Montag, 25. April 2022

1000kilosonars Oldies: Meine Lieblingsplatten 1966



existence to the end / of the beginning

Wenn man mich nach meiner ganz persönlichen, subjektiven Einstellung fragt, dann ist 1966 schon sowas wie das eine goldene Jahr des Sechzigerpop, das im Nachhinein am meisten die Art von Musik repräsentiert, die ich mit dieser Dekade verbinde. Der perfekte Sweet Spot zwischen British Invasion, Blues, Folk Revival und Summer of Love, das große Jubeljahr des Freak Beat und Mod, der optimale Schnittpunkt zwischen der zuckerzarten Pop-Sensibilität der frühen Sixties und dem experimentellen Sockenschuss der Hippie-Ära kurz danach. Dass es dabei eher ein softer Übergang zwischen diesen definierenden Phasen des Jahrzehnts ist als eine definierte Momentaufnahme, ist eine Feststellung, die ich in dieser Art von Posts nicht zum ersten Mal machen musste und die bestimmt auch nicht das letzte Mal stattfindet. Doch kann ich im Falle dieses Jahres das erste Mal wirklich sagen, dass es beim Anhören der vielen Platten aus dieser Saison eine gewisse Grundsumme an Werken gab, die ein gemeinsamer Spirit und eine Ästhetik verbindet, die ich als irgendwie definierend für diese Zeit in der Popmusik emfinde. Eine Aura von kreativer Befreiung, von künstlerischem Optimismus und von einer zaghaften Wildheit, die auch Teil einer wichtigen emanzipatorischen Haltung ist. Wobei die wichtigsten Impulse selbiger stärker denn je aus Richtung der britischen Inseln kommen. Dort haben die Bands der ersten Generation British Invasion wie the Kinks, the Who, the Yardbirds und die Rolling Stones sich inzwischen musikalisch gefestigt und wachsen Jahr für Jahr mit ihren Möglichkeiten. Was viele dieser Bands spätestens 1966 dazu antreibt, erste große Gesamtwerke wie A Quick One oder Roger the Engineer zu veröffentlichen, die sich auch trauen, ein bisschen freaky und verkunstet zu sein. Wobei die zwei größten Player in dieser Hinsicht, die Beatles und die Beach Boys, gedanklich schon viel weiter sind und mit Revolver und Pet Sounds die ersten großen Maßsteine für das setzen, was in den Folgejahren als Psychedelic Rock in die Geschichte eingehen wird. Und obwohl nur eines dieser Alben letztendlich auch in dieser Liste auftaucht (Sorry, aber die wirklich spannenden Platten der Beatles kommen meiner Meinung erst noch), sind sie doch maßgebliche Trendsetter für alles, was danach kommt. Wobei sie in meinen Augen auch durchaus nicht die einzigen sind, die in dieser Hinsicht sehr progressiv denken. So ist das bereits angesprochene A Quick One von the Who für mich an manchen Stellen ein sehr viel gewagteres musikalisches Statement als das Zeug der Beatles und Beach Boys und die junge Gruppe Cream um einen grünohrigen Eric Clapton treibt ihren gepfefferten Bluesrock schon ein gewaltiges Bisschen in Richtung des Acid Rock der beginnenden Siebziger. Wobei in diesem Bereich der Rockmusik 1966 erstmal eher von klassischen Garagengruppen wie den Monks, den Sonics und den Seeds dominiert wird, denen die schwurbelige Psychedelik vieler Kollegen herzlich egal ist und die hier eher die Fundamente dafür setzen, was gut eine Dekade später die Knospen der Punk-Bewegung wieder aufnehmen. Blues ist dabei ebenfalls weiterhin eine Szene mit starker Triebkraft, die nicht zuletzt auch durch viele jüngere Rockbands wieder aufgenommen wird, die sich den Idealen alternder Größen wie Muddy Waters, John Lee Hooker oder Howlin' Wolf verschreiben. Und dass das legendäre Genrelabel Chess Records 1966 seine glorreiche Archivplattenserie Real Folk Blues mit alten Aufnahmen von fünf Blues-Verteranen veröffentlicht, tut sein übriges. Jazz indes taucht zumindest in meiner Liste hier kaum noch auf und wenn man die Fäden hier zusammenzieht, merkt man auch, dass für die großen Idole der frühen Sechziger hier langsam eine dunkle Zeit beginnt: Charles Mingus und Miles Davis befinden sich beide in größeren Sinnkrisen und Schaffenspausen, die junge Garde ihres einstigen Nachwuchses flüchtet sich wahlweise in die Avantgarde oder den Sellout und John Coltrane, lange der schillernde Vordenker der Bewegung, wird nur ein Jahr später sterben. Die unschöne Seite einer Zeitenwende, die aber nichtsdestotrotz ein wichtiger Teil davon ist.



...but let's talk about it

Man hätte es aufgrund des bisherigen Trends innerhalb der Oldies-Rubrik und auch aufgrund meiner zuoberst angesprochenen Leidenschaft für viele musikalische Phänomene aus dieser Zeit schon erraten können, aber meine Liste ist schon wieder ordentlich gewachsen. 30 Einträge habe ich hier diesmal zusammengefasst und dabei schon einiges ausgelassen, über das ich sicherlich gerne hätte reden wollen (*hust* Revolver *hust*). Am Ende fühlt sich das hier aber wie eine Sammlung von Platten an, die ich wirklich ohne Vorbehalte empfehlen will und die mir ganz einfach richtig viel Spaß gemacht haben. Komplizierter als das ist es grundsätzlich nicht und abgesehen von meinen üblichen Disclaimern habe ich dem eigentlich nichts mehr hinzuzufügen:

1. Diese Liste ist zu 100 Prozent subjektiv und reflektiert nicht mehr und nicht weniger als meine eigene Auffassung. Wenn etwas hier nicht auftaucht, kenne ich es entweder nicht oder ich fand es nicht so nennenswert, dass es hier auftaucht

2. Diese Liste ist nicht endgültig. Es kann vorkommen und ist sogar sehr wahrscheinlich, dass ich meine Meinung zu Einträgen hier zu einem späteren Zeitpunkt ändere oder hinterfrage.
 
3. In dieser Liste geht es nicht darum, wie visionär oder innovativ einzelne Platten waren oder sind, sondern einfach nur darum, wie sehr ich diese mag.







30.
The Joe Harriott Double Quintet - Indo-Jazz Suite
JOHN MAYER & THE JOE HARRIOTT DOUBLE QUINTET
Indo-Jazz Suite
Atlantic

Jazz Fusion /// Dass große Teile der Jazz-Szene Mitte der Sechziger mit dem Aufkeimen des Mittelasien-Fanatismus einiger Rockbands ebenfalls anfingen, die Welt der orientalischen Tonleitern, Rhythmen und Instrumente zu entdecken, war in vielerlei Hinisicht eine absehbare Entwicklung und eine Sache, die damals auch kommerziell aussichtsreich erschien. Wo jemand wie George Harrison in der Hinwendung dazu aber ein Werkzeug spiritistischer Klarheit und seelischer Reinigung sah, war das Interesse der Jazzer an vielen Punkten doch eher technischer Natur und die Begeisterung galt vor allem den vielen neuen Horizonten, die das exotische Material kompositorisch brachte. Was sich dann unter anderem in einem Album wie Indo-Jazz Suite äußerte, das nebenbei bemerkt eine der ganz wenigen wirklich gelungenen Unternehmungen in diesem Bereich ist. Und vor allem funktioniert dieses Crossover hier auch deshalb, weil hier Musiker wirklich die technischen Elemente mittelasiatischer Notenlehre respektieren und eben nicht versuchen, hier radebrechend westliche Jazzstandards mit Sitarbegleitung einzuspielen. Das Ergebnis: Ein sehr sinfonisches und meditatives Album, das auf unterhaltsame Weise tatsächlich das beste aus beiden Welten repräsentiert und allein deshalb so dermaßen gut gealtert ist.

Ein Song zum auschecken: Overture

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29.
Sonny Boy Williamson - The Real Folk Blues
JOHN LEE HOOKER
HOWLIN' WOLF
MEMPHIS SLIM
MUDDY WATERS
SONNY BOY WILLIAMSON
the Real Folk Blues
Chess

Blues /// Ich hatte ja zuerst überlegt, hier jedes einzelne dieser fünf Alben separat zu listen, doch wäre das letztlich eher sinnlos gewesen. Denn obwohl sicherlich jede einzelne dieser Platten individuelle Qualitäten hat, die sie toll und besonders machen und wir hier ja auch von fünf unterschiedlichen Künstlers mit unterschiedlichen Stilen sprechen, überwiegen am Ende die Gemeinsamkeiten: Jeder dieser Longplayer steht für eine Veröffentlichung älterer Archivarbeiten der jeweiligen Musiker (die zu diesem Zeitpunkt allesamt beim legendären Label Chess Records unter Vertrag standen), die vor allem deshalb veröffentlicht wurden, um aus dem damaligen Blues-Revival im Zuge der British Invasion Profit zu schlagen und ein junges Publikum für die Klassiker des Genres zu begeistern. Was sie dabei jedoch langfristig schaffen ist, hier in Form einer einzigen Albumserie sowas wie das ultimative 101 des legendären Chess-Katalogs mitzuliefern und damit ein fantastisches Standardwerk zu schaffen, das für Neugierige ebenso gut funktioniert wie für Komplettist*innen und Sammelbegeisterte. Für letztere leider auch ein bisschen deshalb, weil es das Ding nach wie vor nicht als gescheites Gesamtboxset gibt, was ich echt ein bisschen schade finde. Das ist dann aber auch das einzig effektiv schlechte, was ich über dieses Projekt sagen kann.

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28.
TAGES
2
Platina
 
Beat /// In vielen Ländern der Welt sorgte der Durchbruch der Beatles und die daran anschließende British Invasion Mitte der Sechziger für junge Bands, die diesen Sound mehr oder minder nachahmten, in wenigen davon wurde das ganze aber so hochwertig betrieben wie in Schweden, wo diese Art von Musik tatsächlich Leute spielten, die ein bisschen mehr konnten als ihre Instrumente richtigherum zu halten und auch wirklich gute Songs schrieben. Tages aus Göteborg waren eine davon und obwohl man auf ihrem zweiten Album schon noch sehr viel glasklaren Beatles-Kopismus und gängige Standards hört (Eines der Highlights: Das denkbar weißeste Cover von James Browns I Got You (I Feel Good)), ist dieser technisch auf einem sehr ansprechenden Niveau und macht trotzdem jede Menge Spaß. Nicht zuletzt auch deswegen, weil die Melodien hier sehr eingängig sind und Tages mit Tommy Blom und Göran Lagerberg zwei Sänger und Songwriter haben, die als Duo extrem gut harmonieren und nicht nur schrammeln und rumschreien. Was hier immerhin schon mal für ein echt stimmiges und empfehlenswertes Albumerlebnis reicht, das die klassische Beatlemania von ihrer internationalen Schokoladenseite zeigt.

Ein Song zum auschecken: In My Dreams
 
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27.
Doc Watson - Southbound
DOC WATSON
Southbound
Vanguard

Folk /// Wenn man über den Künstler Doc Watson eines mit Sicherheit behaupten kann, dann dass er Zeit seines Lebens Musiker von ganzem Herzen war und vor allem in der Welt des Country und Folk ein wichtiges Original sein dürfte. Bekannt war der seit seiner Jugend blinde Musiker vor allem für seinen charakteristischen Fingerpunking-Stil und seine tiefgreifende, historistische Verehrung für die Tradition des amerikanischen Volkslieds, die beide auch auf seinem prägendsten Album Southbound eine Rolle spielen. Zwar sind mir die wenigsten der Tracks auf der LP als gängige Standards bekannt, was vielleicht aber auch besser so ist. Denn Watson verkauft diese hier in vielen Momenten so, als wären es seine eigenen und haucht ihnen performativ jede Menge Persönlichkeit ein, die nicht zuletzt auch durch seine brilliante und nicht selten atemberaubend zackige Technik überzeugt. Man muss dazu definitiv sagen, dass ein Album wie dieses sicherlich nicht für jeden Geschmack ist und man zumindest eine gewisse Toleranz für schmalzige Countryklischees mitbringen sollte, um das hier gut zu finden. Für diejenigen, die das können, ist Southbound aber ein Füllhorn an toll gespielten und leidenschaftlich intonierten Folksongs.

Ein Song zum auschecken: Never No More Blues

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26.
Muddy Waters - Down on Stovall's Plantation
MUDDY WATERS
Down On Stovall's Plantation
Testament

Blues /// Nachdem Muddy Waters zwei Jahre zuvor auf Folk Singer seinen Weg zurück zum traditionellen Blues gefunden hatte und die Stimmung generell gerade wieder sehr Blues-optimistisch war, ging es 1966 im umfangreicher Weise an die Archivaufnahmen des Genreveteranen, von denen von unterschiedlichen Labels gleich zwei Compilations veröffentlicht wurden. Das wesentlich bekanntere dieser Releases dürfte dabei definitiv seine Ausgabe der Real Folk Blues-Serie bei Stammlabel Chess Records sein, doch auch bei Testament erschienen im gleichen Zeitraum eine Neuveröffentlichung seiner ersten Konservenaufnahmen für die Kongressbibliothek, die Anfang der Vierzigerjahre von Alan Lomax aufgenommen wurden. Diese sind vor allem deshalb bemerkenswert, weil Waters' Songs hier eigentlich nur für dokumentarische Zwecke aufgezeichnet werden sollten und dadurch faktisch sehr rohe und ungestellte Demos sind, gerade dadurch entfalten diese aber auch eine ganz eigene Magie und sind gerade für Blues-Fans als eine der Geburtsdokumente des Chicago Blues imminent wichtig.

Ein Song zum auschecken: Burr Clover Farm Blues

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25.
Sonny Boy Williamson & The Yardbirds - 'Sonny Boy Williamson & the Yardbirds'
SONNY BOY WILLIAMSON & THE YARDBIRDS
Sonny Boy Williamson & the Yardbirds
Fontana

Blues /// Wisst ihr, was ich besonders schön an diesem Album finde? Die Tatsache, dass jemand wie Sonny Boy Williamson, der 1963 (als dieses LP ursprünglich aufgenommen wurde) schon eine Legende seines Fachs war, diese Bande von englischen Rookies, die auf der anderen Seite des Atlantik ebenfalls Bluesrock spielen, nicht als dämliche Trittbrettfahrer verlacht, sondern sich ihrer annimmt und sie als Backingband für dieses kleine Konzert engagiert. Die Band selbst, die wenige Jahre später als Sprungbrett für Acts wie Cream und Led Zeppelin bekannt werden sollte, sind hier tatsächlich nicht mehr als talentierte Begleitmusiker, die noch vor ihrer ersten Veröffentlichung stehen, doch ist das Ereignis musikhistorisch nicht unspannend. Letztlich vor allem deshalb, weil Williamson hier mit einem jungen Eric Clapton auf der Bühne steht, der die Fackel des Blues später noch an ganz andere Orte tragen wird als Williamson oder irgendeiner seiner Zeitgenossen. Mehr als ein denkwürdiges Album ist das hier aber vor allem auch ein gutes Album, das für die Verhältnisse dieser relativ spontanen Aufnahme (man kann ja von Glück reden, dass sie überhaupt existiert) echt fantastisch gemacht ist und auch nach wie vor ziemlich tight klingt. Falsch machen kann man hier also nichts, egal ob man es nun wegen Williamson oder wegen der Yardbirds hört.

Ein Song zum auschecken: 23 Hours Too Long

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24.
Bert Jansch - Jack Orion
BERT JANSCH
Jack Orion
Transatlantic

Folk /// Der britische Folksongwriter und Akustikbarde Bert Jansch belegt in der Geschichte der Rockmusik den klassischen Platz eines Musikers, der vor allem von andere Musiker*innen gemocht wird und trotz seiner verhältnismäßig geringen Bekanntheit anscheinend einen immensen Einfluss auf unser heutiges Verständnis von Gitarrenrock hat. Namhafte Legenden wie Jimi Hendrix, Jimmy Page, Nick Drake und Donovan nannten den Londoner als wesentlichen Einfluss und vor allem die verschnörkelt-simplizistische Spieltechnik, die er in den Sechzigern vordachte, lässt sich als markanter Blueprint bis heute wiederfinden. Wo seine frühen Platten aber vor allem durch ebendiese technischen Aspekte interessant sind und mich als Laien deshalb eher weniger beeindrucken, ist Jack Orion tatsächlich auch ein Album, auf dem er seine Chops als Songwriter spielen lässt und seinen Fingerabdruck auf der Leinwand des Folk Revival hinterlässt. Mit einer Mischung aus instrumentalen Vignetten, tollen Storytelling-Momenten und stimmig interpretierten Standards baut Jansch hier ein sehr intimes Stück Musik, das nicht zuletzt durch seine sehr rohe Aufnahmetechnik besticht (die sich vor allem auf dem aufwändigen Remaster von 2015 nochmal sehr beeindruckend zeigt) und auch sehr deutlich klar macht, woher vor allem Nick Drake viele seiner Ideen hatte.

Ein Song zum auschecken: Jack Orion

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23.
Yardbirds - Yardbirds
THE YARDBIRDS
Yardbirds (Roger the Engineer)
Columbia

Bluesrock /// Es ist eine ziemlich spannende Sache, dass wir auf dieser Liste gleich zwei Alben der Yardbirds stehen haben, zwischen deren jeweiligen Aufnahmen gut und gerne drei Jahre Unterschied und damit ein gehöriges Stückchen künstlerische Entwicklung liegen, das man an diesen beiden Platten auch gut ablesen kann. Wo die Londoner auf ihrem Prä-Debüt mit Sonny Boy Williamson von 1963 noch primär eine sehr traditionsbewusste Backingband sind, die das Erbe des amerikanischen Blues lediglich ziemlich gut imitiert, sind sie spätestens auf Roger the Engineer (was eigentlich nur der inoffizielle Titel ist, sich aber historisch ähnlich verhält wie beim weißen Album der Beatles oder ähnlichen Sachen) eine Formation, die ihre ganz eigene Identität in diesem Genre gefunden ist, die folglich auch eine ganz andere Sozialisation wiederspiegelt. Denn klar hört man hier irgendwie noch den Einfluss der Altvorderen aus den Staaten, wesentlich stärker geprägt ist das hier aber vom britischen Ableger des Sounds, den einige Jahre zuvor die Beatles und Stones einführten und an einigen Stellen auch schon ganz schön psychedelisch. Und wenn man bedenkt, dass ungefähr zu diesem Zeitpunkt ein gewisser Eric Clapton gerade die Band verlassen hatte um eine neue Namens Cream zu gründen und ein gewisser Jimmy Page bald seinen Platz übernehmen sollte, fügt sich eine Platte wie diese doch sehr geschmeidig in das evolutionäre Puzzle der Sixties-Rock ein, von dem es dann sicherlich auch kein so unwichtiger Teil ist.

Ein Song zum auschecken: Jeff's Boogie

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22.
France Gall - Baby Pop
FRANCE GALL
Baby Pop
Philips

Yé-Yé /// Man könnte argumentieren, dass die Zeit der größten Hits von France Gall 1966, nachdem sie ein Jahr zuvor für Luxemburg den Grand Prix d'Eurovision gewonnen hatte, eigentlich langsam vorbei war und Baby Pop nur die letzte große Platte vor einigen größeren Flops darstellt, die auch nicht mehr über so langlebige Hits wie zuvor verfügt und ein bisschen beliebig ist. Was mich bei alledem aber von ihr überzeugt ist, dass sie für ihre Verhältnisse seine sehr kohärente und in sich stimmige LP ist, die eben nicht nur über einzelne starke Singles verfügt, sondern auch in den Deep Cuts (wenn man die bei 29 Minuten Spielzeit so nennen kann) ziemlich fasziniert. Und klar muss man sich dabei drauf gefasst machen, dass Gall keine künstlerisch versierte Chansonniere ist (sie war zu diesem Zeitpunkt gerade Mal 18) und selbst für die Verhältnisse der schon reichlich überzuckerten Yé-Yé-Trendbewegung reichlich lolitahaft und teenieschwarmig rüberkommt. Wenn man das jedoch akzeptieren kann und vielleicht auch ein bisschen nach dieser Form von seichter Unterhaltung sucht, ist Baby Pop das eine Album aus dieser Zeit, auf das ich in positivem Sinne verweisen kann. Abgesehen von ihren großen Hits natürlich.

Ein Song zum auschecken: Nous Ne Sommes Pas des Anges

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21.
Sinatra With Count Basie & The Orchestra & Quincy Jones - Sinatra at the Sands
FRANK SINATRA
Sinatra at the Sands
Reprise

Swing /// Schon auf seinen Studioplatten ist der unverblümte Charme des Frank Sinatra eine Sache, der ich immer ein bisschen gegen meinen Willen verfalle und man kann sich nur vorstellen, wie schlimm das ganze wohl live und in Farbe gewesen sein muss. Einen ziemlich guten Einblick gibt mir aber auf jeden Fall diese Aufnahme aus dem Sands in Las Vegas, von der aus sich das unvergleichliche Mojo des Sängers trotz über 50 Jahren Abstand und der Verbannung auf Konserve gefährlich überträgt. Das liegt durchaus auch an der großartigen Besetzung seiner Band mit Legenden wie Count Basie und Quincy Jones, Fokuspunkt und faszinierendstes Element ist aber in jedem Moment Sinatra selbst, der - und ich kann es tatsächlich nicht anders sagen - einfach durchweg rasiert. Absolut jede seiner Gesangsperformances während dieser Show könnte genausogut als One Take auf Platte gepresst werden und wenn er gerade mal nicht singt, brilliert er als charismatischer Entertainment-Allrounder, der im Mittelteil sogar eine umfangreiche Standup-Nummer zum Besten gibt und fachmännisch das Publikum umgarnt. Wo letzteres aber sicherlich auch ein bisschen Geschmackssache und teilweise nicht ganz optimal gealtert ist, ist Sinatra at the Sands musikalisch vor allem eines: Ein ziemlich guter Rundumschlag der Greatest Hits seiner Karriere im Rahmen einer großartigen Live-Show, die für langjährige Fans genausogut funktionieren sollte wie als Einstiegsmaterial.

Ein Song zum auschecken: Come Fly With Me

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20.
The Beach Boys - Pet Sounds
THE BEACH BOYS
Pet Sounds
Capitol

Barockpop /// Ich könnte es mir einfach machen und an dieser Stelle einfach darüber schreiben, was für ein visionäres und einflussreiches Album Pet Sounds ist und hätte damit prinzipiell genauso Recht wie all die Anderen vor mir, die genau diesen Aspekt immer wieder hervorheben. Weil ich für diese Liste aber lediglich in Betracht ziehe, wie gut ich persönlich eine Platte finde und wie sehr sie durch sich alleine überzeugt, rede ich viel lieber darüber. Darüber, wie unglaublich detailliert diese Songs in ihrer klanglichen Ausarbeitung sind und wie viele Layers an kompositorischen Schnörkeleien die Beach Boys hier in jeder Sekunde übereinanderschichten. Oder darüber, wie stimmig hier über die komplette Spielzeit jenes bittersüß-melancholische Feeling durchgezogen wird, das in meinen Augen extrem charakteristisch für dieses Album ist. Letztendlich kommt es aber beides aufs gleiche raus: Seinen Leumund als eines der beliebtesten Pop-Gesamtkunstwerke der letzten 70 Jahre trägt Pet Sounds nicht umsonst und auch wenn ich persönlich es vielleicht nicht zu meinen ewigen Superfavoriten sehe, kann ich doch sehr gut verstehen, wo dieses Empfinden bei vielen herkommt.

Ein Song zum auschecken: Wouldn't It Be Nice

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19.
 Sun Ra & His Solar Arkestra - The Magic City
SUN RA & HIS SOLAR ARKESTRA
the Magic City
Saturn

Free Jazz /// Viele Jazzgrößen der frühen Sechziger versuchten 1966, sich am wachsenden Trend des Free Jazz festzuklammern und ebenfalls ihren Senf zur Bewegung dazuzugeben, wenige mit Erfolg. Und der einzige, der mit seinem Output in diesem Bereich wirklich nachhaltig überzeugte, war sowieso Freakvater und Weirdo-MVP Sun Ra, der auch in dieser Saison wieder unfassbar produktiv war. Sieben Alben mit mehr oder weniger aktuellem Material veröffentlichte er 1966 insgesamt, von denen the Magic City eines der frischesten und damit auch der wildesten war. Der siebenunszwanzigminütige Titeltrack wird bis heute von Genre-Fans als eines der definitiven Statements des Free Jazz gehandelt und enthält nicht nur hanebüchene kompositorische Hakenschläge, sondern vor allem auch einen der ersten Synthesizer-Parts, die ich in dieser Rubrik je besprochen habe. Und wo kopflastige Platten dieser Art auf ihrer B-Seite zumeist die Spannung ein bisschen runterdrehen und den Rest mit Füllmaterial ausstaffieren, kann man das auf diesem Album ebenfalls nicht behaupten und Sun Ra baut hier auch weiterhin eine großartige Kakophonie nach der anderen. Und damit insgesamt ein weiteres seiner wirklich großartigen Projekte aus dieser Zeit, die mich unfassbar begeistern.

Ein Song zum auschecken: the Magic City

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18.
Bill Evans Trio - Bill Evans Trio With Symphony Orchestra
BILL EVANS
Bill Evans with Symphony Orchestra
Verve

Third Stream /// Bill Evans war für mich schon immer mehr klassischer Komponist als Jazzer, weswegen ich an vielen Stellen vielleicht auch etwas Berührungsängste mit seinem Output hatte. Ausgerechnet auf diesem Album, mit dem er sicherlich am meisten in den Bereich der sinfonischen Komposition ausschert, gewinnt er mich aber nochmal auf eine ganz neue Art und zeigt damit, dass genau in dieser Art von Crossover seine größte Stärke liegt. Dem zaghaften Klavierjazz, den ich auch schon auf seinen früheren Platten mochte, fügt er hier mit fantastisch ausgearbeiteter und arrangierter Orchestermusik genau den Touch hinzu, der diesen optimal ergänzt und am besten werden Songs wie Granadas oder Elegia folglich auch immer dann, wenn Evans zwischen diesen beiden Modi umschaltet. Wobei er im Gegensatz zu vielen Zeitgenoss*innen, die damals ähnliches versuchten, nie zu kitschig oder kommerziell klingt und immer den richtigen Ton erwischt, auch wenn er mal das große dramaturgische Besteck anpackt. Wenn man mich fragt eines der wenigen wirklich gelungenen Alben im Balanceakt zwischen Klassik und Jazz.
 
Ein Song zum auschecken: Granadas

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17.
The Seeds - The Seeds
THE SEEDS
the Seeds
GNP Crescendo

Garagenrock /// Zumindest was ihre Attitüde angeht, waren the Seeds 1966 ziemlich ihrer Zeit voraus. Schon auf dem Cover ihres selbstbetitelten Debüts haben die Kalifornier längere Haare als die Stones und sehen bereits aus wie eine der Acidrock-Gruppen aus der Hippiezeit und hört man sich erstmal ihre Songs an, so sind diese auch eher wild und rebellisch als sauber komponiert und psychedelisch verschnörkelt wie die meisten Sachen zu dieser Zeit. Klanglich gesehen findet man ihre Andockpunkte folglich auch eher im Rock'n'Roll und Blues der späten Fünfziger, was sie zu einem klassichen Fall der Garagen-Außenseiter macht, die während dieser Zeit die Trends zur Barockisierung und Veredelung des Beat verweigerten und damit zwar kurzfristig im Abseits landeten, später aber von den Pionieren des Punk wieder aufgegriffen und zu klanglichen Visionären erkoren wurden. Wobei besonders diese LP hier ein wichtiger Fokuspunkt für diese Beeinflussung ist, da es nicht nur ihr dreckigstes und rabiatestes ist, sondern auch über jede Menge grandiose Songs verfügt, von denen aus man quasi eine direkte Linie zu Bands wie den Stooges oder den Ramones ziehen kann.

Ein Song zum auschecken: Try to Understand

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16.
Adriano Celentano - Il ragazzo della via Gluck
ADRIANO CELENTANO
Il Ragazzo Della Via Gluck
Clan Celentano

Singer-Songwriter /// Adriano Celentano ist schon lange einer meiner absoluten Leidenschaftsmusiker und ihn hier zum ersten Mal aufzuführen, macht mich schon allein deshalb irgendwie happy. Und Il Ragazzo Della Via Gluck wird auch ganz bestimmt nicht das letzte Mal sein, dass das passiert. Als schlageresker Teenieschwarm Anfang der Sechziger in Italien durchgestartet, war es dieses Album, auf dem er 1966 langsam seine Chops als ernstzunehmender Songwriter entdeckte und erstmals Musik aufnahm, die etwas verspielter und kreativer war. Ergebnis sind dabei viele seiner langlebigsten und prägensten Klassiker wie Ciao Ragazzi, Sono Un Simpatico oder der Titelsong, mit denen er nicht nur elementare Italopop-Dauerbrenner auf Platte bannt, sondern sich vor allem auch als Texter weiterentwickelt und mehr schreibt als nur ein paar schnelle Schmonzetten (so weit ich das mit den wenigen Übersetzungen der Lyrics beurteilen kann, die mir hier zur Verfügung stehen). Das beste an Via Gluck ist aber definitiv, dass diese LP in der bunten und aufregenden Diskografie des Milanesen nicht mehr ist als ein Sprungbrett, von dem aus der spannendste Teil seiner Karriere erst beginnt.

Ein Song zum ausschecken: Ciao Ragazzi

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15.
Love - Love
LOVE
Love
Elektra

Garagenrock /// Musiknerds reden sehr gerne darüber, wie sehr Love als wegbereitende Band der psychedelischen Ära doch unterschätzt sind, meistens ist die Rede dabei aber ausschließlich von ihrem 1967er-Album Forever Changes, das inzwischen allein durch dieses Narrativ eine Art Klassiker geworden ist. Dass aber schon ihr selbstbetiteltes Debütalbum aus der Saison davor nicht von schlechten Eltern war und insbesondere für den US-amerikanischen Ableger der Garagen-und-Beat-Generation viel richtig machte, wird immer wieder unterschätzt. Und auch ich musste durch die Beschäftigung mit ihrem jüngeren Output hier erstmal darauf kommen. Zwar spürt man hier noch relativ wenig von der visionären Natur späterer Platten und nach ihrer Zeit klingen die Kalifornier hier auf jeden Fall noch sehr, in der Riege trendiger Garagenprojekte aus dieser Periode ist diese LP aber durchaus bemerkenswert. So gut wie jeder der 14 Tracks hier ist eingängig und hat jede Menge Charakter, noch dazu haben Love ein beachtliches Händchen für gute Pop-Standards (ihre Versionen von Hey Joe und My Little Red Book sind Highlights dieser LP) und sind für ihre Verhältnisse klasse produziert. Und dass man dabei meistens nicht heraushört, dass sie nicht aus Großbritannien kommen, würde ich in diesem Fall eher als Feature denn als Nachteil bezeichnen. Immerhin bedeutet das ja, dass sie damit ziemlich am Puls der Zeit waren.

Ein Song zum auschecken: My Little Red Book

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14.
Red Simpson - Roll, Truck, Roll
RED SIMPSON
Roll, Truck, Roll
Capitol

Country /// Red Simpson ist in der weiten Welt des Country ein Charakter mit einem eigenwilligen Vermächtnis, ist er doch hauptverantwortlicher Begründer und wichtigster Vertreter eines Subgenres namens "Truck Driving Country", das seine wesentlichste Eigenschaft schon im Namen trägt. Den Großteil seiner kurzlebigen Diskografie bildet ein Kanon aus lyrischen Konzeptalben, die sich allesamt mit dem Schicksal der amerikanischen Kraftfahrerzunft auseinandersetzen und damit so ziemlich das amerikanischste sind, was ich für diese Listen je gehört habe. Unter der oberflächlich etwas lachhaften Prämisse versteckt sich vor allem auf diesem Debütalbum jedoch das Werk eines der aufregenderen Songwriter seines Fachs, der hier in einer knappen halben Stunde ein Dutzend der am besten geschriebenen Country-Gassenhauer aufs Parkett zimmert und dabei in keinem Moment ein Guilty Pleasure sein muss. Und sicher, lyrisch gesehen ist das hier nicht das deepste Album der Welt und bliebt inhaltlich sehr bei einer Sache, als ehrlich gemeintes Working Class-Statement mit John Henry-Attitüde kann ich das aber trotzdem sehr schätzen und bin am Ende auf eine sehr unironische Art begeistert von diesen Songs. Auch wenn ich die Warnung aussprechen muss, dass sie definitiv Geschmackssache sind.

Ein Song zum auschecken: Truck Drivin' Man

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13.
The Who - A Quick One
THE WHO
A Quick One
Reaction

Mod /// Auf ihrem Debüt My Generation im Jahr davor waren the Who noch die rabiaten Invasion-Stümper mit etwas zu viel Energie, auf Album Nummer zwei genau 365 Tage später gehören sie jedoch schon zur Elite des britischen Edelpop. Von den frisch aufgeblühten Knospen des Psychedelic Rock angefixt machen sie hier mehr oder weniger ihre Version des letzten Beatles-Albums, das - und erzählt das folgende bitte niemandem - entscheidende Dinge ein bisschen besser macht. So bekommen es the Who hier hin, die vielen freakigen Einflüsse zu einem stimmigen Ganzen zu bündeln und sind auf der einen Seite zwar professionelle Pop-Songwriter mit planvollen Songs, schlagen in entscheidenden Momenten aber auch ordentlich über die Stränge und gehen dabei manchmal sogar einen Schritt weiter als die Fab Four. Ihr Tomorrow Never Knows heißt A Quick One, While He's Away und ist ein kunterbuntes Medley aus schrägen Ideenfetzen und mit Songs wie Boris the Spider oder Cobwebs & Strange erreichen sie sogar schon ein Niveau von Schrulligkeit, das mich an Sgt. Peppers Lonely Hearts Club Band erinnert, welches ja erst im nächsten Jahr erscheinen sollte. Die Beatles haben dabei zwar noch immer die besseren Einzeltracks, doch ist das hier in meinen Augen das bessere Gesamtwerk.

Ein Song zum auschecken: A Quick One, While's He Away

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12.
The Standells - Why Pick on Me / Sometimes Good Guys Don't Wear White
THE STANDELLS
Why Pick On Me - Sometimes Good Guys Don't Wear White
Tower

 Garagenrock /// Selbst wenn man für die Musik der Standells die allgemein schon recht lockeren Standards des damaligen Garagenrock-Umfelds ansetzt, sind sie eigentlich eine Band, die theoretisch ein bisschen zu chaotisch ist, um so gut zu sein. Das beginnt schon bei einem so verwirrenden Albumtitel wie diesem hier, der alles andere als einprägsam ist und hört bei der sehr fahrigen Tracklist noch lange nicht auf. Neben zeitgenössischen Standards wie Paint It, Black und My Little Red Book (die Standells scheinen vor allem die Rolling Stones sehr zu mögen) findet man auf Why Pick On Me auch eher rock'n'rollige Nummern wie I Hate to Leave You, die beachboyeske Ballade Girl and the Moon sowie das komplett in italienisch gesungene Mi Hai Fatto Innamorare, das definitv ein krasser Ausreißer ist. Und mit so einer krassen Streuung und so vielen unausgegorenen Ideen wäre diese LP wohl auch kein Kandidat für diese Liste, würden die Standells nicht jede einzelne dieser Kaspereien zu fantastischen Songs formen und hier ein Album schaffen, das am Ende trotzdem voller grandioser Garagenrock-Hits und immens viel Spaß macht.

Ein Song zum auschecken: Looking at Tomorrow

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11.
Charles Aznavour - La bohème
CHARLES AZNAVOUR
La Bohème
Barclay

Chanson /// Es lässt sich sicherlich argumentieren, dass die Welt des französischen Chanson À Texte in keinem Album klassischer repräsentiert ist als auf La Bohème von Charles Aznavour. Sicher, er gibt eine ganze Reihe Platten, die im gängigen Kanon weitaus bekannter und beliebter sind, doch entsprechen wenige dabei auf so positive Weise einem gängigen Stereotyp von französischer Liedermacherkultur wie dieses hier. Allein der Name der Platte könnte nicht klischeehafter sein und auch was musikalisch letztendlich darauf passiert, entspricht ganz und gar dieser Erwartung: Schöngeistige Hymnen über die Straßen von Paris im Spätsommer, Liebesballaden mit schwermütiger Klavierbegleitung, aufwändig orchestrierte Lebensweisheiten im einlullenden Timbre eines wahnsinnig talentierten Sängers und thronend über allem ein Titeltrack als Opener, der genausogut der Titeltrack für gesamte französische Popmusik der letzten 60 Jahre sein könnte. Nicht dass es dabei das allerbeste Chanson-Album aller Zeiten wäre und für Nicht-Fans solcher Musik ist das hier definitiv mit Vorsicht zu genießen, doch ist es in meinen Augen ein nahezu perfektes Abziehbild der typischen Vorstellung dieser Musik. Und das kann ja auf keinen Fall was schlechtes sein.

Ein Song zum auschecken: La Bohème

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10.
Monks - Black Monk Time
THE MONKS
Black Monk Time
Polydor

Garagenrock /// Es gibt eine ganze Menge Platten auf dieser Liste, die man durchaus sehr faktenbasiert mit dem Begriff "Proto-Punk" versehen kann und obwohl das für eine Band wie the Monks insofern ein bisschen weniger gilt, als dass sie selbst unter den Geheimtipps jener Zeit ein ziemlicher Geheimtipp waren, würde ich doch mit Sicherheit sagen, dass sie auf dieser Liste das Album stehen haben, das schon am meisten nach der Energie dessen klingt, was später als Punk bekannt werden würde. Nicht nur deshalb, weil ihr Entwurf von Garagenrock auf diesem einzigen Longplayer von ihnen stellenweise noch ein bisschen verkrachter und wilder klingt als der der Sonics oder der Seeds, sondern auch ein bisschen aus dem Grund, weil die Monks dabei so herrlich schräg sind. Wenn der Opener Monk Time mit einem dadaistisch gebrabbelten Rant über den Vietnamkrieg beginnt, I Hate You sowas wie die experimentelle Verzerrung einer James Brown-Nummer ist und nicht wenige Songs hier einfach einen Ticken zu schnell gespielt sind, ist das schon ein bisschen was anderes als ein bisschen zu rotzig performter Rock'n'Roll-Dilettantismus, sondern definitiv eine bewusste Entscheidung zum künstlerischen Dachschaden. Und obwohl auch nicht jeder der sechs Songs auf diesem Album so auf die Kacke haut und die Monks dazwischen auch einige überraschend ordentliche Nummern auf dem Kasten haben, sind es definitiv die anderen Momente, die hier den meisten Eindruck hinterlassen. Und die das hier auch zu mehr machen als einfach nur einem weiteren zeitgenössischen Garagenrock-Projekt.

Ein Song zum auschecken: Monk Time

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09.
Simon & Garfunkel - Sounds of Silence
SIMON & GARFUNKEL
Sounds of Silence
Columbia

Folkrock /// Es ist nicht leicht, aus heutiger Sicht in Bezug auf dieses Album mit etwas anderem anzufangen als seinem legendären Titeltrack, der ja auch nicht umsonst das gesamte Schaffen dieser beiden Künstler überschattet und ja auch verdammt nochmal einer der besten Popsongs aller Zeiten ist. Wäre dieses Stück die einzige tolle Sache an Sounds of Silence, würde dieses Album aber sicherlich nicht hier stehen. Und für mich persönlich ist es auch vor allem deshalb bemerkenswert, weil es der Ästhetik von Simon & Garfunkel eine Kohärenz gibt, die dem größten Teil ihres Outputs in meinen Augen fehlt und dabei auch sehr gut Gegensätze vereint. Klassische Folksongs wie A Most Peculiar Man oder Leaves That Are Green funktionieren hier ebenso gut wie verhältnismäßig poppige Cuts wie I Am A Rock oder We've Got A Groovy Thing Goin' und wirken zur Stärkung des Gesamtwerks, statt es innerlich aufzuspalten. Und dass die meisten dieser Songs zu den besten gehören, die dieses Duo je gespielt beziehungsweise geschrieben hat, hilft natürlich auch.

Ein Song zum auschecken: the Sound of Silence (falls jemand den noch nicht kennen sollte)

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08.
The Hep Stars - The Hep Stars
THE HEP STARS
the Hep Stars
Olga

Barockpop /// Unter den Beatbands der mittleren Sechziger sind die Hep Stars aus Stockholm keinesfalls die wildesten oder die experimentierfreudigsten und man könnte an diesem Album durchaus kritisieren, dass es wohl etwas zu brav und schnieke geworden ist. Was ihren Ansatz aber vom Großteil ihrer Zeitgenossen unterscheidet ist, dass sie bei alledem wirklich ein Händchen für filigranes Songwriting haben und tatsächlich wissen, was sie tun. Nicht nur in dem Sinne, dass sie alle paar Songs eine halbwegs gescheite Melodie hinbekommen und Standards gut interpretieren, sondern durchaus in dem, dass sich hier tatsächlich songwriterisches Talent beteiligt, das später noch richtig groß werden sollte. Kreativer Kopf der Hep Stars war nämlich niemand geringeres als ein gewisser Benny Andersson, der einige Jahre später mit seinem Kumpel Björn Ulvaeus (der hier ebenfalls als Gastkomponist beteiligt ist) eine Band namens Abba gründen würde, hier aber schonmal ordentlich vorlegt. Im Sinne von feingeistig gemachten, gut produziertem und herrlich nuanciertem Barockpop-Tracks (einige davon mit einem überraschend markanten Kirchenmusik-Einfluss) ist das hier ein bis ins letzte Detail austariertes Kunstwerk, das so ganz anders klingt als die radebrechenden Gehversuche vieler Zeitgenoss*innen und mich dadurch schon immens begeistert. Auch wenn es im Vergleich zu vielem auf dieser Liste vielleicht ein bisschen spießig ist.

Ein Song zum auschecken: Consolation

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07.
Elza Soares - Com a bola branca
ELZA SOARES
Com A Bola Branca
Odeon

Samba /// Kontextuell gesehen ist dieser Eintrag hier tatsächlich ein bisschen eine traurige Angelegenheit, da es zu diesem Zeitpunkt nur wenige Monate her ist, das mit Elza Soares eines der standhaftesten Urgesteine der brasilianischen Popmusik im Alter von 91 Jahren verstarb. Umso schöner ist es für mich allerdings, ihrem Andenken an dieser Stelle nochmal einen bescheidenen Tribut zu erweisen, indem ich dieses Album hier jedem von euch ans Herz lege und damit vielleicht nochmal den ein oder anderen Fan für sie generieren kann. Ich für meinem Teil bin es mithilfe dieser lebhaften und farbenfrohen Samba-Platte auf jeden Fall ein bisschen geworden, auf der Soares gerade Mal schlappe 25 Minuten braucht, um mich mit ihrer leichtfüßigen und doch betonten Partystimmung für sich zu gewinnen. Und die hat übrigens nichts mit dem seichten Bossa Nova zu tun, den ich sonst auf dieser Art von Listen stehen habe, sondern geht eher ordentlich nach vorne und ist in jedem Moment zu hundert Prozent eingängig. Womit sie im Sinne einer Erinnerung an das Lebenswerk dieser Künstlerin vielleicht des optimalste ist, mit dem man sich so kurz nach ihrem Ableben beschäftigen könnte. Weil das hier nicht nach Abschied klingt, sondern eher nach der ewigen Jugend, die man ihrem Andenken wünschen möchte.

Ein Song zum auschecken: Deixa A Nega Gingar

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06.
The Rolling Stones - Aftermath
THE ROLLING STONES
Aftermath
Decca

Bluesrock /// In der Frühphase der Rolling Stones ist Aftermath sicherlich das Album mit dem größten Wiedererkennungswert, weil hier ganz einfach so viele Klassiker drauf sind: Songs wie Paint It, Black, Under My Thumb, Lady Jane und Stupid Girl machen das hier zu einer Platte, die als Einstiegsmaterial in die Diskografie der Briten nach wie vor wunderbar funktioniert, selbst wenn einige der Lyrics hier nicht mehr unbedingt als unproblematisch durchgehen. Und obwohl mir persönlich noch immer Rolling Stones No. 2 aus dem Jahr davor besser gefällt, weil es ganz einfach kohärenter ist, muss man hier doch definitiv den Hut davor ziehen, wie die Band hier ihren Sound diversifiziert und mutiger wird. Doncha Bother Me fährt noch offenherziger als zuvor die Blues-Einflüsse der Stones in den Vordergrund, Lady Jane ist ein Lehrbuchstück in schmachtendem Barockpop, High & Dry ist locker und folkig unterwegs und im Opener Paint It, Black spielt Brian Jones noch vor George Harrison das erste große Hitmotiv der britischen Popmusik auf der Sitar. Progressiv würde ich Aftermath bei alledem nicht nennen, definitiv aber abenteuerlich und vor allem spannend. Und großartige Songs schreiben sie ja sowieso.
 
Ein Song zum auschecken: Under My Thumb

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05.
The Sonics - Introducing The Sonics
THE SONICS
Introducing the Sonics
Jerden

Garagenrock /// Es ist vielleicht ein bisschen geschummelt, an dieser Stelle das zweite Album der Sonics als erstes wesentliches Statement in ihrer Karriere anzuführen, gilt doch gemeinhin ihr Debütalbum Here Are the Sonics!!! aus dem Vorjahr als das eigentliche Referenzwerk des Garagenrock, zu dem immer alle Wege zurückführen. Wo dieses mir persönlich bei aller visionären Protopunk-Energie aber immer etwas zu chaotisch und unfokussiert bleibt, ist Introducing the Sonics als sein etwas awkwarder Nachfolger die ideale Kompromisslösung. Mit the Witch und Psycho sind hier die zwei wirklich wichtigen Nummern des Erstlings nochmal auf die Tracklist gepackt, diese wird anschließend aber mit einer Reihe viel besser dazu passender Rock'n'Roll-Standards umgeben und damit für die optimale Basis gesorgt, um den Sound der Sonics auch einigermaßen kohärent klingen zu lassen. Was ich für meinen Teil genau richtig finde, weil erst dadurch das fetzige Garagenrock-Erlebnis aus dieser Band wird, das auf dem Debüt noch zu oft durch mittelmäßiges Füllmaterial unterbrochen wurde. Mir egal, dass mich für diese Präferenz wahrscheinlich die gesamte Fanbase der Gruppe lynchen wollen wird.

Ein Song zum auschecken: Psycho

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04.
https://th.bing.com/th/id/OIP.QKZY1Mf3EhJaf-33gxaTEwHaHa?pid=ImgDet&rs=1
BIG MAMA THORNTON
In Europe
Arhoolie

Blues /// 40 Jahre alt musste Willie Mae "Big Mama" Thornton erst werden, um ein offizielles Debütalbum aufzunehmen, das als Quasi-Livealbum dann auch eher einen kompilationshaften Charakter hat, Potenzial als Klassiker bringt es aber trotzdem jede Menge mit. Denn nicht nur ist die Kalifornierin aus heutiger Sicht eine wichtige Impulskraft für die großen Erfolgsgeschichten des Blues und Rock'n'Roll in den Fünfzigern (die an ihr selbst ja lange vorbeigingen), auch ist sie als Musikerin eine ziemliche Koriphäe und vor allem durch ihre markige Performance und bombastische Stimme ein Hingucker. Was es in dieser Hinsicht praktisch macht, sie hier vor allem in einem Live-Kontext zu hören, in dem sie ganz besonders brilliert. Mit dabei: Ihr legendärer erster Take des Elvis-Klassikers Hound Dog in einer extra energischen Bühnenversion, das herrlich verrückte Little Red Rooster mit intonierten Tiergeräuschen, eine klasse Interpretation des Blues-Standards Sweet Litte Angel und das religiös-meditative My Heavy Load, um nur ein paar Highlights zu nennen. Für die Verhältnisse von 1966 ist es dabei schon wieder ein sehr konservatives und rustikales Album, das man aber im Verhältnis zur Karriere der Künstlerin dahinter sehen muss und das dadurch trotzdem ein wichtiger Teil des klassischen Blues-Kanons sein dürfte.

Ein Song zum auschecken: Hound Dog

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03.
Bob Dylan - Blonde on Blonde
BOB DYLAN
Blonde On Blonde
Columbia

Singer-Songwriter /// Keine Ahnung, was 1966 plötzlich mit Bob Dylan los war, aber ich habe die Vermutung, dass er ziemlich verknallt gewesen sein muss, als er diese Songs schrieb. Denn nicht nur gibt es auf Blonde On Blonde, dem ersten Doppelalbum seiner Karriere, ziemlich viele offensichtliche Lovesongs, auch ist er hier musikalisch so ausgelassen und spielerisch unterwegs wie nie zuvor und macht für seine Verhältnisse einen Haufen ulkige Sachen, die ich aus seinen Songs vorher nicht kannte. Und wo es vorher er war, dessen Songwriting das der Beatles maßgeblich beeinflusste, scheint diese Inspiration hier erstmals zurückzustrahlen und Dylan das Album zu machen, das Rubber Soul gerne gewesen wäre. Egal wie abstrus, kitschig und albern die Ideen auf dieser LP auf dem Papier aber auch scheinen mögen, in ihrer Umsetzung funktionieren sie wie durch ein Wunder durchweg fantastisch und summieren sich ein weiteres Mal zu einem Projekt des Songwriters auf, das nicht nur erneut eines seiner besten ist, sondern seine künstlerische Palette auch weiter ausweitet und mit traumwandlerischer Sicherheit die visionärste Musik seiner Zeit macht.

Ein Song zum auschecken: I Want You

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02.
Lou Rawls - Live
LOU RAWLS
Live!
Capitol

Soul /// Man könnte bei einem Album wie diesem durchaus den berechtigten Zweifel erheben, dass es ja höchstens zur Hälfte wirklich ein Musikalbum sein kann, weil Lou Rawls den Großteil der Spielzeit auf dieser LP damit zubringt, eine Art verkapptes Standup-Programm aufzuführen, das nichts mit seinen eigentlichen Songs zu tun hat. Und wenn ich ehrlich bin sind es sogar zwei der ganz wenigen Songs, in denen ein solches Theater nicht stattfindet (namentlich seine Coverversionen von the Girl Form Ipanema und the Shadow of Your Smile), die mir hier von allem am wenigsten zusagen und die mich bis zum Schluss daran zweifeln ließen, die Platte wirklich so hoch in dieser Liste zu positionieren. Höre ich mir dann aber nur ein einziges Mal an, wie charismatisch Rawls hier tatsächlich ist und wie unfassbar cool er seine ganzen Ramblings mit Tracks wie In the Evening When the Sun Goes Down, Tobacco Road oder Street Corner Hustler Blues verbindet, kann ich nicht anders, als davon immer wieder fasziniert zu sein und ihm jeden noch so blöden (und teilweise auch nicht sehr gut gealterten) seiner Jokes zu verzeihen. Und am Ende sind das eben auch die Unterschiede, die ein Livealbum wie dieses so viel geiler machen als irgendeine beliebige Konservenplatte und zeigen, was für ein talentierter Künstler dieser Typ war. In mehr als nur einer Hinsicht.

Ein Song zum auschecken: Street Corner Hustler Blues / World of Trouble

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01.
Jacques Brel - Jacques Brel
JACQUES BREL
Jacques Brel (Ces Gens-Là)
Barclay

Chanson /// Der schlechten Auffindbarkeit seiner älteren Platten im Internet ist es zu verdanken, dass diese so selten in meinen Oldies-Listen auftauchen und schon seit Jahren ärgert mich dieser Umstand ungemein. Denn stoße ich dann tatsächlich mal auf eine, die komplett und in der richtigen Reihenfolge beim Streamingservice meiner Wahl zu finden ist, wird sie quasi ohne Ausnahme zu einem meiner persönlichen Favoriten und offenbart mir das Werk eines unfassbar talentierten Künstlers, der mittlerweile zu einer echten Herzensangelegenheit für mich geworden ist. So geschehen mit Marieke, das bereits auf meiner 1961er-Liste von 2019 den ersten Platz einnahm, drei Jahre und fünf Listen später ist es nun wieder soweit. Und die Gründe dafür sind eigentlich mehr oder weniger die gleichen wie beim letzten Mal: Die expressive Gesangsperformance von Brel, seine ungeschönten und zutiefst menschlichen Texte und nicht zuletzt auch die kantige Art, wie er diese immer wieder instrumentieren und komponieren lässt. Im Vergleich zu Marieke ist Ces Gens-Là dabei vielleicht ein bisschen pompöser und das Orchester besser ausstaffiert, die Kompetenz der Songs an sich ist aber identisch zu der von der eine halbe Dekade zuvor. Was es für mich fast schon zu einer empirischen Beobachtung macht, wie zeitlos und kontextuell unabhängig die Musik des Belgiers ist. Und wo es einerseits definitiv diese LP ist, die hier den ersten Platz einnimmt, erlaubt so eine erneute Platzierung auch Rückschlüsse über den Output des Künstlers dahinter und was ich davon langfristig halte. Wobei die wichtigste Erkenntnis sein muss, dass meine Entdeckungsreise mit ebendieser Diskografie an diesem Punkt ja noch lange nicht zu Ende ist und ich inständig hoffe, dass er in einer solchen Liste nicht zu letzten Mal aufgetaucht ist. Gerne auch wieder auf Platz Eins.

Ein Song zum auschecken: Ces Gens-Là



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