrzehnten Karriere aufgebaut haben. Und ich kann tatsächlich auch ein bisschen verstehen, wo dieser ganze Stunk herkommt. Die Kalifornier wurden in den Achtzigern als weitestgehend weiße Band berühmt, die ziemlich ungeniert den Funk der Siebziger appropriierte und damit um einiges erfolgreicher war als viele POC-Künstler*innen, ihre problematischen Eskapaden während dieser Zeit sind seit Ewigkeiten der Stoff von Legenden und dass Anthony Kiedis furchtbare Texte schreibt, war 1983 genauso ein Stigma wie es das 2022 ist. Vor allem aber haben wir es hier mit einer Formation zu tun, die wie wenige andere seit über 30 Jahren die Charts dominiert und darin über lange Zeit einfach ein bisschen zu omnipräsent war. Und dass sie spätestens ab den Zwotausendzehnern mit dem erneuten Weggang von John Frusciante etwas sanfter und weniger dominant wurden, gab vielen den entscheidenden Anlass, ihrer Genervtheit endlich Luft zu machen und zu behaupten, das alles sei ja eigentlich nur eine gigantische Blase gewesen. Wobei ich bisher eigentlich immer jemand war, der diesem Spott argumentativ entgegenzutreten versuchte und ihre letzte Phase seit I'm With You von 2011 nach wie vor als eine ihrer musikalisch besten verteidigt. Sicher, Josh Klinghoffer war als Plan-B-Gitarrist kein so großer Gewinn für die Band wie es Dave Navarro in den Neunzigern war, dafür gelang es in vielen Momenten der letzten Dekade aber, die Kompetenzen des typischen Peppers-Songwritings auf andere Bereiche umzuleiten und dass beide Platten dabei ein bisschen ruhiger waren, machte Platz für eine neu geartete Kreativität in der Gruppe. Dass 2019 dann aber doch wieder der verlorene Sohn John Frusciante zurückkehrte und so ein weiteres Kapitel seiner ewigwährenden On-Off-Beziehung mit den Peppers einläutete, markierte aber natürlich ein Ende dieser Periode und schürte bei vielen Skeptiker*innen der Klinghoffer-Platten neue Hoffnung. Und in gewisser Hinsicht glaubte auch ich zuletzt, dass die damit einhergehende Veränderung eine positive sein konnte. Nicht nur deshalb, weil Frusciante ganz offensichtlich ein fantastischer Songwriter ist, der hier wieder für eine Band in den Ring steigt, mit denen er erfahrungsgemäß gut zusammenarbeitet, sondern auch weil ihm mit Flea hier ein in den letzten Jahren als Hauptkompositeur erstarkter Kollege zur Seite steht, was insgesamt eine spannende kollaborative Energie erzeugen könnte. Und Vorfreude hatte ich auf Unlimited Love, das immerhin das erste Album der Peppers seit 2016 sein würde, schon allein der Sache wegen. Wobei mich auch die Aussicht darauf, dass es ästhetisch wohl ein etwas ruhigeres Stück Musik werden würde, nicht abschreckte. Schließlich sind die Kalifornier hier alle keine Zwanzig mehr und ein ähnlicher Ansatz hatte auf the Getaway beim letzten Mal schon ganz gut funktioniert. Ein bisschen ist es mir gerade deswegen aber auch so unbegreiflich, wieso die fertige LP nun so dermaßen verbockt wurde und die Peppers alle dämlichen Dadrock-Fettnäpfchen, die sie bisher so geschickt umschifften, mit besorgniserregender Präzision mitnehmen. In seinen nicht gerade tighten 17 Tracks in 73 Minuten klingt Unlimited Love weniger nach dem neuen Californication (das ja in den Zwotausendern auch nach dem Wiedereinstieg von Frusciante kam) als viel mehr nach einem Rückbezug auf das aufgeblasene Stadium Arcadium, das diesmal allerdings nur aus dessen schnarchigsten Durststrecken und Füllersongs besteht. Schon die drei vorab veröffentlichten Singles Black Summer, Poster Child und Not the One machten als eher schmachtige Midtempo-Nummern im Vorfeld keinen guten Eindruck und ließen den starken Aufhänger, den die Peppers in den vierzig Jahren bisher eigentlich nie verkackt hatten, ziemlich vermissen. Wo ich da aber irgendwie noch die Hoffnung hatte, dass sich das vielleicht wie beim letzten Mal in Form eines ruhigen aber in sich kreativen Gesamtwerks ergeben würde, ist vieles hier am Ende einfach nur lahmarschig und ideenlos. So gut wie jedes der 17 Stücke klingt quasi identisch und besteht in einer maximal ausgelaugten und unmotivierten 101-Version des typischen Zwotausender-Songwritings der Peppers, das in meinen Augen schon damals ein bisschen zu sehr auf Frusciante baute. Denn der gibt der Platte mit seinen charakteristisch sonnigen Riffs und Solierungen zwar durchaus ein wohliges Nostalgiegefühl, das aber so gut wie nie durch ein tatsächlich starkes Songwriting ergänzt wird und somit am Ende nichts bringt. Und wo es auf den letzten Alben dafür einen angezeckten Flea gab, der mit Pianomotiven und Jazz-Einflüssen spielte, ist der hier wieder in die Position eines kooperativen Dienstleisters degradiert wurden, in der er quasi nichts beiträgt und einfach brav und bunthaarig seinen Bass verdrischt wie immer. Einen Chad Smith oder Anthony Kiedis könnte man mit ernsthafter kreativer Arbeit ja sowieso nicht betrauen, weshalb diese hier letztlich an den meisten Punkten einfach nicht stattfindet und die Peppers sich stattdessen gemeinsam in eine gemütliche Decke aus bewährter Gewohnheit einlullen, die gerade genug Fanservice ist, dass sie die konservativen Californication-Erfolgsfans ruhig stellt, ansonsten aber nichts leistet. Klar gibt es mit den jazzigen Bläsersetzen in Aquatic Mouth Dance und der ernsthaft rockigen Hook von the Heavy Wing (großartig gesungen von Frusciante!) einige vereinzelte Lichtblicke, letztlich reden wir hier aber nichtmal von ganzen Songs, was die Sache also auch schon wieder müßig macht. Und betrachtet man die Platte mal als Ganzes, macht mich schlussendlich auch vor allem die allgemeine Feststellung traurig, dass es eben die erste der Peppers ist, die sich effektiv rückschrittig anfühlt. Wenn ich eine Sache an den beiden Klinghoffer-Alben der Band geschätzt habe, dann wie ehrenwert sich die Kalifornier darauf gegen die natürliche Entwicklung wehrten, alt und bedeutungslos zu klingen und wie sie dabei auch nie krampfig wirkten. Fünf Jahre später klingen sie nun nicht nur alt und bedeutungslos, sie wirken dabei trotzdem krampfig und zu meinem besoneren Entsetzen auch ein bisschen so, als hätten sie schon lange aufgegeben. Beziehungsweise gibt es wahrscheinlich einfach keine Herausforderungen mehr, die diese Band noch stemmen müsste, weshalb sie hier endgültig gemütlich werden. Und wo ihn ihnen das nach so viel Drama und einer so erfolgreichen und langen Karriere auch irgendwie gönne, ist es trotzdem schade, sie hier so blamiert und geschlagen zu sehen. Denn wie gesagt: Missgünstig möchte ich den Red Hot Chili Peppers gegenüber definitiv nicht sein. Ich muss es hier nur leider.

🔴🔴🔴🟠⚫⚫⚫⚫ 04/11

Persönliche Höhepunkte
Aquaric Mouth Dance | She's A Lover | the Heavy Wing

Nicht mein Fall
Poster Child | the Great Apes | It's Only Natural | These Are the Ways | Bastards of Light | Veronica


Hat was von
Incubus
8

Blur
the Magic Whip


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